Urlaub an der Küste

Touristen nerven mehr als früher

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SHZ
Husum
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Foto: Christian Charisius

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Studien zeigen, dass die Akzeptanz von Urlaubern durch die Schleswig-Holsteiner sinkt. Experten und der Tourismusminister wollen gegensteuern. Einheimische müssten die Vorteile der Branche für sich selbst entdecken.

Sowohl das Land als auch viele Kommunen müssen den Einheimischen deutlicher vermitteln, welchen Mehrwert der Tourismus Schleswig-Holstein bringt. Dazu haben Urlaubsforscher und Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP) beim Tourismustag, dem jährlich wichtigsten Treffen der Branche, in Husum aufgerufen. 380 Teilnehmer waren dazu auf Einladung der Industrie- und Handelskammer ins Nordsee Congress Centrum gekommen.

Studie zeigt Drei-Jahres-Vergleich

Anlass der Appelle sind Klagen über Überfüllungs-Tendenzen, die mit dem Boom des Inlands-Tourismus während der Corona-Krise zugenommen haben. Eine neue Studie der Fachhochschule Westküste in Heide bildet das ab: Innerhalb von drei Jahren ist die Zufriedenheit der Schleswig-Holsteiner mit dem Tourismus gesunken. Der Wert ist auf einer Skala von bis 100 Punkten zwischen 2019 und diesem Jahr von 49 auf 41 abgerutscht. Zu Grunde lag dem die Frage, ob die Menschen positive Auswirkungen des Tourismus’ auf ihren Wohnort sehen.

Die Zahl der Unentschlossenen ist groß

Außerdem sollten die Leute sagen, ob der Tourismus auf sie persönlich positive Auswirkungen hat. Hier schmolzen die Punkte von 28 auf 19 zusammen. Auffällig war die große Zahl der Unentschlossenen: 56,3 Prozent der Befragten legten sich weder auf positive noch negative Effekte fest. „Hier müssen wir in irgendeiner Form ran“, schlussfolgerte Studienautorin Sabrina Seeler. Zumal sich im Bundesdurchschnitt über die drei Jahre anders als im Norden kaum etwas verändert habe.

Mecklenburg-Vorpommern meckert am wenigsten

Im Vergleich der Bundesländer bei der Tourismusakzeptanz erreicht Schleswig-Holstein laut Seeler Platz fünf. Auf Rang eins steht Mecklenburg-Vorpommern. Unabhängig von Betroffenheiten im persönlichen Alltag erklärten immerhin 67 Prozent der befragten Schleswig-Holsteiner: Der Tourismus sorge für ein positives Image ihrer Heimat.

Ältere Menschen aufgeschlossener

Alles in allem benannten eher ältere als jüngere Menschen positive Begleiterscheinungen des Feriengewerbes, etwa eine vielfältigere Nahversorgung, mehr Freizeitangebote oder ein gepflegteres Ortsbild als es dies ohne das hohe Gästeaufkommen gäbe.


Markus Seibold vom Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Institut für Fremdenverkehr (dwif) in München hat 52 Touristiker, Bürgermeister und weitere Kommunalpolitiker in Schleswig-Holstein interviewt. Zwei von drei Befragten nehmen eine touristisch überwiegend positiv gestimmte Bevölkerung wahr. Zugleich gaben 41 Prozent an, die Stimmung vor Ort für den Tourismus habe sich verschlechtert. Seibold führt das eindeutig auf das gesteigerte Gedränge im Inland durch die Corona-Krise zurück. „Nicht nur vor Ort ist diese Herausforderung zu bewältigen“, sagt Seibold. „Das muss man auch landesseitig unterstützen.“


Damit rennt er bei Tourismusminister Bernd Buchholz offene Türen ein. Auch erfolgreiche Bürgerproteste gegen neue Hotels treiben ihm nach eigenen Angaben „Schweißperlen auf die Stirn“. „Wir dürfen da als Land nicht einfach zusehen und sagen: Das ist allein eine Aufgabe der kommunal Verantwortlichen“, so der Ressort-Chef. Niemand wolle die Küsten durch Bettenburgen zubetonieren. Aber einzelne neue Beherbergungsbetriebe brauche es, schon allein, um mit mehr Aufenthaltsqualität die Nebensaison zu beleben. Zudem müsse auch ein stetiger Schwund von Quartieren ersetzt werden, die aus Altersgründen oder mangels Wettbewerbsfähigkeit zumachen. So gab es in diesem Juli landesweit 3700 Schlafgelegenheiten weniger als vor einem Jahr.


Daten als Argumente reichen dem Minister nicht

Nicht genügen wird es laut Bucholz, allein mit Daten zu argumentieren, etwa dass 160 000 Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein direkt vom Tourismus abhängen. „Es muss deutlicher werden, wie der Tourismus auch die Lebensqualität der Einheimischen steigert“, fordert der Minister. Etwa, dass auch sie sich zwischen verschiedenen Restaurants entscheiden oder eine Therme besuchen könnten, die ohne Urlauber nicht zu finanzieren wäre. „Das herauszuarbeiten Ort für Ort, Kreis für Kreis müssen wir uns zur Aufgabe machen.“ Davon unbenommen sei, dass Einzelorte in der Hochsaison zu noch aktiverer Besucherlenkung übergehen sollten. Etwa, in dem sie Parkgebühren mit flexibler digitaler Technik extra erhöhen, wenn es besonders überfüllt ist, schlug der Politiker vor.

„Dauerhafter Dialog, nicht nur anlassbezogen“

Seibold rät zu einem Handlungsleitfaden des Landes für Städte und Gemeinden, um die Akzeptanz des Fremdenverkehrs abzusichern. Grundsätzlich empfiehlt er den örtlichen Touristikern nicht nur Marketing nach außen, sondern eine Kommunikationsstrategie auch nach innen. Angebracht sei „ein dauerhafter Dialog mit der Bevölkerung, nicht nur anlassbezogen“ bei bestimmten Projekten. Und, so Seibold weiter: Wenn es an Bauprojekte geht, bloß die Investoren nicht lange geheimhalten, ihnen nicht nur den roten Teppich ausrollen, sondern der Bevölkerung Einflussmöglichkeiten bieten.

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