Niebüll

Ungeduld, Aggressivität, Angst: Warum das Autofahren gerade für Anfänger immer schwieriger wird

Warum das Autofahren gerade für Anfänger immer schwieriger wird

Warum das Autofahren für Anfänger immer schwieriger wird

Lilly Nielitz-Hart/shz.de
Niebüll
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Fahrschulautos gehören in Niebüll zum gewohnten Straßenbild. Dass sie bisweilen nicht so zügig unterwegs sind, sollte anderen Verkehrsteilnehmern klar sein. Foto: 90037

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Am Steuer zu sitzen, ist für manch passionierten Autofahrer eine Freude. Doch der Verkehr nimmt immer mehr zu, Fahrlehrer beobachten immer höhere Anforderungen an Fahrschüler — und an sie selbst.

Statistiken des Flensburger Kraftfahrtbundesamts (KBA) der letzten Jahre zeigen, dass immer mehr Fahrschüler die theoretische oder praktische Prüfung beim ersten Anlauf nicht bestehen. Bundesweit rasselten im vergangenen Jahr 36,7 Prozent aller Fahrschüler durch die theoretische und rund 30 Prozent durch die Praktische Prüfung. In Schleswig-Holstein waren es 31,5 Prozent in der Theorie und 26,3 Prozent in der Praxis.

Fahrlehrer aus Niebüll und Umgebung sehen darin für die nähere Region zwar kein Problem in diesem Ausmaß. Allerdings berichten sie, dass das zunehmende Verkehrsaufkommen und das aggressivere Verhalten von Verkehrsteilnehmern immer höhere Anforderungen an Prüflinge und Prüfer stellt. Auch die Prüfungsangst habe zugenommen.

Bis zu einem Jahr in der Fahrschule

Im Schnitt erhalten Fahrschüler heute ihre Fahrerlaubnis erst wesentlich später als noch vor zehn oder 20 Jahren: „Idealerweise sollte ein Führerschein vier bis sechs Monate dauern“, erklärt Udo Christiansen, Inhaber von Udos Fahrschule in Langenhorn. Heute vergehe jedoch nicht selten ein Dreiviertel- oder ein ganzes Jahr bis zur bestandenen Prüfung.

Die Gründe, warum jemand eine Prüfung nicht bestehe, können individuell sehr unterschiedlich sein, erklärt Mike Sommer, Inhaber der Fahrschule Cordsen in Leck und Niebüll. Er beobachte jedoch zunehmend Prüfungsängste bei seinen jüngeren Fahrschülern. Dies kann auch Udo Christiansen bestätigen. Viele Teilnehmer stiegen schon sehr nervös oder ängstlich ins Fahrzeug ein, was die Fehlerquote beim Fahren erhöhe. Für die Fahrschüler sei es wichtig, dass sie mit ihren Unsicherheiten ernst genommen werden.

„Es hat mir besonders gefallen, dass der Fahrlehrer alles genau erklärt hat und mir dadurch die Angst genommen hat“, sagt eine Absolventin der Fahrschule Heiner Hansen. Auch Mike Sommer setzt auf ein intensives Gespräch und persönliches Training, wenn sich bei einem Schüler Probleme abzeichnen. „Wer gut ausbildet hat auch eine niedrigere Durchfallquote“, sagt er.

Keine Rücksichtnahme

Wenig hilfreich sei es, dass wesentlich mehr Menschen auf den Straßen unterwegs seien, die sich gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern aggressiv verhielten. „Fahrschulschilder werden nicht mehr respektiert“, erklärt Udo Christiansen. „Keiner hat mehr Zeit, alle sind ungeduldig und hupen“, bestätigt auch Sommer.

Bei der Theorie erfolgt der Unterricht in der Klasse vor Ort, aber das Lernmaterial wird online per App zur Verfügung gestellt. Die Schüler können ihre Fragebögen so auch auf dem Handy oder Tablet ausfüllen. Wenn jemand dabei nicht intensiv genug lerne, fehle es dann in der Prüfung am Fachwissen.

Sprachbarrieren

Für Fahrschüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, ist das Lernmaterial in zahlreichen Sprachen verfügbar. Allerdings benötige man auch beim praktischen Unterricht und in der praktischen Prüfung einige Deutschkenntnisse, damit es nicht an Verständigungsschwierigkeiten scheitere, erklären die Fahrlehrer. Einig ist man sich, dass eine gute Grundausbildung die beste Voraussetzung für den Erfolg sei. „Es hilft nichts, wenn jemand an Fahrstunden spart“, sagt Sommer, denn letztlich gebe mehr Fahrpraxis auch mehr Sicherheit.

Auch die Straßenführung in Niebüll bietet wohl einige Tücken: „Wir haben hier viele schnell aufeinanderfolgende Situationen: von der Vorfahrt, zum Stoppschild, zum Zebrastreifen, zur Fußgängerzone“, sagt Mike Sommer, hinzu kommen verschiedene Bahnübergänge. Mit diesen ständigen Wechseln hätten auch erfahrene Autofahrer ihre Probleme.

„Das Fahrschulwesen hat sich in den letzten Jahren gewaltig geändert“, sagt Udo Christiansen, der als erster Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Südtondern auch die Rückmeldungen seiner Kollegen im Blick hat. „Gefühlt wird es nicht leichter, weder für die Schüler, noch für die Lehrer.“

Fahrlehrer müssten sich ständig fortbilden und an veränderte Verkehrssituationen und unterschiedliche Kunden anpassen. In der Zukunft stehe zum Beispiel die Schulung auf Assistenzsysteme beim autonomen Fahren an.

Denn auch wenn das Auto in Zukunft selbständig einparken kann, müsse der Fahrer immer noch den Überblick behalten. Aufgrund der neuen Systeme seien dann noch mehr Unterrichtsstunden erforderlich. „Die Aufgabe ist heute eine andere - aber es ist eine lösbare Aufgabe“, sagt Christiansen.

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Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
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