Gesellschaft

Selbstversuch: Kann man als junger Mensch in SPO abends weggehen?

Selbstversuch: Kann man als junger Mensch in SPO abends weggehen?

Kann man als junger Mensch in SPO abends weggehen?

Dania Isabell Martin/shz.de
Sankt Peter-Ording
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: Dania Isabell Martin

Diesen Artikel vorlesen lassen.

St. Peter-Ording erwacht aus dem Winterschlaf. Pünktlich zum Saisonstart wurden bereits die ersten Strandkörbe aufgestellt. Doch was passiert, wenn die Sonne untergeht und die Restaurants schließen? SHZ-Volontärin Dania Isabell Martin hat nachgeschaut.

Freitagabend, 22 Uhr. Sanfte Jazzmusik läuft im Hintergrund, die Lobbybar wirkt leergefegt. Ein älteres Paar sitzt in großen Ledersesseln, still und tief versunken in ihre Bücher – er mit einem Glas Rotwein, sie mit Wasser.

An der Bar wird es dann schon etwas lebhafter. Hier sitzt ein Pärchen um die 50, mit ein paar Cocktails und Snacks und lässt den Abend ausklingen. Kaum zu glauben, dass heute Freitag ist. Wo sind nur all die Menschen? 

„Carls Lobby und Bar“: Fruchtige Drinks mit Hindernissen

„Außerhalb der Saison ist das völlig normal, im Sommer ist hier etwas mehr los“, sagt Katharyna Derevianko, die an diesem Abend Barkeeperin in „Carls Lobby und Bar“ in St. Peter-Ording ist. Für die meisten Strandgäste ist der Weg bis zum „Aalernhüs Hotel“ mit über zwanzig Minuten Fußweg auch zu weit. 

Da ich mit Auto unterwegs bin, bestelle ich etwas Alkoholfreies, ein „Strandkorb“ soll es sein. Viele exotische Früchte und Apfelsirup – ich hoffe, das geht gut. Aber Katharyna scheint ihr Handwerk zu verstehen. Glück gehabt, der Drink schmeckt und ist auch noch fruchtig dekoriert. 

Es ist eigentlich ein netter Ort zum Verweilen, auch wenn das mit der Kartenzahlung aufgrund der Internetverbindung erst im zweiten Anlauf geklappt hat. So gern ich noch weiter mit der 24-Jährigen plaudern würde, die wegen des Kriegs in der Ukraine nach Deutschland gekommen ist – ich muss weiter.

Für meine Kneipentour in St. Peter-Ording habe ich mir vier Locations rausgesucht, die noch am ehesten unter die Kategorie Bar oder Kneipe fallen. Die letzte schließt um ein Uhr, nicht gerade jugendfreundlich. Also los geht‘s.

„Thalamegus“: Zeitreise in die Vergangenheit

Mein nächster Stopp, keine zehn Minuten zu Fuß, führt mich in die einzig richtige Kneipe in SPO, das „Thalamegus“. Von außen sieht es mehr nach einem griechischen Restaurant aus, der Schriftzug über dem Lokal erinnert an die Feuersteins – wie in einer anderen Zeit. Und genauso fühle ich mich auch, als ich die Kneipe betrete: Aus der Zeit gefallen und völlig fehl im Platz. 

Es ist gerammelt voll, an den Wänden hängen Waffen, Musik aus der Jukebox wird von der lauten Gesprächskulisse übertönt – das Publikum 50 plus, viele Reha-Gäste. Und mitten drin, Ich – mit schwarzem Mantel, umgehängter Kamera und auch noch locker dreißig Jahre jünger als der Rest. Kein Wunder, dass ich hier auffalle.

Alternative Weltansichten und preiswertes Bier

Platz zum Sitzen gibt es nicht. Mit einem Bier geselle ich mich zu den Touristen an die Bar. Carsten Schönian und seine Frau Britta sind gerade im Urlaub, eigentlich wollten sie nach Malle, doch hier sei es ja auch ganz schön. Daraufhin erklärt mir Carsten zwanzig Minuten lang, was in der Welt schiefläuft und wie wir von der Regierung reingelegt werden. Viel Widerstand gebe ich nicht, von seiner Meinung ist er sowieso nicht mehr abzubringen und Stress brauche ich jetzt erst recht nicht. 

