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Sterbehilfe – wie Abgeordnete aus Schleswig-Holstein abstimmen wollen

Sterbehilfe – wie Abgeordnete aus Schleswig-Holstein abstimmen wollen

Sterbehilfe – wie Abgeordnete aus SH abstimmen wollen

Henning Baethge/shz.de
Berlin
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Am Donnerstag wird es spannend im Bundestag: Die Abgeordneten stimmen ohne Fraktionszwang über das Thema Sterbehilfe ab. Foto: Imago/shz.de

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Der Bundestag entscheidet am Donnerstag über das heikle Thema Sterbehilfe. Zwei Gesetzentwürfe stehen zur Abstimmung – welchen davon Schleswig-Holsteins Abgeordnete bevorzugen, zeichnet sich schon deutlich ab.

Am Donnerstag berät der Bundestag über ein sensibles Thema: Er entscheidet, wie Deutschland künftig mit der Sterbehilfe umgeht. Zwei Gesetzesvorschläge stehen auf der Tagesordnung – und geht es nach Schleswig-Holsteins Abgeordneten, wird bei der voraussichtlich spannenden Abstimmung der Entwurf eine Mehrheit erhalten, der schwerkranken Menschen den etwas leichteren Weg zu einem würdevollen Suizid ermöglichen soll. Das ergibt eine Umfrage unserer Zeitung unter den 28 Parlamentsmitgliedern des Landes.

Zwei Abgeordnete lehnen beide Vorschläge ab

Demnach würden 14 Abgeordnete für diesen leichteren Weg stimmen und nur 7 für den schwierigeren. 5 Parlamentarier aus Schleswig-Holstein haben sich noch nicht entschieden wie etwa der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner oder SSW-Mann Stefan Seidler. Und die CDU-Abgeordnete Melanie Bernstein sowie der AfD-Politiker Gereon Bollmann lehnen beide Vorschläge ab.

Derzeit ist die Hilfe zur Selbsttötung in Deutschland gesetzlich gar nicht geregelt. Der Grund dafür ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020: Die Richter entschieden damals, dass ein bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe rechtswidrig war, weil es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. Seither ist der Bundestag auf der Suche nach einer Neuregelung.

Aktive Sterbehilfe ist und bleibt verboten

Dabei geht es nicht um aktive Sterbehilfe, also etwa eine tödliche Spritze, die der Arzt einem Patienten auf dessen Wunsch hin setzt – die ist und bleibt verboten. Vielmehr drehen sich beide Gesetzentwürfe, über die der Bundestag abstimmt, um die passive Hilfe zum Suizid. Die erfolgt in der Regel durch das Verschreiben eines tödlichen Medikaments, das der Patient dann selber einnimmt.

An beiden Vorschlägen, die der Bundestag berät, haben zwei schleswig-holsteinische Abgeordnete maßgeblich mitgewirkt: Die Geesthachter SPD-Abgeordnete Nina Scheer hat am liberalen Entwurf mitgearbeitet, ihr grüner Wahlkreisrivale Konstantin von Notz aus Mölln am strengeren Vorschlag. Den sonst üblichen Fraktionszwang haben die Parteien für die morgige Abstimmung über diese ethische Frage aufgehoben.

Der eine Vorschlag: Suizidhilfe soll nicht strafbar sein

Der Vorschlag der Gruppe um Scheer sieht keinerlei Strafbarkeit für die Suizidhilfe vor. Er beschreibt einen Weg, wie sterbewillige, volljährige Menschen ein tödliches Medikament von einem Arzt verschrieben bekommen können. Demnach müssen sie zuvor eine unabhängige, qualifizierte Beratungsstelle für ein Gespräch aufgesucht haben, dessen Termin mindestens drei, aber höchstens zwölf Wochen zurückliegen muss. „Es ist das verfassungsrechtlich verankerte Grundrecht jeder und jedes Einzelnen, über ihr oder sein selbstbestimmtes Sterben zu entscheiden“, begründet Scheer den Vorschlag.

Wolfgang Kubicki ist für den liberalen Entwurf

Ähnlich sehen es fast alle in ihrer Landesgruppe. Auch mindestens drei der sechs Grünen aus dem Norden und drei der vier FDP-Abgeordneten sind für den liberalen Entwurf, darunter Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, der sein Votum mit nicht näher erläuterten „persönlichen beziehungsweise familiären Erlebnissen“ begründet. Der Itzehoer CDU-Mann Mark Helfrich und die Kieler Linke Cornelia Möhring befürworten den Plan der Scheer-Gruppe ebenfalls.

Der andere Vorschlag: Sterbehilfe grundsätzlich strafbar

Dagegen sieht der striktere Entwurf der Gruppe um von Notz und seinen SPD-Mitstreiter Lars Castellucci vor, dass die Hilfe zur Selbsttötung grundsätzlich strafbar wird – und nur in bestimmten Ausnahmen erlaubt bleibt. So sollen Ärzte einem Sterbewilligen in der Regel nur dann ein tödliches Medikament verschreiben dürfen, wenn derjenige zwei Untersuchungen durch Fachärzte für Psychiatrie oder Psychotherapie nachweisen kann und mindestens eine weitere Beratung. Zudem ist ein Verbot für die Werbung für die Hilfe zum Suizid vorgesehen.

Johann Wadephul plädiert für die striktere Regelung

„Angesichts der hohen Bedeutung, die unser Grundgesetz dem Schutz von Leben zuerkennt, zielt der Entwurf darauf ab, einer gesellschaftlichen Normalisierung der Hilfe zur Selbsttötung entgegenzuwirken“, begründet von Notz seine Haltung. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul und weitere CDU-Politiker aus dem Land unterstützen den Vorschlag ebenfalls. „Durch einen hohen Lebensschutz muss jeder nur denkbare Druck auf kranke oder alte Menschen vermieden werden“, sagt er.

Auch der Preetzer SPD-Abgeordnete Kristian Klinck und der Kieler FDP-Mann Max Mordhorst sind für strikte Regeln – und nehmen damit Außenseitermeinungen in ihren jeweiligen Landesgruppen ein. „Für mich muss die Förderung des Lebens immer wichtiger sein als die des Sterbens“, sagt Mordhorst. Ganz ähnlich argumentiert Klinck: „Jeder Mensch ist wichtig und jedes menschliche Leben hat Anspruch auf Schutz durch den Gesetzgeber.“

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