Gin und weg

So erklären sich Sylter Gin-Macher den Trend auf der Insel

So erklären sich Sylter Gin-Macher den Trend auf der Insel

So erklären sich Sylter Gin-Macher den Trend auf der Insel

Lisa Bohlander/shz.de
Sylt
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Foto: Lisa Bohlander/shz.de

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In den vergangenen Jahren haben einige Sylter ihren eigenen Gin kreiert und destilliert. Was fasziniert die Menschen auf der Insel an dem alkoholischen Trendgetränk?

Sie heißen „Coastberry Gin“, „Trii Gin“ oder „Sylter Meeresrausch“ – die Rede ist von verschiedenen Sorten des Trendgetränks Gin auf Sylt. In den vergangenen Jahren haben einige Sylter ihre Liebe zum Wacholderschnaps entdeckt und selbst welchen entwickelt. Fast zeitgleich sind sie auf den Markt gekommen, erzählen aber allesamt ihre eigene Geschichte. Viele verwenden Früchte, Kräuter und Gewürze – die sogenannten Botanicals – von der Insel: Sylter Rose, Queller, Brombeeren.

Auch wenn alle die Leidenschaft für Gin teilen, sind es doch unterschiedliche Beweggründe, warum sie ihren eigenen Gin entwickelt haben: Teils sind es Unternehmer, die ihr Sortiment erweitern, teils sind es begeisterte Freundesgruppen, die ihr Hobby marktreif machen. So wie bei „Neptuns Söhnen“ Christian Gehrke, Sönke Becker, Alexander Schmidt und Benjamin Redeleit und ihrem „Coastberry Gin“. Seit ihrer Zivildienstzeit vor 20 Jahren verbindet die Liebe zur Insel und zum Meer die vier Freunde. Ein Selbstbraukit von einer Spezialitätenmesse brachte sie dazu, ihren eigenen Gin zu produzieren.

Was den Wacholderschnaps-Fans auffiel: „Gin hatte in den meisten Fällen ein männliches Bild – es gibt viele Gins, die sehr männlich sind, trocken und hochprozentig“, sagt Sönke Becker. Er werde oft als männliches Produkt vertrieben, „dabei trinken Frauen Gin auch gerne“. Also verköstigten sie ihre Proben gemeinsam mit ihren Frauen und Freundinnen, um auch weibliche Noten in den Gin einzubauen. „Unsere Prämisse war, einen Gin zu brennen, den man auch pur gut trinken kann und der nicht so alkoholhaltig ist“, erklärt der gebürtige Sylter Christian Gehrke.

Anders als manch andere Ginmarke von Sylt – und mehr als jedes zweite Souvenir auf der Insel – findet sich auf der Flasche ihres „Coastberry Gin“ keine direkte Sylt-Assoziation wie eine Abbildung der Insel. „Das ist ganz bewusst und war während der Entwicklung auch immer Thema. Die Sylt-Silhouette wird verschachert. Da wollten wir nicht mitmachen“, sagt Gehrke.

Zwei Gins von Sylt mit einer ganz ähnlichen Geschichte

Und der Hype um Gin auf Sylt? Es gebe schließlich viel Gin, eine neue Erfindung sei das nicht, sagt Becker. „Es ist verrückt, dass diese Gin-Welle jetzt angekommen ist – wir haben ja vor dreieinhalb Jahren mit der Entwicklung angefangen. Und der ,Trii Gin‘ hat im Endeffekt dieselbe Story.“

Tatsächlich stecken hinter dem „Trii Gin“ die Sylter Philipp Jacobsen, Melf Lange und Ralf Schultz. „Die Idee kam uns, da wir selber immer gerne Gin getrunken haben“, erzählt Jacobsen. Auch sie begannen mit einem Testkit zu experimentieren und vertreiben ihren Gin nicht hauptberuflich. „Da die Herstellung von Gin vergleichsweise einfach ist – im Vergleich zu Whiskey oder Rum – können hier auch bereits nach kurzer Zeit Erfolge erzielt werden“, sagt Jacobsen, der eigentlich eine Malerfirma auf der Insel betreibt.

