Martin-Luther-Krankenhaus Schleswig

Sie waren Kunst, nun sind sie weg: Wo sind die Werke von Friedrich Karl Gotsch?

Sie waren Kunst, nun sind sie weg: Wo sind die Werke von Friedrich Karl Gotsch?

Wo sind die Werke von Friedrich Karl Gotsch?

SHZ
Schleswig
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Zur Eröffnung des Schleswiger Krankenhauses 1967 prangte das großflächige abstrakte Wandrelief "Vegetative Formen" des Künstler Friedrich Karl Gotsch neben dem Haupteingang. Foto: Drees, Schlee/shz.de

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Seit den 60er-Jahren hingen im Schleswiger Martin Luther Krankenhaus zwei großflächige abstrakte Kunstwerke des renommierten Künstlers Friedrich Karl Gotsch. Inzwischen sind die Wandbilder verschwunden. Eine Spurensuche.

Der viel zitierte Spruch „ist das Kunst oder kann das weg“ scheint beim ehemaligen Martin-Luther-Krankenhaus in Schleswig Anwendung gefunden zu haben, und man hat sich offenbar für Letzteres entschieden. Von zwei seltenen Wandbildern des renommierten norddeutschen Künstlers Friedrich Karl Gotsch, die er 1967 zur Eröffnung des damaligen Krankenhauses von Kreis und Stadt geschaffen hatte, fehlt inzwischen jede Spur. Dabei handelt es sich nicht gerade um kleine Bildchen, die in eine Tasche passen: Es sind vielmehr großflächige abstrakte Wandreliefs aus Metall und Holz, die neben dem Haupteingang und im Foyer hingen.

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Wandbilder waren nicht zu übersehen

Das neben dem Eingang in der Moltkestraße platzierte Relief „Vegetative Formen“ war immerhin 2,25 Meter hoch und 3,22 Meter breit. Es bestand aus fünf an Baumstämme und Äste erinnernde Hauptelementen aus neun Millimeter dicken schwarzen Eisenplatten sowie vier goldfarbenen Stern- oder Blütenelementen aus sieben Millimeter dickem Kupfer. Das zweite Wandrelief mit dem Titel „Der Kampf mit dem Drachen“ war aus Holz gefertigt und soll im Foyer zu sehen gewesen sein. Ein Foto oder genaue Größenangaben hierzu sind nicht bekannt.


Friedrich Karl Gotsch wurde 1900 in Kiel-Pries geboren und war in seiner Jugend Meisterschüler des Expressionisten Oskar Kokoschka. Er wurde 1956 mit dem Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein ausgezeichnet und 1971 vom Land zum Ehrenprofessor ernannt. 1984 starb er in Schleswig. Im Juni 1967 hatte er einen Wettbewerb des Kreises und der Stadt Schleswig gewonnen und erhielt den Auftrag, seine Entwürfe für die Verschönerung des Eingangsbereiches des neuen Schleswiger Krankenhauses auszufertigen.

Anfangs schmückte die Stadt sich noch mit den Kunstwerken

In einem Faltblatt über die Kunst am Krankenhausneubau heißt es damals: „Die Stadt Schleswig ist dadurch um ein Paar bedeutender Kunstwerke reicher geworden.“ Doch offenbar verblasste die Anerkennung und das Interesse an der Kunst von Gotsch im Laufe der Jahre deutlich und seine beiden Reliefs fielen in den 1980er-Jahren Modernisierungsmaßnahmen im Krankenhaus zum Opfer. Sie wurden von ihren ursprünglichen Plätzen abgenommen, verkleinert und in einen Innenhof umgehängt oder eingelagert – bis sie letztlich ganz verschwunden sind.

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„Uns ist leider nichts über diese Kunstwerke oder deren Verbleib bekannt“, sagt Julia Ohm von der Pressestelle des Kreises Schleswig-Flensburg, der Miteigentümer des Krankenhauses war. Auch Andrea Schumann, Pressesprecherin des Schleswiger Helios Klinikums, welches das Martin-Luther-Krankenhaus zuletzt betrieben hatte, hört das erste Mal von diesen Kunstwerken. „Das ist aber ein spannendes Thema, und wir würden uns freuen, wenn sich das Rätsel aufklärt“, sagt sie und verweist auf ihre Vorgängerin Inke Asmussen, die ehemalige Pressesprecherin und Kulturbeauftragte des Klinikums, seit den 1990er-Jahren.


