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SSW und Grüne fordern Nachtbürgermeister für Flensburg

SSW und Grüne fordern Nachtbürgermeister für Flensburg

SSW und Grüne fordern Nachtbürgermeister für Flensburg

Antje Walther/shz.de
Flensburg
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Das war‘s im Max: Der ehemalige Betreiber Sebastian Fremgens weiß, wie sich die Szene verändert. Foto: Sebastian Iwersen/shz.de

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In Großstädten kümmern sich schon seit einigen Jahren sogenannte Nachtbürgermeister um den Austausch zwischen Partyvolk, Klubbetreibern und Anwohnern. Denn die Szene verändert sich.

Lange Schlangen vor den Klubs am Flensburger Hafen: Junge Leute begehren Einlass, um die Krisen dieser Zeit wenigstens für eine Nacht wegzutanzen. Vor Corona war das ein gewohntes Bild, doch die Ausgehszene verändert sich.

Manche Location wie das Max an der Schiffbrücke musste schließen. Mit dem Ziel, „die Nachtkultur in der Stadt zu stärken und zwischen den unterschiedlichen Akteur*innen zu vermitteln“, wollen die Flensburger Grünen und der SSW die Möglichkeiten von der Verwaltung prüfen lassen, einen sogenannten „Nachtbürgermeister“ zu etablieren. Ihr Vorstoß wird am 11. Juli im Hauptausschuss diskutiert.

In Amsterdam und London gibt es schon lange Nachtbürgermeister, in Berlin inzwischen auch. Der Osnabrücker Nachtbürgermeister hat zwar nach zwei Jahren aufgehört, allerdings soll sich künftig eine „Ansprechperson“ der Aufgaben annehmen.

Flensburg wäre in Schleswig-Holstein Vorreiter. Und die Grünen würden ein Wahlversprechen einlösen, erinnert Leon Bossen. „Wir setzen uns für eine lebendige Nachtkultur ein“, heißt es im Programm. Denn sie sterbe aus und komme im kommunalpolitischen Diskurs praktisch nicht vor, beobachtet der Fraktionsvorsitzende.

Beispiel des Nachtbürgermeister-Teams aus Münster

Man habe mit Lisa Marie Tubies gesprochen, die zum zweiköpfigen Team der Nachtbürgermeister in Münster gehört. Tubies habe die vielfältigen Aufgaben beschrieben. Die bestünden keineswegs darin, nachts durch die Kneipen zu tingeln, sondern in der Koordination der Akteure und in strategischer Arbeit.

Auch die Betreiber von Bars und Klubs in Flensburg wünschten sich mehr Verständnis, hat Bossen erfahren.

Anderes Feierverhalten nach der Pandemie

Einer, der seit Jahrzehnten Teil der Szene ist, ist Sebastian Fremgens, ehemals Betreiber des Max und weiterhin Betreiber des Phono. Corona habe das Feierverhalten verändert, beobachtet er: Die Leute hätten gelernt, „in kleinen Kohorten zu feiern“. Viele Partys bleiben eher privat, etwa in WGs. Die meisten kauften Getränke dafür „pfandfrei im dänischen Markt“, skizziert Fremgens, was Gastronomen und Klubs in Schwierigkeiten bringt.

Idee der „digitalen Litfaßsäule“

Aktuell leisteten sich zudem viele Bars und Restaurants einen DJ. „Das reicht den Leuten, wozu muss man dann noch in den Klub gehen?“, fragt er und spricht von einer „Doppelmoral“. Der Flensburger würde sich wünschen, dass man die Menschen aufkläre. Ihm wäre es ein Anliegen, etwa den Erstsemestern in der Stadt zu zeigen, was es alles gebe statt zu kategorisieren. Der umtriebige Flensburger bringt die Idee einer „digitalen Litfaßsäule“ ins Spiel, zentral in der City, die anzeigt, wo überall was angeboten wird.

Der Idee des Nachtbürgermeisters kann Sebastian Fremgens durchaus etwas abgewinnen, aber: „Du musst eine Person finden, die das lebt“, diesen urbanen Gedanken, überlegt er und, ob vielleicht ein Gespann aus Mann und Frau am besten wäre.

Themen Drogen und Heimfahrten

Die Person müsste unabhängig von eigenen Interessen und dürfte nicht zu jung sein, denn es brauche eine gewisse Erfahrung für die Aufgabe, ahnt der Veranstaltungsprofi.

Auch das sichere Nachhausekommen wäre ein Thema in Flensburg, weiß Fremgens und erinnert sich, dass kein Taxi für 800 Meter den Motor anwirft, um eine Frau sicher zum nächsten Ort zu bringen. Er schlägt subventionierte Taxifahrten vor.

Noch ein potentielles Betätigungsfeld für den Nachtbürgermeister wäre schließlich das sichere Feiern. Sebastian Fremgens weist auf die Gefahr illegaler Partys und Drogen hin und hält Klubs als „geschützte Orte“ dagegen, wo zum Beispiel Defibrillatoren hängen.

Handlungsbedarf besteht also: Für Leon Bossen gehören zu einer lebenswerten Stadt ein attraktives Nachtleben und sichere Orte für „vulnerable Gruppen“. Deshalb müsse man im Dialog bleiben. „Wenn wir dem weiteren Weggang der Nachtkultur einfach nur zuschauen, riskieren wir unsere Attraktivität als Stadt gerade auch für junge Menschen“, fürchtet der stellvertretende SSW-Fraktionsvorsitzende Mats Rosenbaum.

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