Europaweites Pilotprojekt in SH

Ökologisch korrekt sterben: Reerdigung – Alternative zur Feuerbestattung

Ökologisch korrekt sterben: Reerdigung – Alternative zur Feuerbestattung

Reerdigung: Ökologisch korrekt sterben

SHZ
Pinneberg / Mölln
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Können sich vorstellen, in 40 Tagen wieder zu Erde zu werden: Melanie und Leif Reglin. Foto: Kay Müller/shz.de

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Es könnte zum neuen Trend im Bestattungswesen werden: Bei einer Reerdigung wird der menschliche Körper in 40 Tagen zu Muttererde zersetzt. Das schont das Klima und begeistert die ersten Kunden.

Pablo Metz hat Ferdel mit dabei. Oder zumindest einen Teil von dem, was einmal ein Hausschwein dieses Namens war. „Nicht erschrecken“, sagt der Geschäftsführer des Unternehmens „Meine Erde“ und hebt den Deckel einer kleinen Schachtel an. „Das ist reiner Mutterboden“, sagt Metz und nimmt die schwarze Erde in die Hand. „Und das, was wir an Schweinen geprobt haben, funktioniert auch mit menschlichen Körpern.“

In diesen Tagen wird in Mölln der erste Mensch europaweit reerdigt. Innerhalb von 40 Tagen wird bei dieser Bestattungsart der Körper des Toten komplett zersetzt. Die Erde, die dabei zurückbleibt, wird dann in einem normalen Grab beigesetzt. Eine Reerdigung habe viele Vorteile, sagt Netz. „Zum Beispiel wird dabei kein klimaschädliches Gas freigesetzt.“

Bei einer Feuerbestattung werde jede Menge Energie verbraucht und im Schnitt eine Tonne CO₂ in die Luft geblasen. „Bei der Reerdigung nutzen wir die Prozesse, die sowieso in der Natur stattfinden. Die Transformation ist klimaneurtral und im Gegensatz zu einer normalen Erdbestattung auch keine Belastung für den Boden auf dem Friedhof.“

Zwei, die sich für die Reerdigung interessieren, sitzen in den Räumen des Bestattungsinstituts Gimball in Uetersen (Kreis Pinneberg) und hören sich an, was Metz zu erzählen hat. Melanie Reglin hat in den vergangenen drei Jahren beide Eltern verloren. „Ich wusste nicht, wie ich sie beerdigen sollte, weil wir nie darüber gesprochen haben“, sagt die 41-Jährige. „Und damit es unseren Kindern nicht genauso geht, wollen wir uns rechtzeitig Gedanken darüber machen, wo wir einmal abbleiben“, ergänzt ihr Mann Leif.

Ohne Tabus reden die beiden mit Metz über den Tod und was von ihren Körpern bleibt. Auf seinem Laptop zeigt Metz den sogenannten Kokon, in den die Toten gelegt werden. „Wir gehen so, wie wir kommen“, sagt Metz. „Also unbekleidet.“ Die Toten werden auf ein Bett aus Stroh und Blumen, dem sogenannten Substrat gelegt. „Da kann ich mich ja sogar auf Rosen betten“, sagt Melanie Reglin. Und tatsächlich ist auch das möglich.

Dann wird der Edelstahlkasten verschlossen und in die sogenannte Wabe gestellt: einen Holzschrank, in dem verschiedene Anschlüsse sind, die etwa Temperatur und Sauerstoffgehalt in dem Kokon messen. „Natürliche Mikroorganismen, die uns ständig umgeben, transformieren den Körper“, sagt Metz. Das werde durch das pflanzliche Material verstärkt, es werde nur noch Sauerstoff dazu gegeben. Um die entstehende Feuchtigkeit zu verteilen, werde der Kokon mehrfach gedreht, in dem zeitweilig Temperaturen von bis zu 70 Grad herrschten.

Bestattung der Erde auf dem Friedhof

Am Ende sei wie bei einer Feuerbestattung fast sämtliches Knochenmaterial verschwunden. Zurück bleibt Humusboden in etwa in der Größe, die der Verstorbene gehabt habe. Diese Erde werde dann wie bei einer Erdbestattung auf einem Friedhof beigesetzt. „Denn formal ist es ja eine Erdbestattung“, sagt Metz, der in Mölln den ersten Kokon im Einsatz hat, aber über weitere Standorte nachdenkt. „Wir wollen die Reerdigung überall anbieten.“ Denn auf Friedhöfen gebe es oft nicht genutzte Gebäude oder Flächen.

Der örtliche Kirchenkreis hat dazu schon mal seinen Segen gegeben. „Bei der Reerdigung ergibt sich die Chance, nach 40 Tagen noch einmal seelsorgerlich für die Angehörigen da zu sein“, sagt die Pröpstin des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, Frauke Eiben, die das Projekt begleitet. „40 Tage sind im biblisch-theologischen Kontext eine wichtige Zahl. Sie steht für Veränderung, Befreiung, Klärung.“ Die 40 Tage hätten in allen Weltreligionen eine besondere Bedeutung, so Metz. Und es sei auch die Phase der ersten intensiven Trauer. Und in dieser Zeit könnten Angehörige auch immer zum Kokon kommen, um den Verstorbenen nahe zu sein.

Die Ausgaben für die neue Bestattungsform seien dabei überschaubar, sagt Metz. Zwar komme die Re-Erde in einer Erdgrabstelle, aber: weil der Arbeitsaufwand geringer ist, werden viele Friedhöfe diese zum Preis eines Urnengrabes anbieten können, glaubt Metz. Feuerbestattungen kosteten im Schnitt um die 2000 Euro. „Und wir wollen eine Reerdigung auch für diesen Preis anbieten.“

Bestatter Oliver Gimball ist davon nicht nur begeistert. Denn natürlich kann er bei einer Reerdigung keinen Sarg und auch keine Urne verkaufen. Die Idee findet er trotzdem gut. „Das müssen wir halt umdenken“, sagt der 45-Jährige, der seit 27 Jahren im Geschäft ist. Denn Trauerfeiern etwa mit einem Sarg, in dem sich auch nur Erde befindet und auch die Beisetzung wie auch die gesamte Organisation bleibt ja in der Hand der Bestatter, „Meine Erde“ ersetzt nur das Krematorium. Und es gebe eben den Trend zu mehr Nachhaltigkeit in der Gesellschaft, sagt Gimballs Frau Nadine: Immer mehr Menschen wollten ökologisch korrekt leben, so könnten sie auch ökologisch korrekt sterben.

Für Melanie und Leif Reglin ist das ein schöner Gedanke. Sie können sich gut vorstellen, irgendwann zu Erde zu werden. Ihren Vater habe sie einäschern lassen und dann die Asche aufgrund von anderen Bestattungsgesetzen im Ausland zusammen mit Substrat vermengen und darauf einen Baum pflanzen lassen, der nun in ihrem Garten steht. „Tree of Life“, nennt sich das. Leif Reglin kann sich auch vorstellen seine Erde im eigenen Garten verteilen zu lassen, allerdings lässt das Bestattungsgesetz noch nicht zu. „Aber wir haben ja hoffentlich noch ein wenig Zeit“, sagt der 42-Jährige.

Am Ende müsste seine beiden Kinder entscheiden, wo er und seine Frau abbleiben. Aber dass von ihnen wie von Schwein Ferdel nur Erde bleibt – das kann der Pinneberger sich sehr gut vorstellen.

Mehr zur Begleitung des Projektes durch die Kirche lesen Sie hier: www.kirche-ll.de.

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