Gesellschaft

Das sind die Gewinner des Regensommers

Das sind die Gewinner des Regensommers

Das sind die Gewinner des Regensommers

Karin Lubowski/shz.de
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Spielen im Regen bringt manchmal am meisten Spaß. Foto: 68737739

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Der Sommer war ziemlich mies? Nicht für alle! Unsere Autorin hat nachgeschaut, wer von dem vielen Nass profitiert hat.

Das Gedächtnis ist ein Schlingel: Kaum hat uns der September ein paar herrliche Spätsommertage beschert, schon will sich die Erinnerung an den verregneten August davonstehlen. Tatsächlich gab es nämlich nach einem herrlichen Juni Hundewetter statt Hundstage, der Hochsommer 2023 ist im wahrsten Wortsinn ins Wasser gefallen. Schlechte Nachrichten? Nicht für alle. Es gibt auch Gewinner.

Die Böden

Mag es vielen Menschen den Urlaub verregnet haben, für die Böden hat der nasse Teil des Sommers eine dringend benötigte Entspannung gebracht. Nach extrem heißen Julitagen hatte das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) eine „außergewöhnliche Dürre“ registriert. Für Laien übersetzt heißt das: Alarmstufe dunkelrot.

Die galt auch für östliche Teile Schleswig-Holsteins und für den Norden Schleswig-Holsteins sowie für die gesamte Nordhälfte Mecklenburg-Vorpommerns. Bis auf den östlichen Bereich Ostholsteins gab es mit dem Regen in Schleswig-Holstein Entwarnung. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Bodensituation verbessert, zu trocken ist es dort aber noch immer.

Die Museen

Je unerfreulicher das Wetter nach menschlichem Ermessen ist, desto voller die Museen. Ob Lübeck, Schloss Gottorf oder anderswo: Seit Mitte Juli sind die Besucherzahlen geradezu explodiert. „In den Lübecker Museen haben sich die Besucherzahlen seit der zweiten Julihälfte im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt“, heißt es von der Pressesprecherin Diana Wenninger.

Allerdings will man den Erfolg an der Trave dem Regenwetter ebenso wenig allein überlassen wie in Schleswig. Magnetische Wirkung hätten auch bundesweit beachtete Ausstellungen gehabt, wird in den Häusern betont, auf Schloss Gottorf unter anderem die Sonderschau „Christo und Jeanne-Claude – Paris. New York. Grenzenlos“ und in Lübeck die Ausstellung des Museums Behnhaus Drägerhaus in der Kunsthalle mit dem tröstlichen Titel „Mehr Licht. Die Befreiung der Natur“.

Die Pilze

Feuchtigkeit und Wärme: Pilze lieben das. In diesem Sommer konnten Pilzsammler deshalb besonders früh in die „Jagdsaison“ starten. Kulinarisch wertvolle Sorten wie Steinpilze, Rotkappen und Pfifferlinge, die sich üblicherweise erst am Ende eines Sommers oder im frühen Herbst zeigen, sind bereits seit Mitte August zu finden. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte: Giftige Exemplare wie Pantherpilz, Grüner oder Weißer Knollenblätterpilz wachsen bei feuchtwarmer Witterung ebenfalls besonders gut. Deshalb sollte man nur sammeln, was man aus Erfahrung (und nicht aufgrund von Buch- und Internet-Recherchen) eindeutig identifizieren kann und grundsätzlich die Finger von sehr jungen und alten Exemplaren lassen, weil Pilze im Jugendstadium schwerer zu bestimmen sind und sich bei alten Gewächsen der Fruchtkörper bereits im Verfall befindet.

Und: Niemals in Plastiktüten sammeln! Im Notfall hilft das Giftinformationszentrum-Nord (GIZ-Nord) der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Es ist rund um die Uhr unter der Rufnummer 0551-19240 zu erreichen, das gemeinsame Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in Erfurt (GGIZ Erfurt) unter 0361-730730.

Die Haut

Einer der größten Profiteure eines verregneten Sommers ist vermutlich das größte Organ des Menschen: die Haut. Der nämlich haben die unbarmherzigen Sonnenperioden der vergangenen Jahre mächtig zu schaffen gemacht. Schnellere Hautalterung ist da eine vergleichsweise harmlose Folge. Aus Zahlen, die jüngst von der Kaufmännischen Krankenkasse veröffentlicht wurden, geht hervor, dass in Deutschland immer mehr Menschen an Hautkrebs erkranken. Allein dieser Kasse wurden im vergangenen Jahr 31 Prozent mehr Fälle gemeldet als zehn Jahre zuvor.

Eine Ursache ist die erhöhte Belastung durch UV-Strahlen. Hautärzte haben gerade erst eine staatlich organisierte Hautkrebsvorsorge in Form von Einladungsbriefen gefordert, weil die kostenlose Vorsorgeuntersuchung, die über 35-Jährigen alle zwei Jahre zusteht, zu wenig genutzt wird. Doch Regen verhindert nicht nur, dass wir den UV-Strahlen zu viel nackten Körper ausliefern. Der Hautkontakt mit dem weichen und praktisch salzfreien Regenwasser gilt als natürliches Schönheitsmittel.