Der Verbleib der Werke ist ein Rätsel

Inke Asmussen kann sich zwar vage daran erinnern, dass es ein Wandrelief in einem Innenhof gegeben habe, aber was daraus geworden sei, wisse sie auch nicht. Und von dem hölzernen Wandbild im Foyer habe sie noch nie etwas gehört. „Das muss vor meiner Zeit in der Klinik gewesen sein“, sagt sie bedauernd.

Auch dem neuen Eigentümer des ehemaligen Martin-Luther-Krankenhaus, die Firma Manke Bau, sowie dem Abrissunternehmen Balzersen, die seit Wochen das Gebäude entkernen, ist dort keine Kunst begegnet: „Davon höre ich das erste Mal, und ich war überall in dem Gebäude unterwegs, da ist mir in keinem Innenhof irgendetwas aus Metall aufgefallen“, erklärt Moritz Hinck, Projektleiter bei Manke.

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Dass es die Kunstwerke dort überhaupt gegeben hat, bestätigen aber nicht nur ehemalige Patienten, sondern auch Dr. Ingo Borges, Kurator für Gemälde im Museum für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf. Dort wird die Sammlung mit 330 Werken von Friedrich Karl Gotsch in der nach dem Maler benannten Stiftung seit 1968 verwahrt. Auf Anfrage der SN stellte Borges uns Auszüge aus dem Katalog „Friedrich Karl Gotsch (1900-1984). Zwischen Expressionismus und Abstraktion“ von Jan Drees zur Verfügung.


Wandrelief wurde auseinander gerissen

Daraus geht hervor, wie sich das Krankenhaus zunächst mit den Kunstwerken geschmückt und sie dann aber in den 1980er-Jahren im Zuge eines Umbaus in ein Schattendasein verbannte. „Dabei wurden die „Vegetativen Formen“ um drei Teile, also um gut ein Viertel reduziert, damit sie in eine Ecke neben ein Fenster im Innenhof passten. Das allein ist schon ein Skandal, man reißt doch kein Kunstwerk auseinander“, erklärt Borges.

In dem Katalog ist zu lesen, dass schon damals erfolglos nach Teilen des Wandreliefs gefahndet wurde: „Über einen Verbleib der drei restlichen Einzelteile des Materialbildes ließ sich vor Ort trotz intensiver Suche der Hausverwaltung nichts ermitteln“, heißt es. „Lediglich „Der Kampf mit dem Drachen“, das Wandbild für das Foyer fand sich abgestellt in einem Depotbereich.“ Allerdings ist dieses Wandbild seither ebenfalls verschollen.

Seltene Werke von kunsthistorischen Interesse

Das ist besonders tragisch, weil diese Werke von Friedrich Karl Gotsch offenbar von großen kunsthistorischen Interesse sind: „Gotsch ist eigentlich bekannt für seine Gemälde und Radierungen. Dass der Künstler auch plastisch gearbeitet hat, ist sehr ungewöhnlich und soweit mir bekannt, hat er das auch nur drei Mal gemacht“, sagt Borges. „Sein drittes Werk ist die Bauplastik „Der König der Wellen“ von 1969, die bis heute in St. Peter-Ording erhalten ist. Wir hoffen sehr, dass die Reliefs aus dem Krankenhaus doch noch irgendwo auftauchen, denn eigentlich gehören sie in seine Sammlung auf Schloss Gottorf“, so Borges.

Eine kleine Hoffnung in diesem Kunst-Krimi gibt es noch: Laut Kreisverwaltung gibt es dort einen Mitarbeiter, der den Verkauf des ehemaligen Luther-Krankenhauses begleitet hatte. Er sei zwar zurzeit noch im Urlaub, könnte vielleicht aber etwas über den Verbleib der Werke wissen, so Kreissprecherin Ohm. Wir bleiben dran.

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