Krieg in der Ukraine

Sicherheitsexperte Krause: „Für Russland sind wir längst Kriegspartei“

Sicherheitsexperte Krause: „Für Russland sind wir längst Kriegspartei“

Sicherheitsexperte: „Für Russland sind wir Kriegspartei“

Tim Prahle/shz.de
Kiel
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Aus Sicht von Joachim Krause sind die deutschen Schützenpanzer für die Ukraine eine überfällige Maßnahme. Für Kreml-Diktator Wladimir Putin (rechts) sei Deutschland ohnehin längst Kriegspartei. Foto: Michael Ruff/dpa/Pool Sputnik Russian Presidential Press Office via AP/shz.de

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Mit der Lieferung mehrerer Schützenpanzer greift Deutschland so aktiv in den Ukraine-Konflikt ein wie nie zuvor. „Überfällig“, betont Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik in Kiel. Eine Mehrheit der Deutschen sieht das offenbar anders.

Es gehört zu den beherrschenden Themen der vergangenen Tage. Nach monatelanger Zurückhaltung will die deutsche Bundesregierung erstmals auch Schützenpanzer in die Ukraine schicken, um das Land im Krieg gegen Russland aufzurüsten.

Experte forderte Panzer-Lieferung bereits im November

40 Fahrzeuge des Modells „Marder“ sollen das ukrainische Militär unterstützen. Eine überfällige Entscheidung, wie Joachim Krause, der Direktor des Institutes für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel betont. Er hatte bereits vergangenen November eine solche Lieferung gefordert. „Die Vorräte an sowjetischen Schützenpanzern der Ukraine sind aufgebraucht, es braucht die Unterstützung durch den Westen“, bekräftigt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Unter anderem der Westdeutsche Rundfunk hatte bereits berichtet, dass ukrainische Soldaten schlecht geschützt in offenen Pickups zu den Einsätzen fahren. Die Schützenpanzer aus Deutschland sollen diesbezüglich Abhilfe schaffen.

Russische Botschaft: „Deutschland überschreitet moralische Grenze“

Die Entscheidung gilt als Zäsur, lange hatte sich die Bundesregierung gesträubt, sogenannte schwere Waffen in die Ukraine zu liefern. Zu groß war die Sorge vor einer weiteren Eskalation. In Deutschland gab es laute Stimmen aus Politik, Wissenschaft und Militär, die warnten, die Bundesrepublik können bei derartigen Waffenlieferungen in den Krieg hinein gezogen werden.

Tatsächlich fiel die Reaktion Russlands auf die deutsche Lieferankündigung harsch aus. Die Botschaft in Deutschland teilte mit: „Die Entscheidung Berlins, schwere Waffen an das Kiewer Regime zu liefern, wird die deutsch-russischen Beziehungen gravierend beeinträchtigen“, hieß es in einer prompt veröffentlichten Stellungnahme vergangene Woche.

Und weiter: Mit der Lieferung tödlicher Waffen habe Deutschland eine moralische Grenze überschritten, urteilte die Botschaft „mit Blick auf die historische Verantwortung Deutschlands vor unserer Bevölkerung für die Nazi-Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs.“

Auch der Schützenpanzer besitzt Feuerkraft

Doch ist die Sorge mancher Deutscher, künftig als Kriegspartei gesehen zu werden, überhaupt gerechtfertigt? „Für Russland sind wir längst eine Kriegspartei“, sagt der Kieler Professor Joachim Krause. „Auch, wenn wir es nach unserer eigenen Sicht auf das Völkerrecht nicht sind.“ Droht ein Angriff Russlands? Krause beruhigt: Deutschland sei auch Teil der Nato und die werde von Russland sicher nicht angegriffen.

Die Diskussion in Deutschland um die Frage, ob die Lieferungen Angriff- oder Verteidigungswaffen sind, sei wenig zielführend. Jede Waffe kann zu offensiven oder defensiven Zwecken eingesetzt werden. So gelten Schützenpanzer wie der Mader und das Flugabwehrsystem „Patriot“ als defensive Waffen, doch in der Praxis kann der Marder dank 20-Millimeter-Bordmaschinenkanone durchaus auch für Angriffe genutzt werden.

Nur ein Viertel der Deutschen forderten mehr Waffenlieferungen

Kurz vor der Verkündung der Marder-Exporte veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut „Infratest dimap“ für den ARD-„DeutschlandTrend“ eine Umfrage zu den deutschen Ukraine-Hilfen. Lediglich 25 Prozent der Befragten gingen die Waffenlieferung zu diesem Zeitpunkt noch nicht weit genug.

Die größte Gruppe (41 Prozent) hielt sie für angemessen, 26 Prozent der Befragten ging die Unterstützung zu diesem Zeitpunkt bereits zu weit. In Ostdeutschland urteilten es gar 40 Prozent der Befragten so. Gleichzeitig reichten einer Mehrheit der Deutschen der die diplomatischen Bemühungen nicht aus.

Waffenstillstand durch Wohlverhalten „illusorisch“

Trotz dieser vergleichsweise deutlichen Umfrageergebnisse, macht den Kieler Institutsdirektor hingegen ratlos, dass die deutsche Regierung nicht schon früher mit Schützenpanzern half. Das Argument, man wolle ohne Absprache mit Verbündeten nichts unternehmen, verrate, dass dahinter kein strategisches Kalkül stehe, sondern dass versucht werde zu taktieren, meint Joachim Krause.

In der SPD scheine wohl immer noch die Hoffnung verbreitet zu sein, durch Wohlverhalten gegenüber Moskau könne man zu einem Waffenstillstand beitragen. Das sei illusorisch. „In der SPD haben halt immer noch nicht alle verstanden, dass man mit dieser russischen Regierung nicht verhandeln kann“, sagt er.

Genehmigt der Bund Kampfpanzer aus anderen Ländern?

Dabei wird das Kanzleramt wahrscheinlich schon bald vor die nächste Probe gestellt. Unter anderem Finnland, Dänemark und Polen sollen Lieferungen des Kampfpanzers „Leopard 2“ planen. „Das ist eigentlich ein Beispiel für Absprache unter Alliierten“. Ohne Zustimmung Deutschlands gehe das aber nicht. „Ich bin gespannt, wie sich der Bundeskanzler da entscheidet oder welche Ausrede er dieses Mal bemüht“, sagt Krause.

Zumindets mit Blick auf eigene Kampfpanzerlieferungen hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit eine klare Antwort parat: „Die Bundesregierung hat zum jetzigen Zeitpunkt kein Bestreben, ihrerseits Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern“, sagte er bei der Bundespressekonferenz. Er selbst habe bsi dahinauch keinerlei offizielle Initiativen oder Anfragen dazu aus Polen oder anderen Ländern, die einen solchen Vorschlag machen, mitbekommen.

Aus den Reihen der Ampelkoalition war jedoch schon eine weitere Idee aufgekommen. Nach Angaben des FDP-Bundesabgeordneten Marcus Faber könnten zudem Kampfpanzer des Vorgänger-Modells „Leopard 1“ sofort geliefert werden, wie es in einem viel beachteten Tweet hieß.

Schon das Marder-Modell, das jetzt in die Ukraine soll, gilt nicht als das neueste, sondern als „Vorgänger-Version.“ Zu möglichen Lieferungen von älteren Leopard-1-Panzern aus Deutschland äußerte der Regierungssprecher nicht konkret.

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