Jugendanstalt

Raclette und Telefonieren mit der Familie: Weihnachten im Gefängnis

Raclette und Telefonieren mit der Familie: Weihnachten im Gefängnis

Telefonieren mit der Familie: Weihnachten im Gefängnis

Michelle Ritterbusch/shz.de
Schleswig
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Verbringen Weihnachten hinter Gittern: Björn M. (links) und Marc B. sind Häftlinge in der Jugendanstalt Schleswig. Foto: Michelle Ritterbusch/shz.de

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Tannenbaum schmücken, Plätzchen backen, mit der Familie feiern – so sieht für viele Menschen die Weihnachtszeit aus. An einem Ort in Schleswig ist das anders: in der Jugendanstalt Schleswig. Ein Ortsbesuch.

An Heiligabend greifen viele Menschen zum Telefon. Wenn sie nicht bei ihrer Familie sein können, versuchen sie, zumindest aus der Ferne frohe Weihnachten zu wünschen. Einer von ihnen wird Marc B. (alle Häftlingsnamen von der Redaktion verfremdet) sein. Für den 20-Jährigen wird es ein deutlich anderes Weihnachtsfest sein als für viele andere Menschen in Schleswig: Er verbringt es nicht mit seiner Familie, sondern mit „seinen Jungs“. Sie sind Häftlinge der Jugendanstalt Schleswig.

Trotz zahlreicher Türen, die ständig auf- und zugeschlossen werden, hat die Weihnachtsstimmung es durch die Gitterstäbe an den Fenstern geschafft. Schon im Anmeldebereich steht ein kleiner Weihnachtsbaum mit hellen Lichtern. An seinem Stamm sitzt ein Plüschelch. An der Scheibe wurden Sterne und Tannenbäume aus Papier befestigt. Tritt man durch die schwere elektrische, blaue Tür in den Innenhof, sieht man in den Fenstern der Hafthäuser weitere Dekoration. „Achtung Weihnachten!“ steht auf einem Schild aus Holz mit einem freundlich lächelnden Schneemann darüber.

„Vor ein paar Tagen hatten wir ein Weihnachtsessen mit Reh, Bohnen, Kartoffelspalten, Mezzo Mix und Cola“, sagt Marc B.. „Das war ganz schön. Es hat sich nicht angefühlt wie im Knast.“ Das Essen wurde von Mitarbeitern der Jugendanstalt gespendet. Hinterher wurde für das Kinderhospiz Sternbrücke in Hamburg gesammelt. „Dann haben die Kinder wenigstens auch was.“

Das erste Weihnachten im Gefängnis

Für Marc B. ist es das zweite Weihnachtsfest hinter Gittern. Am 21. Dezember 2021 kam er in die Jugendanstalt. Wegen Bedrohung, Computerbetrug, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Beleidigung wurde er zu zwei Jahren Haftstrafe verurteilt. „Das war blöd. Ich hatte eigentlich gedacht, ich könnte Weihnachten noch mit meiner Familie feiern.“ Stattdessen saß er gemäß der damals geltenden Corona-Hygieneregeln in Quarantäne. Ein trostloses Fest.

Das ist in diesem Jahr anders. Gut gelaunt berichtet er vom Plätzchenbacken in seiner Wohngruppe: Die Häftlinge haben Vanillekipferl gebacken und Kekse in verschiedenen Formen ausgestochen. Der junge Mann hat zum ersten Mal selbst Plätzchenteig angerührt. An einem anderen Tag wurde der Weihnachtsbaum in der Wohngruppe geschmückt und funkelt jetzt mit vielen roten Kugeln.

Jugendanstalt Schleswig: Auch hinter Gittern gibt es Weihnachtsessen

An Heiligabend möchte er mit „seinen“ Jungs Karten spielen. Auf dem Speiseplan stehen Rinderrouladen mit Rotkohl und Kartoffeln. Für Marc B. ein Weihnachtsessen: „Rotkohl essen wir zu Hause auch immer.“

Die Mitarbeiter der Jugendanstalt Schleswig bemühen sich, den Inhaftierten Weihnachtsstimmung zu vermitteln, sagt der Justizvollzugsbeamte Andreas H. „Einige der Jungs kennen kein Weihnachten im Kreise der Familie.“ Gerade weil die Häftlinge noch jung seien, könne man versuchen, ihnen einige Werte für ihr späteres Leben mitzugeben.

An Weihnachten essen alle Häftlinge gemeinsam

Die Mahlzeiten werden an Weihnachten gemeinsam gegessen. Wer möchte, kann in den Weihnachtsgottesdienst auf dem Gefängnisgelände gehen. Die Zellen sind länger geöffnet, so dass die jungen Männer Zeit in ihren Wohngruppen verbringen können.

Andreas H. wird am 1. Weihnachtstag im Dienst sein. Die besinnliche Zeit hinter Gittern zu verbringen, macht ihm nichts aus: „Es ist mein Beruf.“

Weihnachten im Gefängnis: „Es ist eine Ausnahmesituation“

Er versuche, die Zeit mit „den Jungs“ zu verbringen. Denn: „Es ist eine Ausnahmesituation. Eigentlich verbringt man das Fest mit der Familie.“ Das nehme einige der Häftlinge mit. Es wäre falsch, sich dann nicht um sie zu kümmern – auch wenn sie ihre Situation selbst verschuldet haben. „Es ist exorbitant wichtig, dass wir ihnen Perspektiven aufzeigen.“

Geschenke können die Häftlinge in der Jugendanstalt Schleswig nicht bekommen. Aber vielleicht sei das gar nicht schlimm, meint der Justizvollzugsbeamte.

Häftling Björn M. stört es nicht, dass er keine Geschenke bekommt. Der 22-Jährige sitzt seit 6. Februar dieses Jahres im Gefängnis. Er verbüßt wegen Körperverletzung und schwerer räuberischer Erpressung eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Das Weihnachtsfest 2022 wird sein erstes hinter Gittern. „Ich wäre schon gerne draußen bei meiner Familie und meinen Freunden“, räumt er ein. Stattdessen wird er in seiner Wohngruppe Raclette essen.

Ihm bedeutet Weihnachten nicht viel – „es ist ein Tag wie jeder andere“. Und so hat er auch seine Zelle nicht geschmückt. Besuch am letzten Besuchstag vor Weihnachten war ebenfalls nicht geplant.

Hinter Gittern ist das Weihnachtsgefühl anders

Ein anderes Gefühl sei Weihnachten in der Jugendanstalt Schleswig aber trotzdem: „Ich bin jetzt nüchtern.“ In Freiheit hat er mit Freunden Weihnachten gefeiert. Sie haben sich betrunken, geredet und sind anschließend zum Weihnachtsmarkt gegangen. „In Zukunft werde ich das nicht machen“, hat er sich für die Weihnachtsfeste nach seiner Haftstrafe vorgenommen.

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