Die Gärten

Konnten Gartenbesitzer in den vergangenen Jahren den Wasserschlauch kaum aus der Hand legen, musste im August 2023 nur regelmäßig begossen werden, was in Gewächshäusern oder geschützt unter Dächern wuchs – und wer ein Regenfass besitzt, brauchte auch für die regensicher positionierten Pflanzen nicht den Wasserhahn aufzudrehen, denn die Tonnen waren zuverlässig voll.

Dass sich in ihnen und um sie herum Mücken extrem wohlfühlten – nun gut. Auch sie gehören zu den Gewinnern des Sommers. War es nicht noch letztes Jahr, dass man sich über einen Mückenstich beinahe freute, weil Insekten immer seltener werden? Und apropos Garten: Wohl dem, der im Frühjahr Bohnen, Kohl, Mangold, Spinat, Zucchini ausgesät oder angepflanzt hatte. Diese Gemüsesorten gedeihen auch in regnerischen Sommern.

Barbie

Was der Regensommer mit der berühmten Kinderzimmerfigur namens Barbie zu tun hat? Zumindest bei uns trug der dazu bei, dass die gleichnamige, auf der Spielzeugreihe des US-Unternehmens Mattel beruhende Filmkomödie quasi aus dem Stand zum Kinohit wurde. Und nicht nur sie erfuhr in sonst für Kinos eher mauen Sommerwochen regen Zuspruch.

Als Zufluchtsorte vor der Trübsal im Freien gehören Filmtheater zu den Gewinnern dieses Sommers. Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa wurden bis zu doppelt so viele Besucher gezählt wie im Sonnenmonat Juni. Das Kinounternehmen Cinemaxx bestätigte die Umsatzformel:

Auch von der Cinestar-Gruppe ging der Dank für die erfreulichen Besucherzahlen an das miese Wetter.

Die Erlebnisbäder

Was dem einen sin Uhl … Zwar geht nichts über Meer- und Seen- und Flusswasser, aber Indoor-Bäder sind doch gemütlichere Aufenthaltsorte als regennasse Strände. Das fanden auch die Badegäste im Norden. Erlebnisbäder waren gefragt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnete beispielsweise die Grömitzer Welle im Juli und August 2023 einen Besucher-Anstieg von 25 Prozent.

Insgesamt zeige sich, dass der durchwachsene Sommer hier positive Spuren hinterlassen habe, sagt Jaqueline Schumacher, stellvertretende Betriebsleitung und Marketing, aber:

Die Wikdkräuter

Dieser August war für Gräser, Knöterich und Co. wie geschaffen. Unfreundlich als „Unkraut“ werden Pflanzen der spontanen Begleitvegetation in Kulturpflanzenbeständen, Grünland oder Gartenanlagen bezeichnet, und diese Pflanzen haben uns in diesem Jahr einmal mehr demonstriert, dass es kein schlechtes Wetter, sondern lediglich eine nicht vorhandene Anpassung an Witterungen gibt.

Samen, die im viel zu trockenen Boden der vergangenen Jahre ausgeharrt haben, hatten nun die Gelegenheit zu zeigen, was in ihnen steckt. Kurzum: Das Kraut ist gewachsen, als gäbe es Geld dafür. Bevor man jedoch zu Hacke oder gar chemischen Keulen greift, sollte man daran denken, dass es unter den „Unkräutern“ viele Pflanzen gibt, die Honig- und Wildbienen zum Überleben brauchen, wenn die meisten Zierpflanzen verblüht sind.

Die Literatur

Egal ob Liegestuhl oder Teestube – Lesen geht immer und fast überall. Natürlich auch in den öffentlichen Büchereien, die ebenfalls schöne Zufluchtsorte bei Schietwetter sind. In der Unmenge an weltweit erscheinender Literatur gibt es sogar die, die mit dem Regen poussieren. Für Erwachsene etwa die gerade erschienene Erzählung „Regen. Eine Liebeserklärung“ von Ferdinand von Schirach (Luchterhand, 20 Euro); oder das freche Buch von Christian Ritter „Hoffentlich regnet es zu Hause. Wenn Deutsche Urlaub machen“ (Satyr-Verlag, 15 Euro); oder der Roman „Ein verregneter Sommer“ von Marcello Liscia (Querverlag, 18 Euro).

Und für Kinder? „Ich liebe Regentage!“ ruft Kalina im illustrierten Buch von Olivia Huth ihrem angesichts der Nässe miesepetrigen Freund Hugo zu (für Kinder ab 3 Jahre, Südpol-Verlag, 13 Euro). Um Spaß im „Regen“ geht es auch in Sam Ushers Buch (ab 4 Jahre, Verlag Ueberreuter, 14,95 Euro).

Mehr lesen