Kultur

„Statt Französisch op Platt“ – Nordfriesische Dorfgeschichten als Podcast

„Statt Französisch op Platt“ – Nordfriesische Dorfgeschichten als Podcast

Nordfriesische Dorfgeschichten als Podcast op Platt

Hannah Biedermann/SHZ
Nordfriesland
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Catrin Fritsche-Cardell (v. l.) und Gaby Becker-Jensen haben einen gemeinsamen Podcast – auf Platt. Foto: De oolen Dörpsdeerns/SHZ

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Podcasts gibt es viele. Ob mit Prominenten oder Alltagsmenschen, für Nischen- oder Breitenthemen, das Hörformat setzt sich durch. Jetzt gibt es einen neuen aus Nordfriesland. Das Besondere: Sie sprechen ausschließlich op Platt.

Eine fast sentimentale Stimmung. Untermalt von seichter Musik. Eine entspannende Atmosphäre, unterbrochen nur durch die beruhigend wirkenden Stimmen von Catrin Fritsche-Cardell und Gaby Becker-Jensen. Auf Platt erzählen sie in ihrem neuen Podcast „De Oolen Dörpsdeerns“ von ihrem Leben und Erfahrungen. Ein passender Titel, denn sie kommen beide ursprünglich aus Immenstedt. Berichten über ihre Biografie als wahre nordfriesische „Dörpsdeerns“.

„Eine echte Wundertüte“

„Alt sind wir aber nicht unbedingt. Das bezieht sich eher darauf, dass wir ehemalige Dorfmädchen sind“, klärt Fritsche-Cardell den außergewöhnlichen Namen auf. Ihre Freundin und Mit-Podcasterin Becker-Jensen ergänzt: „Der Name sprang mir in den Kopf. Catrin hat darauf zu mir gesagt, Gaby, du bist eine echte Wundertüte.“

Eine Wundertüte, das ist auch der Podcast an sich. Los ging es Anfang August. „In dem Haus meines Bruders in Mildstedt“, so Fritsche-Cardell. Gesprochen wird Platt, das kennen beide noch aus ihrer Kindheit. „Wir haben einfach drauf losgelegt, ohne groß darüber nachzudenken“, berichtet sie. Und Becker-Jensen schiebt nach: „Wir wollen mit unserer Nachricht einfach schnell raus in die Welt“. Welche das ist? „Wir sehen uns als eine Art Botschafterinnen der weiblichen Dorfbiografie“, so die Wahl-Kielerin.

Platt zu sprechen, musste ihre Moderations-Partnerin Fritsche-Cardell für den Podcast noch lernen. „Als ich Kind war, da gab es Bilingualität noch nicht so. Da dachten meine Eltern, dass es für mich leichter ist, nur Hochdeutsch zu sprechen“, schildert sie. Jetzt, mit Anfang 60, hat sie „die Schatztruhe in sich jedoch geöffnet“ und das „Abenteuer Platt zusprechen“ angefangen. Begonnen hat sie damit vor etwa einem Jahr. So richtig Platt schnacken, so erzählt sie, würde sie aber erst durch den Podcast.

Freundinnen seit Kindheit an

Da hatte es Gaby Becker-Jensen leichter. Sie lernte Platt in der Familie hauptsächlich von ihren Großeltern, wie sie erzählt. Durch das Aufwachsen auf dem Dorf. Sie war es, die ihre Freundin inspirierte, mitzumachen und ihr beim Lernen hilft. Sich wieder einzufinden in eine Sprache, die beide als eine Art „Insider-Sprache“ bezeichnen.

Ihrer Freundschaft hat dieser Sprachunterschied nie zuleide getan. Dennoch, so erzählen sie: Jetzt, wo beide sich im Podcast auf Platt unterhalten, ist ihre Verbindung noch stärker geworden. Dabei kennen die beiden sich schon seit Kindheitstagen. „Wir waren zusammen auf der gleichen Schule. Haben uns dann aus den Augen verloren, nachdem wir beide für die Ausbildung weg sind. Jetzt durch den Podcast haben wir uns wiedergefunden“, erklärt die 61-Jährige.

Der Podcast, er berichtet auch über ihren Heimatort Immenstedt. Das Dorf ihrer Kindheit, so bezeichnet es Catrin Fritsche-Cardell, „die eigene Welt, der große Kinderspielplatz“, wo jeder sich kennt. Es kann einengend sein, Druck ausüben, so die beiden in einer Folge. Sie versichern jedoch, dass das nicht der Grund war wegzuziehen. Die heutige Berlinerin Fritsche-Cardell, so verrät sie, hat viel eher die Neugierde gepackt. Der Drang zu „wissen, was hinter dem Gartenzaun ist.“

Ob Immenstedt noch Heimat ist? Fritsche-Cardell sieht sich mehr als Berlinerin mit nordfriesischen Wurzeln. Dennoch bejaht sie: „Berlin ist zwar mein Zuhause, aber Immenstedt bleibt meine Heimat, mein Dorf.“ Eine Ansicht, die Gaby Becker-Jensen teilt. Für sie ist „Heimat alles von Immenstedt bis Husum“, wo sie kurz wohnte.

Identifizieren mit der eigenen Biografie

Ein Podcast, der auf eine Art heilend wirkt, mehr ist als „etwas zum nebenbei hören beim Zähneputzen“, wie Fritsche-Cardell die kurze Folgelänge beschreibt. Er hilft dabei, „sich mit der eigenen Biografie identifizieren zu können“, wie Gaby Becker-Jensen es in Worte fasst. Die melancholische Stimmung, sie entsteht aus Sätzen wie „mancher Wackerstein wird über die Jahre zum Diamanten“, den sie in einer Folge benutzt.

Eine Formulierung, die hilft zu verstehen, dass beide angekommen sind, als Person mit sich selbst zufrieden sind. Inklusive der Bodenständigkeit, die nur ein Leben auf dem Dorf vermitteln kann, so Becker-Jensen. Auch als Kreative, als Vermittlerin einer Sprache, die beide wieder aufleben lassen möchten. „Um sagen zu können, was man fühlt“, so die beiden noch in einer anderen Episode. Aber vor allem als Dörpsdeerns.

Vier Episoden und eine Pilotfolge des Podcasts gibt es. Zwei neue Episoden folgen in den nächsten Wochen. Ab Oktober werden weitere aufgezeichnet. Genau wie längere Episoden oder ein Bühnenprogramm. Abzurufen gibt es alle bisherigen hier.

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