Ukraine-Krieg

Roy Freiherr von Koenig aus Flensburg: „Russland braucht einen Volksaufstand“

Roy Freiherr von Koenig aus Flensburg: „Russland braucht einen Volksaufstand“

„Russland braucht einen Volksaufstand“

Antje Walther/shz.de
Flensburg
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Roy Freiherr von Koenig kennt Russland aus jahrelangen Reisen und hält Verbindung zu den Menschen im Land. Foto: Staudt/shz.de

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Der Flensburger pflegt Kontakte zu Russen und Ukrainern. Der Urenkel des Grafen von Zeppelin ist aus erster Hand informiert und hat eine dezidierte Meinung zum Krieg und zu Adelstiteln.

Hier und da hängt eine blau-gelbe Flagge im Haus. Eine ist 120 Jahre alt, sagt Roy Freiherr von Koenig. Spätestens seit dem 24. Februar 2022 weiß jeder, dass das die Farben der Ukraine sind, die sich gegen den Aggressor Russland in einem Krieg wehren muss. Blau-gelb sind aber auch die Farben des Dampfers Alexandra, von Flensburg, von Schweden, erinnert Roy Freiherr von Koenig.

Zu allen – Flensburg, Schweden und der Alexandra, wo er seinen 75. Geburtstag in diesem Monat feierte – hat der 75-Jährige eine Verbindung. Auch zur Ukraine.

Roy Freiherr von Koenig ist in Ulm geboren, in der hessischen Rhön aufgewachsen und studierte in Bayern Forst-Ingenieurwesen. Nachdem jeder Umzug ihn weiter südlich rückte, zog der Urenkel des Grafen von Zeppelin irgendwann wieder nördlich. Zwar aus dem Süden stammend, sei er „ein reiner Nordmensch geworden“, erklärt der Wahl-Flensburger, dessen Großmutter die einzige Tochter des Grafen von Zeppelin war.

Als adlig werde man sofort in eine Schublade geworfen, beobachtet Roy von Koenig, für seinen Gast mit dem Kaffee gewartet hat und höflich und offen redet. Er „habe keinen Verdienst“ an seiner Herkunft, erklärt er, der über seinen „Freiherrn“ im Namen sagt: „Der ist eher hinderlich, weil er sofort Vorurteile weckt“. Da sei die Rede von „hochnäsigen, eingebildeten Geldsäcken“. Doch wer ihn kenne, wird widerlegt. Nur auf das „von“ legt er Wert, denn man sage zu Herrn Müller ja auch nicht Herr „Üller“.

Jahrzehntelang unter anderem Russland bereist

In seinem bodenständigen Beruf als Forstingenieur im Norden stellte er fest: „Hier oben ist nicht so viel Wald“, wechselte das Fach und arbeitete fortan als technischer Redakteur. Dieser Job habe ihn in 34 Länder dieser Welt geführt. Mehr als 25 Jahre lang verschlug es ihn mehrere Male jährlich nach Russland.

Nach der reiseintensiven Zeit machte er schließlich seine Leidenschaft für Oldtimer zum Beruf und handelte in Flensburg mit den Schätzchen. Seit zehn Jahren ist Roy Freiherr von Koenig nun Rentner und scheint noch weniger Zeit zu haben als je zuvor. Unter anderem unterrichtet der 75-Jährige Ukrainer in Deutsch, gibt Schwedisch-Stunden, liest einer älteren Dame am Telefon vor, fährt Rallyes und hält Vorträge, zuletzt an der VHS über „Ein Jahr Krieg in der Ukraine“.

Russischer Geheimdienst als politische Macht

Russland, die Herzlichkeit der Menschen, bekennt der viel gereiste Flensburger, habe er geliebt. Umso mehr habe ihn der Krieg entsetzt. Russland hatte nicht „genug Zeit, Demokratie zu werden“, lautet seine Einschätzung. Die Crux sei, dass „der Geheimdienst zum Staat geworden ist“.

Auch wenn er das Land nicht mehr bereisen kann, so bleibt sein Netzwerk stabil. Neun Patenkinder habe er dort groß werden sehen, erzählt Roy Freiherr von Koenig in seinem Haus, in dem ihn viele Fotos an jene erinnern. Durch Emails und Telefon hält er sich bei seinen Kontakten auf dem laufenden über die Lage und darf anders als seine Gesprächspartner alles sagen. Doch, so lächelt er erfreut, seine russischen Gegenüber hätten eine Sprache durch die Blume entwickelt, die ihm alles sagt, ohne dass sie sich selbst in Gefahr bringen.

„Es ist nicht das Volk, es ist Putin“, mit dem zu verhandeln schlicht nicht möglich sei, ist sich Roy von Koenig sicher. Er hatte gehofft, dass die Sanktionen früher greifen und „Mütter von inzwischen Zehntausenden von toten Russen auf die Straße gehen“. Putin habe von Militär keine Ahnung, der Angriff war „schlecht geplant“, unter anderem mit uralten Straßenkarten, sagt er.

„Die Russen brauchen wieder eine Revolution, einen Volksaufstand. Das System muss weg“, ist der Russland-Kenner überzeugt und fragt sich, ob das Land jemals demokratisch werden könne.

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