Das Highlight: Ein Kurgast, der leicht einen sitzen hat, lallt mir viel zu laut und viel zu nah irgendwelche Sätze ins Ohr. Doch ich kann flüchten. Auf der anderen Seite der Bar treffe ich auf Siggi Winkenjohann, der seit 1998 in SPO wohnt, sich selbstständig als Tischler gemacht hat und hin und wieder hinter dem Tresen steht. Auch so kommt er regelmäßig her.

Besser kann es nicht mehr werden. Die Zeit rennt, also trinke ich schnell mein 3,50-Euro-Bier aus und zische gegen halb zwölf ab ins „Old Night Owl“. Dorthin braucht man allerdings fast zehn Minuten mit dem Auto, da die Bar im Norden des Ortes liegt. 

„Old Night Owl“: Strandhausflair und „signature Cocktails“

Der Begriff „Old Night Owl“ ist jedoch irreführend. Die Bar hat nur bis Mitternacht auf. Trotzdem ist es hier deutlich angenehmer als in der „Kultkneipe“. Im Hintergrund laufen leise Beats, das Licht ist gedimmt und die Strandhausoptik, mit großen Sesseln aus Korbgeflecht und hellen Holztischen, eher modern gehalten. Hier könnte ich gut bleiben. Viel ist nicht mehr los, aber das Publikum ist mit Mitte 20 schon eher meine Altersklasse. Im gemütlichen Ledersessel an der Bar trinke ich eine Rhabarberschorle, für mich heute nichts Wildes mehr, auch wenn der Barchef Lutz seine „signature Cocktails“ stark anpreist. 

Die Bar ist im „Beach Motel“ integriert, das direkt am Deich liegt. „Bei uns kommen auch viele Gäste aus den umliegenden Hotels vorbei“, sagt Barchef Lutz El-Amir. Beliebt sei besonders der „Clockwork Orange“. Dabei handelt es sich um einen Cocktail aus Wodka, frisch gepresstem Orangensaft, Triple Sec und hausgemachtem Thymiansirup. 

„Drifter‘s Hang Out“: Verlorenes Zeitgefühl im Neonlicht

Kurz nach Mitternacht wird die letzte Runde angekündigt. Das passt mir gut, denn eine Bar fehlt noch auf meiner Tour: Das „Drifter‘s Hang Out“, wieder zehn Minuten im Auto. Viel Energie habe ich nicht mehr, denn der Tag war lang. Als Vorbereitung auf die Heimfahrt gibt‘s hier erstmal einen großen schwarzen Kaffee. Auch hier ist nicht mehr viel Partystimmung. Ein DJ soll noch aufgelegt habe, doch als ich eintreffe sind bis auf das Bar- und Hotelteam vom „Urban Nature“, in das die Location integriert ist, nur noch vereinzelt Leute da.

Aber ich muss zugeben: So eine moderne Bar hätte ich SPO nicht zugetraut. Sessel in kräftigen Farben und außergewöhnlichen Formen, Hocker mit Kunstfell überzogen und Sitzecken mit Kissen auf simplen Holzkisten. Dazu leise Beats und neonfarbenes Licht – jegliches Zeitgefühl verschwindet. „Wir wollen den Zeitgeist catchen“, sagt einer der Barkeeper. Das ist gelungen. 

Mein Fazit: Eine Kneipentour kann man in SPO nicht wirklich machen. Es gibt aber, gerade für junge Leute, die ein oder andere Location, die sich durchaus lohnt. Einfach mal vor Mitternacht in die Hotelbars schnuppern und schauen, was einen erwartet. Und bei den nachtruhe-freundlichen Öffnungszeiten hat man auch noch was vom nächsten Tag. 

Mehr lesen