Landtag

Seyran Papo: Die Frau, die SPD-Chefin Serpil Midyatli geschlagen hat

Seyran Papo: Die Frau, die SPD-Chefin Serpil Midyatli geschlagen hat

Die Frau, die SPD-Chefin Serpil Midyatli geschlagen hat

Kay Müller, shz.de
Kiel
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Will sich auch in der Sicherheitspolitik profilieren: Seyran Papo. Foto: Marcus Dewanger/shz.de

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Sie hat SPD-Chefin Serpil Midyatli bei der Landtagswahl das Direktmandat in einer roten Hochburg abgenommen. Nicht nur deswegen gilt die 34-jährige kurdisch-stämmige Seyran Papo als Hoffnungsträgerin der CDU, um in neue Wählerschichten vorzudringen. Kann sie das schaffen?

Wer sich mit Seyran Papo unterhält, erlebt eine Frau, die in den vergangenen Monaten an Selbstbewusstsein gewonnen hat. Gerade ist sie dabei, ihren alten Job als Dolmetscherin bei Gerichten und Staatsanwaltschaften abzuwickeln. „Ich bin selbstständig und habe mehr als 50 Stunden in der Woche gearbeitet. Jetzt will ich das Dolmetschen nur noch als kleinen Nebenjob machen, um den Draht zu meinem Beruf nicht zu verlieren“, sagt Papo. Es sind sehr abgeklärte Sätze, die ein erfahrener CDU-Politiker wohl kaum anders formuliert hätte als die 34-jährige Kurdin aus der Türkei, die sich selbst so bezeichnet, aber auch sagt: „Ich bin Deutsche.“

Papo hat bei der Landtagswahl für die CDU in Kiel-Gaarden das Direktmandat gewonnen – das ist fast so, als würde die SPD in ihren Hochburgen im Ruhrgebiet den Wahlkreis Unna III oder Dortmund I an einen total unbekannten Politneuling aus der Union verlieren. „Viele in der Partei haben gesagt, dass es schwer wird, den Wahlkreis zu gewinnen, weil er auf dem Kieler Ostufer immer an die SPD gegangen ist, aber ich habe gesagt: ,Ich verspreche Euch, dass ich das Direktmandat hole‘“, sagt Papo. Da ist es wieder, das Selbstbewusstsein der Newcomerin. Denn natürlich schafft ihr der persönliche Erfolg nicht nur in den Medien, sondern auch in der Partei Aufmerksamkeit.

Dabei ist Papo bei ihrer Nominierung vor einem knappen Jahr nicht mehr als eine Zählkandidatin. Innerparteilich ist sie ein unbeschriebenes Blatt, nicht gerade sicher im Auftreten und taktisch ausgewählt. Über die Liste wäre sie nie ins Parlament gekommen. Doch die Union hofft mit der jungen Frau, die in der der Türkei zur Schule gegangen ist, einen Gegenpol zu der ebenfalls türkischstämmigen SPD-Chefin Serpil Midyatli zu setzen, die extra in den Wahlkreis gewechselt ist, um ein sicheres Mandat zu bekommen.

CDU-Neuling erringt Direktmandat, das seit Kriegsende immer die SPD geholt hatte

Doch der Plan geht nicht auf, vor allem weil Daniel Günther einen fulminanten Wahlsieg erringt. Einer seiner Fans ist natürlich die Wahlkreissiegerin in Kiel-Gaarden, die vor einem Jahr noch ihre Pressestatements lieber vom Blatt abgelesen hat, jetzt aber ohne Vorbereitung ganz andere Töne anschlägt. „Das Mandat in Kiel-Ost habe ich gewonnen“, sagt Papo selbstbewusst. Sie habe viel Rückhalt im Wahlkampf gespürt, vor allem bei Menschen mit Migrationshintergrund. „Die haben sich oft von der Politik nicht mitgenommen gefühlt und auch nicht gewusst, dass die CDU auch gute Integrationspolitik macht.“

