Kriminalität

Schleswig-Holstein will Strafmündigkeitsgrenze überprüfen

Schleswig-Holstein will Strafmündigkeitsgrenze überprüfen

Schleswig-Holstein will Strafmündigkeitsgrenze überprüfen

Eckard Gehm/shz.de
Kiel
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Der Fall in Heide schockierte bundesweit. Nach der Attacke auf eine Förderschülerin wurde mit Aufrufen in den Sozialen Netzwerken versucht, die Identität der mutmaßlichen Schlägerinnen herauszufinden. Foto: shz.de

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Nach den jüngsten Gewalttaten von Kindern schließt sich Schleswig-Holstein einer Forderung zur Überprüfung der Strafmündigkeitsgrenze an. Warum der Kinderschutzbund vor einer Absenkung der Altersgrenze warnt.

Nach der Misshandlung einer Förderschülerin (13) in Heide hat die Staatsanwaltschaft Itzehoe gegen vier Mädchen und zwei Jungen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren ein Verfahren wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung eingeleitet. Die Rädelsführerin der Gruppe bleibt außen vor, weil das Mädchen erst 13 Jahre alt ist. Kinder unter 14 Jahren gelten in Deutschland als schuldunfähig und müssen keine rechtlichen Konsequenzen fürchten.

Kurz nachdem die Tat im März öffentlich wurde, hatte Innenministerin Sütterlin-Waack (CDU) aber angekündigt, mit Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) zu prüfen, ob eine Herabsetzung der Strafmündigkeit sinnvoll sei.

Immer mehr Kinder begehen Gewalttaten

Nun steht der Kurs offenbar fest. Aus dem Kieler Innenministerium heißt es: „Täterinnen und Täter werden immer jünger. Daher kann man durchaus die Frage stellen, ob Kinder auch mit 13 Jahren im Einzelfall schon die Reife haben, die Folgen ihrer Taten abzusehen und das Unrecht ihrer Handlungen einsehen können.“

Wie Sprecherin Jana Reuter spezifiziert, sei die Zahl der Rohheitsdelikte und Gewalttaten durch Kinder laut Kriminalstatistik in den vergangenen fünf Jahren signifikant gestiegen. Von 546 Taten im Jahr 2018 auf zuletzt 914 Delikte. Der Anteil von Mädchen als Täterinnen sei in diesem Zeitraum von 98 auf 177 gestiegen.

Altersgrenze wurde vor 100 Jahren festgelegt

Schleswig-Holstein unterstützt nun eine Forderung des Innenministers und der Justizministerin von Baden-Württemberg, beide CDU, die den Bund gebeten haben, eine aktuelle Studie zur „altersbezogenen Entwicklung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit“ in Auftrag zu geben. Die Festsetzung der Altersgrenze auf 14 Jahre sei schon vor 100 Jahren wissenschaftlich nicht exakt begründet worden.

Oliver Breuer, Sprecher im Kieler Justizministerium: „Dieser Vorstoß zugunsten einer evidenzbasierten Überprüfung der geltenden Strafmündigkeitsgrenze findet die Zustimmung von Justizministerin Kerstin von der Decken und Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack.“ Auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse werde man seriös und fundiert beurteilen können, ob ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe.

Auch Bildungsministerin will Reifeprüfung im Einzelfall

Bereits am Wochenende hatte Kiels Bildungsministerin Karin Prien (CDU) erklärt: „Vielleicht müssen wir dazu kommen, dass zwar die grundsätzliche Strafunmündigkeit bei unter 14-Jährigen weiter gilt, wir aber in Einzelfällen, wenn die entsprechende Reife vorhanden war, auch Ausnahmen machen können.“

Kinderschutzbund: Absenkung der Strafmündigkeit ist der falsche Weg

Strikt abgelehnt wird die Absenkung des Strafmündigkeitsalters vom Kinderschutzbund. Marion Marx, stellvertretende Landesvorsitzende, sagt: „Wir sprechen uns klar dagegen aus.“ Die aktuelle Diskussion verschiebe gesellschaftliche Grenzen zulasten der Kinder und sei kein wirksames Mittel bei der Bekämpfung von Jugendkriminalität.

Marx: „Kinder können das Ausmaß ihrer Taten bedingt durch die mangelnde Reife nicht vollständig begreifen.“ Das bedeute allerdings nicht, dass Delikte keine Konsequenzen für die Kinder hätten. „In aller Regel wird das Jugendamt eingeschaltet und prüft im Einzelfall, was die Ursachen für das Verhalten des Kindes sind und mit welchen Maßnahmen und Unterstützungsleistungen reagiert werden muss. Es wird also mit erzieherischen Mitteln versucht, das Verhalten zu verändern. Eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters ist der falsche Weg.“

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