Entscheidend sei die Feinabstimmung der verschiedensten Botanicals mit- und zueinander. „Es funktioniert längst nicht alles mit allem und am Ende sollte ja doch gerne ein ausgewogener Geschmack rauskommen“, sagt der 35-Jährige.

Anfängern, die selbst Gin herstellen möchten, empfiehlt Jacobsen: Ein Testkit besorgen und selbst (aus)probieren. Denn als Privatperson selber brennen darf man in Deutschland nicht – höchstens ansetzen, also in die Botanicals „einlegen“. Auch daher eignet sich Gin gut für „Selbstbrenner“: Man kann mit vorgefertigtem Alkohol arbeiten. Die meisten der vorgestellten Gins werden daher auf dem Festland destilliert bzw. angesetzt.

Einzige Brennerei auf Sylt ist in Rantum

Dennoch gibt es auch auf Sylt Gebranntes: Die „Sylt Distillers“ haben in Rantum die einzige Destille auf der Insel und somit die nördlichste in Deutschland. Hier wird der Sylter „Reed-Gin“ gebrannt. „Wir haben eine sehr spezielle Destille für unseren Gin entwickeln lassen“, berichtet Klaus-Oliver Welsow von den Sylt Distillers.

„Viele Gin-Hersteller nutzen einfache Kolonnen mit Aromakorb in der Brennblase“ – anders in Rantum: Die Brennblase ist eine kupferne „Pot Still“ mit einer großen Kontaktfläche, die Säule ist spiralförmig statt mit Böden ausgestattet, dann folgt ein zusätzlicher Aromakorb, sodass die Botanicals nicht verkochen. „Dadurch ist der Gin im Vergleich deutlich intensiver und vielfältiger“, erläutert Welsow. Dies war mit ein Grund, warum die Unternehmer eigenen Gin produzieren:

Auch auf dem Hansenhof gibt es Sylter Gin. Sein Schöpfer Sebastian Maurer erklärt: „Vor einigen Jahren war Eierlikör im Hype, jetzt ist es Gin. Er ist relativ schnell hergestellt, hat wenig Kalorien und man kann ihn auf verschiedene Arten zubereiten.“ Deswegen hat der Hansenhof in den vergangenen Wochen einen weiteren Gin entwickelt, der deutlich kräftiger ist als der erste, „Der Sylter Gin“. So gibt es den Hansenhof-Gin in mild und fruchtig oder kräftig und intensiv.

Guido M. Stannek von „Dein Gin“ ist dagegen überzeugt, dass das Unternehmen den Gin-Trend auf Sylt mit verursacht hat, „da wir für ein paar Sylter einen Gin entwickelt und auch destilliert haben, der jetzt neben unserem ,Sylter Meeresrausch‘ auf der Insel erfolgreich verkauft wird.“ Wenn es weitere Sylter gibt, die gerne ihren eigenen Gin kreieren möchten, können sie bei den Profis von „Dein Gin“ anfragen. „Es gibt kein schöneres Hobby!“, ist sich Stannek sicher.

„London Dry Gin“ gilt als einer der hochwertigsten Ginstandards. Nach dem Destillieren werden dem Gin keine Aroma- oder Farbstoffe, Zucker oder ähnliches mehr hinzugefügt. Zudem besitzt er ein Mindestalkoholgehalt von 37,5% Vol. Im Herstellungsverfahren dient pflanzlicher Alkohol als Basis und die Aromatisierung erfolgt mit natürlichen Zutaten, wobei alle Zutaten gleichzeitig hinzugegeben werden. Die Destillation erfolgt mindestens drei Mal. 

Für den Begriff „Botanicals“ gibt es keine eindeutige Übersetzung – daher wird dieser in Zusammenhang mit Gin auch im Deutschen benutzt. Botanicals sind alle Pflanzengruppen, die im Gin vorkommen: Kräuter, Blätter, Samen, Hülsenfrüchte, Wurzeln, Rinden sowie Beeren und Früchte. Beispiele sind Wacholder, Koriander, Ingwer, Fenchel, Zimt und Zitrusfrüchte.

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