Da müsse die CDU noch offener werden – und dafür stehe sie, sagt Papo und bekommt dafür auch Anerkennung aus der eigenen Partei, wenn ein hochrangiger CDU-Politiker über den Wahlkampf auf einem zentralen Platz, der der klassische soziale Brennpunkt ist, sagt: „Früher hätten die uns auf dem Vineta-Platz davon gejagt – jetzt sind die Leute sogar mal am Wahlkampfstand stehen geblieben.“

Doch die neue Wahlkreisabgeordnete, die stets adrett gekleidet auftritt, ist eben keine klassische Migrationspolitikerin, die nur für mehr Deutschkurse und Anti-Rassismus-Programme wirbt, sondern eine, die knallharte CDU-Sicherheitspolitik betreibt. Sie habe im Wahlkampf deutlich gemacht, dass Dealer und Drogen von den Straßen verschwinden und Kriminelle deutlich bestraft werden müssten. Deshalb sei sie auch immer für die CDU-Forderung nach mehr Polizei gewesen – und dass die Polizisten bei Wohnungsdurchsuchungen auch Bodycams verwenden dürfen.

Beides war in den schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen umstritten, mit beidem hat sich die Union durchgesetzt. Und Papo will daran anschließen: „Auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit werden Sie noch viel von mir hören“, sagt die junge Frau, die jetzt im Innen- und Rechtsauschuss des Landtages sitzt. Und da ist es wieder das neue Selbstbewusstsein der Seyran Papo, die von sich sagt: „Ich bin konservativ, sonst wäre ich nicht in dieser Partei.“

Vergangenheit bei der Linkspartei

Das war nicht immer so. Noch 2012 kandidierte die damals 24-Jährige auf Listenplatz 3 für die Linkspartei in Schleswig-Holstein. „Das ist lang her“, sagt Papo dazu. Damals sei sie wie viele andere Kurden auch linksgeprägt gewesen. „Jetzt bin ich eine gestandene Frau, die weiß, was sie will.“ Dass Papo vor zehn Jahren namentlich im Verfassungsschutzbericht des Landes erwähnt wurde, weil sie verschiedene kurdische Organisationen unterstützt haben soll, gehört allerdings auch zu ihrer Vergangenheit. „Damit werde ich wohl leben müssen, dass mich so etwas immer noch begleitet.“

Konservatives Weltbild

In der CDU sei das jedenfalls kein Thema. In der Partei will sich Papo für mehr weibliche Kandidaten einsetzen – und zwar auch in den Hochburgen der Union, in denen meist immer noch weiße Männer antreten. Doch dass sie nun parteiübergreifend mit Midyatli oder der ersten schwarzen Ministerin in einem Bundesland, Aminata Touré, eine Phalanx der modernen, weltoffenen, toleranten Integrationspolitikerinnen bildet – das sieht sie nicht. „Ich sitze für die CDU im Landtag und stehe voll hinter dem Programm meiner Partei.“ Wer sich also beim grünen Koalitionspartner über eine Schwester im Geiste freuen sollte, wird sich vermutlich bald eines anderen belehren lassen müssen.

Vielleicht wird das Seyran Papo schon bei ihrer ersten Rede im Landtag erreichen, in der es vermutlich um das Thema Integration gehen wird. Angst vor Zwischenrufen, die Parlamentsneulingen wie ihr blühen könnten, hat sie nicht. „Das kenne ich aus meinem Job.“ Aber nervös ist die 34-Jährige dann doch ein bisschen. „Ich habe zwar schon viele Reden gehalten, aber im Landtag wird das schon etwas anderes sein. Ich merke schon die Aufregung, wenn ich nur darüber rede.“

Vater benennt seinen Döner-Imbiss nach seiner Tochter

Immerhin hat Seyran Papo etwas, das nicht viele andere Politiker haben: Ein Lokal ist nach ihr benannt. Denn ihr Vater hat seinen Döner-Imbiss vor kurzem den Titel „Seypa“ gegeben. „Abgesprochen war das nicht“, sagt Seyran Papo und lacht. Das sie nun wie eine Imbissbissbude heißt, irritiert sie nicht. „Im Gegenteil: Da bin ich schon stolz drauf“, sagt sie. Wie man das eben als gestandene Frau mit klarem Weltbild und neuem Selbstbewusstsein so sagt.

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