Nachtleben in Flensburg

Tankstelle am Nordermarkt: Warum der bunte Späti mehr als nur ein Kiosk ist

Tankstelle Flensburg: Warum der bunte Späti mehr als nur ein Kiosk ist

Tankstelle Flensburg will mehr sein als ein Kiosk

Tilmann Wrede/shz.de
Flensburg
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In der Flensburger Schiffbrückstraße befindet sich seit einigen Wochen ein neuer Laden. Neben Benny‘s Bar, dem Burrito und dem Rock Café hat die „Tankstelle“ ihren Platz gefunden. Das steckt hinter dem Namen und dem Konzept.

Bunt-lackierte Sitzbänke stehen in der Schiffbrückstraße vor einem Laden. Auf ihnen sitzen junge Menschen mit Bier und Zigaretten, „Tankstelle“ steht in schnörkeligem Graffiti-Design über der Tür, aus dem Inneren ertönt laut die Stimme von Akon: „Lonely. I‘m Mr. Lonely. I have nobody for my own.“

Beim Betreten der Tankstelle grinst der Betreiber Salman Razzaghi (41) hinter dem Tresen: „Moin, was darf‘s sein?“, fragt er. Nebenbei wird der Kühlschrank von Razzaghis Mitarbeiterin Alex aufgefüllt. Die Decke ist in grün, blau, lila, rot, orange und hellblau angemalt. Auf der rechten Seite des Ladens gibt es Chips und Hartalk zu kaufen, hinter dem Tresen Zigaretten, IQos und 11Bar-Elektrozigaretten. Am Fenster ist ein Sitzbereich und in der Mitte des Raumes ist für einen Kiosk überraschend viel Platz zum Stehen.

Der erste Stopp auf einer langen Partynacht – oder der letzte

Vor zwei Jahren sah es hier noch ganz anders aus, damals existierte hier noch das Bistro „Al Pacino“, das während Corona aufgeben musste. Zusammen mit seiner Frau Zehra (36) hat Salman Razzaghi die Chance genutzt, um etwas Neues zu eröffnen.

Salman ist mit zehn Jahren nach Flensburg gezogen. Mit 14 hat er angefangen, im Burrito-Laden der Familie zu arbeiten, ehe er die Leitung übernommen hat, als er alt genug war. Ganz nebenbei leitete er das „Fiesta Cubaner“, arbeitete bei der Post und der Marine und war DJ im deutschen Haus. Heute „wo sich die beiden Zahlen im Alter getauscht haben“, wie er selbst sagt, steht er in seinem neuen Laden.

Vor knapp einem Jahr begannen die Umbauarbeiten. „Auf die Idee gekommen sind wir, als der Kiosk unten an der Ecke zugemacht hat“, berichtet der 41-Jährige. Die Räumlichkeiten gehörten ihm ohnehin und der Laden laufe als Gastronomie, „das macht uns so besonders, wir haben Toiletten, einen Sitzbereich drinnen und viel Platz zum Tanzen.“

Day and Night oder „vortanken, nachtanken und volltanken“?

Tanzen in einer Tankstelle? Zuerst sollte es „Day and Night“ heißen, erzählt der Flensburger, „aber als ich hier bei ein, zwei Bier am Streichen war, habe ich mit einem guten Freund telefoniert und ihm davon erzählt. Der sagte nur: ‚Die Leute kommen zum Vortanken, Nachtanken und Volltanken zu dir.‘ Da war es klar: Tankstelle“, sagt der gut gelaunte Flensburger.

Am Osterwochenende 2022 war die Tankstelle zur Eröffnung bereit und begrüßte bereits am ersten Wochenende viele Gäste. Seitdem strömen besonders am Wochenende besonders junge Menschen zur Tankstelle. „Unser Publikum sind 18- bis 30-Jährige. Die alternative Szene würde ich sagen. Wir sind ein günstiger Ort für Studenten und ein weiterer Stopp auf dem Weg zum Kaffeehaus und Kühlhaus“, sagt der Flensburger.

„Wir sind das, was Flensburg braucht“, fügt Aland Sulivani (24) hinzu. Er ist einer von sechs Aushilfen, die sich zum größten Teil aus den Stammgästen ergeben haben. „Flensburg ist klein, wir sind eine große Familie und freuen uns immer auf neue Gesichter“, sagt der 41-Jährige. Till Carstensen hat gerade seine erste Schicht beendet: „Ich hatte noch nie so viel Spaß an einem ersten Tag. Hier ist immer was los und alle feiern zusammen. Dafür steht Flensburg: bunt und aus jeder Herkunft.“

Frozen Yoghurt zwischen vollen Bierkisten

In der Mitte des Raumes steht eine Frozen Yoghurt Maschine, die ständig an ist – „Vegan und vegetarisch, das ist beliebter als die Klassiker, die ich aus meiner Kindheit kenne“, so Sulivani. Wenn die Tankstelle mehr Gewinn erwirtschaftet, soll auch mehr angeschafft werden: Markisen für draußen, Heizstrahler für den Winter, Diskokugeln für drinnen, einen Zigarettenautomaten, ein Kartenlesegerät und eine größere Anlage stehen auf dem Wunschzettel von Razzaghi. „Dann können hier auch mal DJs auflegen. Im Winter soll es auch heiße Caipis geben.“

Razzaghi ist mehr als zufrieden mit dem Sommergeschäft, der September sei immer etwas schwierig, da es draußen kälter wird und die Tankstelle vom „Draußen-Publikum“ abhängig ist. Er gehe aber zuversichtlich in den Herbst, auch was die Preise angeht: „Alles ist teurer geworden. Zu Beginn haben Desperados 1,10 Euro im Einkauf gekostet, heute kostet es 1,60 Euro. Wir wollen aber natürlich die Preise im Verkauf gering halten.“

Inzwischen ist die Tanzfläche der Tankstelle gut gefüllt und A-ha singt die letzten Strophen von „Take on me“, während Sulivani in die Runde fragt: „Was wollt ihr als Nächstes hören?“ Schon springen die ersten Gäste zur Musikanlage auf. Die Party geht weiter.

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