Prozess

Vater ersticht Sohn aus Angst vor Atomkrieg: „Er fehlt mir so“

Vater ersticht Sohn aus Angst vor Atomkrieg: „Er fehlt mir so“

Vater ersticht Sohn aus Angst vor Atomkrieg: „Er fehlt mir“

Eckard Gehm/shz.de
Hamburg
Zuletzt aktualisiert um:
Der Fall des Vaters wird vor der 8. Strafkammer des Kieler Landgerichts verhandelt. Foto: Eckard Gehm/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Er glaubte, ein Atomkrieg würde beginnen und die ersten Bomben seien schon gefallen. Im vergangenen September hat ein Vater seinen sechs Jahre alten Sohn deswegen die Kehle durchgeschnitten. Jetzt steht er vor Gericht.

Mit zitternden Händen hält der Beschuldigte (40) einen gefalteten Zettel in den Händen. Gleich soll die Öffentlichkeit von dem Sicherungsverfahren gegen ihn ausgeschlossen wird. Doch er will, dass alle im Saal hören, was er zu der unfassbaren Tat zu sagen hat.

Der Vater aus den Hamburger Elbvororten soll im September 2022 auf dem Campingplatz Augstfelde seinen erst sechs Jahre alten Sohn getötet haben. „In der wahnhaften Überzeugung eines bevorstehenden Atomkrieges“, sagt die Staatsanwältin. „Er war überzeugt, dass die ersten Bomben bereits fallen.“ Im Zustand der Schuldunfähigkeit habe er seinem schlafenden Sohn um 2.45 Uhr mit einem Küchenmesser die Kehle durchgeschnitten, ihm dann fünf Stiche in den Oberkörper versetzt, die aufs Herz gezielt hätten.

„Es tut mir so unendlich leid, was passiert ist.“

Der Beschuldigte wischt sich Tränen aus den Augen. An jenem frühen Sonntagmorgen soll er versucht haben, auch sich selbst zu töten. Die Schnitte, die er sich zufügte, waren aber nicht lebensbedrohlich. Rund 40 Minuten später rief er dann die Polizei und ließ sich festnehmen.

Nun faltet er seinen Zettel auseinander, atmet schwer, spricht mit stockender Stimme: „Es tut mir so unendlich leid, was passiert ist. Es fällt mir schwer, Worte für etwas zu finden, für das es keine Worte gibt. Es ist alles so unendlich traurig und ein Albtraum. Es tut mir leid für diejenigen, die diesen Albtraum miterleben müssen.“ Schluchzend sagt er dann: „Er fehlt mir so.“

In dem Verfahren geht es nicht um Bestrafung

Im Saal sitzt eine Schulklasse. Der Vorsitzende Richter erklärt: „Es geht hier nicht darum, Herrn H. zu bestrafen, sondern darum, zu entscheiden, ob er dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus bleiben muss.“

Der Vater soll an einer schweren paranoiden Schizophrenie leiden. Polizisten waren bei ihren Ermittlungen schnell auf entsprechende Arztbriefe gestoßen. Von seiner Ehefrau, die Nebenklägerin ist, lebte der Hamburger getrennt, hatte trotz seiner Erkrankung ein Umgangsrecht für seinen Sohn. Einmal in der Woche durfte er ihn sehen, jedes zweite Wochenende abholen. Dann fuhr der Vater meist an den Vierer See in der Gemeinde Bösdorf, auf dem Platz Augstfelde war er Dauercamper.

Öffentlichkeit wird ausgeschlossen

Im Prozess hat der Rechtsanwalt des Vaters den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt, um die schutzwürdigen Interessen seines Mandanten zu wahren. Der Vorsitzende Richter verliest ein Schreiben es Chefarztes der Ameos-Klinik, in der der Beschuldigte derzeit untergebracht ist. Demnach belaste den Vater seine Tat schwer und es bestehe Suizidgefahr. Der Verlauf der Verhandlung solle daher „so reizarm wie möglich“ erfolgen.

Das Gericht beschließt daraufhin den Ausschluss der Öffentlichkeit. „Es geht hier um den höchstpersönlichen Lebensbereich und der Angeklagte dürfte sich freier äußern, was der Wahrheitsfindung dient“, sagt der Richter.

Urteil soll am 6. Juni gesprochen werden

Das Schwurgericht hat insgesamt zehn Verhandlungstage vorgesehen. Zur Verkündung des Urteils, nach Planung der Kammer am 6. Juni, soll die Öffentlichkeit im Gerichtssaal wieder zugelassen werden.

Mehr lesen