Freiwilligendienst 2022
Sünje, Rosa, Tim und Dorian sind ein Jahr im Einsatz für Sylts Natur
Sünje, Rosa, Tim und Dorian sind im Einsatz für Sylts Natur
Sünje, Rosa, Tim und Dorian sind im Einsatz für Sylts Natur
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Statt Work-and-Travel oder Au-Pair haben sich die vier Teenager nach dem Abitur für einen Freiwilligendienst im Sylter Naturschutz entschieden. Warum sie dafür ein Watt-Attest brauchen, wie sich der Wechsel von der Großstadt auf die Insel anfü...
Halb zehn in Braderup. Während draußen im Kräutergarten die Insekten surren, basteln Sünje Stumm, Rosa Marx, Tim Schnickmann und Dorian Haiger Muschelketten: Die letzten Vorbereitungen für die Piratenwanderung stehen an.
Von Berlin ins kleine Braderup
Die Teeanger haben sich nach dem Abitur dafür entschieden, sich ein Jahr auf Sylt als Freiwillige im Naturzentrum Braderup zu engagieren. Seit Juli sind sie im Einsatz. „Ich fand es ganz aufregend hier in der Anfangszeit“, erzählt Rosa Marx. Die 19-Jährige kam von der Großstadt Berlin auf die Insel — und fühlt sich wohl. „Ich hatte vorher überhaupt keinen Bezug zu Sylt, aber ich fand die Ausschreibung interessant und die Natur hier ist einmalig“, sagt Marx weiter. Sie habe zudem ein Kontrastprogramm zu Berlin gesucht, was sie auf Sylt gefunden habe.
Sünje Stumm kennt die Insel schon seit vielen Jahren. Die Sylterin hat sich entschieden, nach dem Abitur auf der Insel zu bleiben und sich im Naturschutz zu engagieren. „Durch den Freiwilligendienst lerne ich aber auch nochmal ganz neue Ecken kennen“, erzählt sie.
Führungen durch das Watt und die Sylter Natur
Im Juli begann das Abenteuer auf Sylt für die vier, indem sie durch ihre Vorgänger eingearbeitet wurden. „Ich habe teilweise sogar von Heidepflanzen geträumt“, erinnert sich Rosa. Die Gruppe lernte die unterschiedlichen Führungen und Abläufe im Naturzentrum kennen. Nun sind sie selbst verantwortlich für Naturführungen, Heidepflege, den Kräutergarten und weitere Projekte rund um die Sylter Natur. Sogar durch das Watt dürfen die Abiturienten Besucher führen — jedoch nicht ohne Watt-Attest. „Meine Hausärztin und ich wussten auch nicht, was das sein soll, aber das ist einfach nur eine Bestätigung, dass man gesundheitlich in der Lage ist, ins Watt zu gehen“, erklärt Rosa und lacht.
Dass an den Führungen verschiedenste Altersklassen teilnehmen, sei am Anfang herausfordernd gewesen, doch das hat sich gewandelt, wie Rosa erzählt: „Am Anfang hatte ich großen Respekt davor, aber jetzt fühle ich mich wohl, weil ich merke, dass viele ältere Leute auch gern von uns jungen etwas erzählt bekommen.“
Leben am Meer — im Wohnwagen
Neben ihren alltäglich Aufgaben belegen die Freiwilligen Seminare, in denen sie beispielsweise lernen, wie Vögel richtig gezählt werden oder was die Flora und Fauna auf Sylt hergibt. Das Naturzentrum stellt den Freiwilligen Schlafplätze zur Verfügung, aus Platzmangel mussten zwei jedoch auf den Campingplatz in Wenningstedt ausweichen. Für Tim Schnickmann kein Problem: „Ich habe einen Wohnwagen für mich und bin direkt am Meer, das ist super.“ Dennoch mussten sich die Freiwilligen daran gewöhnen, beinahe permanent zusammen zu leben und zu arbeiten. Rosa erinnert sich: „Es war eine Herausforderung, die ganze Zeit auf Achse und zusammen zu sein. Mir hat ein Rückzugsort gefehlt, aber jetzt hat sich alles gut eingespielt.“ Sünje ergänzt: „Wir haben ja auch alle ähnliche Interessen, wie die Begeisterung für den Naturschutz und verstehen uns sehr gut.“
Während der Saison arbeiten sie an sechs Tagen pro Woche rund 7,5 Stunden. Im Winter, wenn keine Führungen mehr stattfinden, wird die Arbeit weniger und die Freiwilligen fokussieren sich auf langfristige Projekte, gestalten die Ausstellung im Naturzentrum neu und bringen die Website auf Vordermann.
Nicht für großes Gehalt, sondern für die gute Sache auf der Insel
Für ihre Arbeit bekommen sie freie Unterkunft und ein Taschengeld von rund 300 Euro, doch Dorian Haiger betont: „Wir sind nicht hier, um Geld zu verdienen, sondern weil wir uns engagieren wollen.“ Für den Stader hätte es nicht zwingend Sylt sein müssen, doch mit der Zusage stand sein Entschluss fest: „Ich habe mich auch bewusst für den Freiwilligendienst entschieden, um Erfahrungen im Naturschutz zu sammeln, weil ich gern etwas in diese Richtung studieren möchte.“ Auch seine Kumpanen haben entweder ihre Schwerpunkte im Abitur auf Naturwissenschaften gelegt oder sich in ihrer Freizeit bei Umweltorganisationen wie Fridays for Future engagiert.
Beim Naturzentrum Braderup sind derzeit insgesamt sieben Freiwillige aktiv — vier von ihnen machen einen Bundesfreiwilligendienst, drei ein Freiwilliges Ökologisches Jahr. Maike Lappoehn ist die Geschäftsführerin und für die Freiwilligen zuständig. Sie erzählt: „Seit Beginn der Corona-Pandemie führen wir die Bewerbungsgespräche per Skype. Das ist gar nicht so einfach, weil wir aus 50 Bewerbern ein ausgewogenes Team aus unterschiedlichen Charakteren, Interessen und Fähigkeiten zusammenstellen müssen.“ Lappoehn erlebt im Verlauf der Freiwilligenjahre unmittelbar, wie sich die jungen Menschen, die häufig frisch aus dem Elternhaus und der Schule kommen, entwickeln. „Die Freiwilligen kommen mit vielen neuen Ideen und Vorschlägen und lernen hier, sich größtenteils selbst zu organisieren. Sie werden selbstbewusster, auch im Umgang mit verschiedenen Menschengruppen.“
Auf der gesamten Insel sind derzeit rund 25 Freiwillige an verschiedenen Standorten im Naturschutz aktiv. Das Interesse an den begehrten Plätzen ist durch die Pandemie gestiegen. Lappoehn erzählt: „Mit dem Beginn von Corona sind auch die Bewerberzahlen gestiegen, weil die Optionen im Ausland weggebrochen sind. Doch auch jetzt, wo wieder vieles möglich ist, sind die Zahlen bei uns nicht eingebrochen.“