Handball

So denkt SG-Präsident Dierk Schmäschke über den Trainerwechsel und die Saison

So denkt SG-Präsident Dierk Schmäschke über den Trainerwechsel und die Saison

SG-Präsident Dierk Schmäschke über den Trainerwechsel

Jan Wrege/shz.de
Flensburg
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Dierk Schmäschke ist als Präsident noch nah dran am Geschehen bei der SG Flensburg-Handewitt. Foto: nordlyset-fotografie.com/shz.de

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Vor einem Jahr hat Dierk Schmäschke die Geschäftsführung der SG Flensburg-Handewitt an Holger Glandorf abgegeben und ist in das neu geschaffene Amt des SG-Präsidenten gewechselt. Öffentlich trat der 65-Jährige seltener in Erscheinung,...

Wie dicht sind Sie als Präsident noch dran am Geschehen in der und um die SG Flensburg-Handewitt?

Ich bin sehr dicht dran. Das erste Jahr in meinem neuen Amt war sonnig und stürmisch. Leider überwogen zum Ende die stürmischen Zeiten. Operativ bin ich nicht mehr tätig. Ich halte Kontakt zu Sponsoren, übernehme repräsentative Aufgaben, vertrete die SG in internationalen Gremien und unterstütze die Geschäftsstelle, wenn sie es wünscht. Ich bin als Ratgeber da, stelle mein Netzwerk zur Verfügung und helfe, die Fäden zwischen Gesellschaftern, Fans, Mitarbeitern und Mannschaft zusammenzuhalten.

Gehen Sie auch aktiv auf die Geschäftsstelle zu, um Hinweise zu geben?

Nein. Wenn etwas Neues beginnt, müssen die handelnden Personen ihr eigenes Profil entwickeln. Das ist mir sehr wichtig.

Es gab viele Misstöne in dieser Spielzeit, die so gar nicht zur Kultur der SG passen. Etliche Akteure äußerten öffentlich Unzufriedenheit, Abwanderungsgedanken und Kritik am Umgang miteinander.

Das gehörte zu den stürmischen Zeiten und hat der SG geschadet. Die Spieler müssen wissen, in welchen Verein sie sind, nämlich in einem der erfolgreichsten in Deutschland und Europa. Da muss man eigene Befindlichkeiten hintenan stellen. Der Kern unserer Kultur besteht darin, dass niemals eigene Interessen und persönliche Befindlichkeiten über den Interessen der SG stehen sollten.

Die Kommunikation in fast allen Belangen war nicht optimal. Dass der gestörte Familienfrieden derart öffentlich wurde, hat eine ungute Eigendynamik entfacht.

Was hat dazu geführt, dass binnen einer Woche plötzlich alle Ziele – Pokal, European League, Meisterschaft – in Trümmern lagen?

Schwer zu sagen. Das muss aufgearbeitet werden. Wir hatten eine Serie von 21 Spielen ohne Niederlage. Wir waren stolz darauf, vor 20.000 Zuschauern in Köln das Final Four zu bestreiten. Und dann verlieren wir sehr deutlich gegen die Rhein-Neckar Löwen. Wir hatten fünf wichtige Spiele in 13 Tagen: Granollers auswärts, zweimal Pokal, Granollers zu Hause und THW Kiel auswärts. Ich glaube, da ist einiges unterschätzt worden. Besonders die Arbeit an der mentalen Stärke der Spieler. Da war die Mannschaft nicht fokussiert genug.

Liegt das in der Verantwortung des Trainers oder der Spieler? 

Das ist in der Verantwortung des Trainerteams – unbestritten. Jedoch gehören auch die Spieler dazu. Dem Trainer allein die Schuld zu geben, ist viel zu einfach. Das hat ja unter anderem unser Kapitän Johannes Golla mit selbstkritischen Worten sehr deutlich gemacht: Eine hohe Verantwortung liegt auch bei den Spielern.

Gegen die Rhein-Neckar Löwen zu verlieren, kann man noch akzeptieren. Aber die Heimniederlage gegen Granollers ist unentschuldbar. Diese Kategorie muss zu Hause immer geschlagen werden, ganz besonders mit dem Heim-Final-Four vor Augen. Stimmen Sie da zu? 

