Klimawandel

Verpressung von CO₂ unter der Nordsee: Widerstand in SH schwindet

Verpressung von CO₂: Widerstand in SH schwindet

Verpressung von CO₂: Widerstand in SH schwindet

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Soll Kohlendioxid unter dem Meer gelagert werden? Das wollen alle Parteien im Landtag prüfen – bis auf eine. Foto: dpa/shz.de

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Der Landtag in Kiel debattiert am Freitag einen Dringlichkeitsantrag, mit dem der SSW die umstrittene Technik erneut verbieten will. Das wollen auch die anderen Fraktionen, aber eben nicht mehr kategorisch.

Lasse Petersdotter muss überlegen. Lange. Und dann sagt er auf die Frage, ob seine Partei gegen ein generelles Verbot von Kohlendioxid-Verpressung unter der Nordsee ist: „Wir müssen höllisch aufpassen, dass die Nordsee nicht zu einer Deponie wird.“

Ein klares Bekenntnis gegen die so genannte „Carbon Capture and Storage (CCS) Technik“ sieht anders aus. Dabei hat der Landtag erst im Juni 2022 einstimmig einen Parlamentsbeschluss von 2014 bekräftigt, der die unterirdische Speicherung von CO2 in Schleswig-Holstein ablehnt. Doch weil sich zuletzt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) offen gezeigt haben, das Treibhausgas doch unter dem Meeresboden einzulagern, fordert der SSW jetzt in einem Dringlichkeitsantrag, dass das Parlament sich noch einmal explizit gegen CCS ausspricht.

„Es ist der falsche Weg, den Mist unter der Nordsee zu verpressen“, meint SSW-Fraktionschef Lars Harms. Denn das setze das fatale Signal, weiter Kohlendioxid zu produzieren, weil es ja eine Entsorgungsmöglichkeit gebe. Und mit Blick auf Habeck, der in seiner Zeit als Umweltminister in Schleswig-Holstein ein vehementer CCS-Gegner war, sagt Harms: „Da sieht man, wie flexibel die Grünen sein können.“

CDU und Grüne wollen CCS verbieten und doch prüfen

Die arbeiten gemeinsam mit der Union gerade an einem Alternativantrag, damit sie Freitag nicht dem Vorschlag des SSW zustimmen müssen. Dabei sagt Petersdotter zum Vorschlag der Oppositionspartei: „Der Beschluss vom Juni 2022 gilt.“ Und CDU-Fraktionschef Tobias Koch: „Der Beschluss hat Gültigkeit.“

Dass die Grünen die Verpressung deutlich kritischer sehen, wird auch deutlich. Wie Koch will Petersdotter die Technik zwar weiter untersuchen lassen. Denn er weiß auch, dass der CDU-Abgeordnete Andreas Hein möglicherweise Recht hat, wenn er sagt: „Wir werden ohne CCS unsere Klimaziele nicht erreichen können.“ Nur ist Hein überzeugt, dass die Verpressung keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat – Petersdotter ist da jedoch nicht so sicher.

Regierungsfraktionen arbeiten an Alternativantrag

Und so werden die Koalitionsfraktionen am Ende wohl zu einem Kompromiss kommen, der die Prüfung von CCS ermöglicht, aber gleichzeitig ein Verbot auf dem Festland wie in der Zwölf-Seemeilen-Zone der Nordsee vorsieht. Denn nur dort hat Schleswig-Holstein Einflussmöglichkeiten.

Praktisch für eine schwarz-grüne Koalition auf Landesebene, weil sie keine endgültigen Entscheidungen treffen muss. Im Juni hatte das Parlament CCS auch in der weiter draußen auf dem Meer gelegenen „ausschließlichen Wirtschaftszone“ abgelehnt. Doch jetzt sagt selbst der Grüne Fraktionschef: „Wir werden über alle Möglichkeiten diskutieren müssen.“

Das will auch die FDP, deren Fraktionschef Christopher Vogt erklärt, dass „wir mit der Frage offener umgehen als in der Vergangenheit“. Vogt gibt zu, dass er gern Anträge einbringt, um zu sehen, wie die Koalition darauf reagiert – gerade wenn CDU und Grüne uneinig ist. „Und hier sieht man, dass der Ministerpräsident in energiepolitischen Fragen andere Wege einschlägt als sein grüner Umweltminister.“

Dabei ist sich auch die FDP nicht einig, wie sie zu CCS steht. „Wir haben da in der Partei einen Diskussionspunkt“, sagt Vogt, der in der Energiekrise am Freitag noch ein anderes Fass aufmachen will: Der Bund soll nach seinem Willen die drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke über das Frühjahr hinaus weiterlaufen lassen. Und: „Man sollte auch in Erwägung ziehen, Brokdorf wieder hochzufahren.“ Im Zweifel sei es klimatechnisch besser, die Kernkraft länger zu nutzen, als Kohlekraftwerke wieder anzufahren. Alles andere sei „völliger Wahnsinn“.

SPD hält Debatte für ein Ablenkungsmanöver

Für SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller ist die Diskussion um die Kernkraft und CCS „eine Ablenkungsdebatte“. Es sei erschreckend, „dass immer wieder neue Säue durchs Dorf getrieben werden, wie man Klimaschutz nicht machen muss“, so der Oppositionschef, für den die Speicherung von Kohlendioxid allenfalls „irgendwann in 20 Jahren mal eine Rolle spielen wird“. Jetzt gehe es darum, die Produktion von Treibhausgasen zu vermeiden.

Das sieht auch Petersdotter so, sagt aber zu der Position der Union: „Man kann sich die Debatte nicht aussuchen.“ Freitag wird er sie weiter führen. Weiter führen müssen.

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