Ja. Das erlebt man, wenn man mental nicht auf der Höhe ist. Sonst kommt so ein Ergebnis nicht zustande. Auch wenn sonst nichts passt und die körperliche Belastung extrem hoch ist, gewinnt unsere Mannschaft mit ihrer Qualität und ihren besonderen Spielern so ein Spiel dann über die mentale Stärke.

Warum war die nicht vorhanden?

Die Mannschaft war am Limit. Man muss sich nur unsere Nationalspieler ansehen, wie sie mit der körperlichen Belastung zu kämpfen hatten und haben.

Das sollte nach der großen Analyse im Sommer 2022 nicht mehr passieren. Die Belastung sollte besser gesteuert werden. Aber es gab ein Hin und Her zwischen der Nutzung des gesamten Kaders und dann doch wieder der „ersten Sieben“.

Kam der Trainerwechsel nicht zu spät? Hätte man vielleicht schon in der ersten Krise im Herbst die Reißleine ziehen sollen? 

Den richtigen Zeitpunkt für einen Trainerwechsel gibt es nie, außer, es ist von ihm selbst gewünscht. Das ist immer hart. Manchmal ist es richtig, manchmal nicht. Maik Machulla hat alles versucht, die Mannschaft nach dem Herbst wieder auf ein hohes Niveau zu bringen und tatsächlich hatten wir bis zum Pokal-Halbfinale noch Chancen auf drei Titel. Aber das ist dann gerade in dieser einen Woche nicht gelungen.

 Haben Sie die Entscheidung, den Trainer freizustellen, mitgetragen?

Es ist mir nicht leichtgefallen und hat zu schlaflosen Nächten geführt. Aber der Schritt ist nachvollziehbar gewesen. Maik ist und bleibt ein außergewöhnlicher Trainer, der wesentlichen Anteil an zwei deutschen Meisterschaften hat. Aber es hat am Ende leider einiges nicht mehr gepasst.

Was wird das Wichtigste für den neuen Trainer Nicolej Krickau sein? 

Er muss viel Vertrauen und Unterstützung bekommen. Nicolej Krickau ist ein junger, hochdynamischer Trainer, der weiß, was er will. Ich glaube, dass er ein neues System hereinbringen wird – ohne dass ich das System der vergangenen zehn Jahre als schlecht ansehe. Aber es muss immer wieder Änderungen und Neuerungen geben und dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt.

Die Konkurrenz konnte ja inzwischen sehr gut mit dem umgehen, was die SG zwischen 2017 und 2021 so stark gemacht hat.

Es wurde sogar kopiert, das spricht für die gute Arbeit der SG der letzten Jahre.

Dann wurde das Flensburger Spiel immer langsamer...

Woran es gelegen hat, dass wir immer langsamer wurden, haben wir intern hoffentlich in den letzten Wochen genug aufgearbeitet.

Sie hatten schon vor Jahren angedeutet, dass die Aufgaben für die Geschäftsführung immer mehr zunehmen und möglicherweise die Entlastung durch einen Sportdirektor hilfreich wäre.

Die Anforderungen im Profi-Handball sind enorm gewachsen. Es gibt einen neuen umfangreichen Fernsehvertrag, wir haben deutlich höhere Ansprüche, was die Kommunikation angeht, weil zusätzlich zu den klassischen Medien der Web-Auftritt und die sozialen Medien gut betreut werden müssen. Wir müssen uns mehr und mehr mit Konkurrenten auseinandersetzen, die sportlich und wirtschaftlich auf unser Niveau gekommen sind – national, und europäisch sowieso. Wir müssen in der Lage sein, europaweit zu gucken, nicht nur skandinavisch, und auch im Blick behalten, was in Deutschland in zweiter und dritter Liga passiert. Das sind Arbeitsfelder, die ein einzelner Geschäftsführer gar nicht alleine schafft. Daher ist es gut, wenn Holger Glandorf breite Unterstützung erfährt.

 Was versprechen Sie sich von Ljubomir Vranjes?

Er bringt für diese Aufgaben das Netzwerk, die Sachkompetenz und die Durchsetzungskraft mit. Er wird mit viel Verantwortung ausgestattet, wird aber hochloyal der Geschäftsführung und dem Trainer zuarbeiten. Ljubo hat dem Beirat überzeugend seine Ideen und sein Konzept dargelegt. Nach meinem Eindruck hat er sich in den vergangenen Jahren fachlich und als Persönlichkeit enorm weiterentwickelt.

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