Corona-Hilfe zurückzahlen?

Verwirrung um Soforthilfe: Unternehmer verzweifelt – Steuerberater dürfen nicht helfen

Soforthilfe: Unternehmer verzweifelt – Steuerberater dürfen nicht helfen

Soforthilfe: Unternehmer verzweifelt

SHZ
Nordfriesland
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Die Investitionsbank SH fordert von 4700 Unternehmern in Nordfriesland eine punktgenaue Abrechnung der tatsächlichen Liquiditätsengpässe. Doch ihre Steuerberater dürfen gar nicht helfen. Foto: Foto: Future Image/imago-images.de/shz.de

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Ab März 2020 holten sich Nordfrieslands Unternehmer bei der Investitionsbank SH Soforthilfe. Jetzt brechen ungeahnte Rückforderungen über sie herein.

Jetzt rechnet der Staat mit all jenen ab, die im Frühjahr 2020 im ersten Lockdown der Corona-Pandemie Soforthilfe bekommen haben. In Nordfriesland waren das 4700 Unternehmer, die insgesamt 38 Millionen Euro erhalten haben. Sie sind aktuell von der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) aufgefordert worden, nachzuweisen, ob der damals von ihnen geschätzte Liquiditätsengpass auch tatsächlich eingetreten ist.

Eine Freiberuflerin kramt in der Redaktion der Husumer Nachrichten den Bescheid hervor, der ihr damals parallel zur Überweisung der Soforthilfe zugegangen war: „... bewilligen wir Ihnen ... eine nicht rückzahlbare einmalige Soforthilfe in Höhe von ...“ Ein Zuschuss sollte es sein zum Überlebenskampf, der damals für viele Unternehmer begonnen hatte. Das war auch der Eindruck der meisten Beobachter damals. Mit einer einfachen E-Mail konnte jeder Selbstständige online bei der IB.SH je nach Betriebsgröße bis zu 9.000 Euro beziehungsweise bis zu 15.000 Euro beantragen.


Nun will die IB.SH also spitz abrechnen. „Ärgerlich“, „ratlos“, „verschaukelt“ und „verzweifelt“ – mit diesen Worten beschreiben Freiberufler und Gewerbetreibende laut Gesprächen von shz.de mit Steuerberatern in Husum und Umland ihre Stimmung. Steuerberater nennen zwar keine Namen und schildern keine Einzelfälle, fassen aber die düsteren Aussichten für ihre Mandanten zusammen. Der Viöler Steuerberater Knut Christiansen sagt klipp und klar: „Wir gehen davon aus, dass mindestens 90 Prozent unserer Klienten die Soforthilfe zurückzahlen müssen. Zumeist sogar vollständig. Das heißt, dass am Ende bei nahezu jedem Antragsteller nicht mehr als ein zinsloses Darlehen übrig bleiben wird."

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Welches Quartal gilt für die Abrechnung?

Volker Lüneburg in Husum zeigt die Fragen auf, die sich auftun. Als Beispiel nimmt er an, dass ein Mandant am 17. März seine Soforthilfe bekommen hat. Die IB.SH will Quartale abgerechnet haben. Gilt nun 17. März bis 17. Juni? Oder gilt der Antragsmonat, also 1. März bis Ende Mai? Oder vielleicht sogar ab Folgemonat, also April bis Juni. Das könne von großer Bedeutung sein. Es gehe ja darum, bis wann genau etwaige Geldeingänge zu berücksichtigen sind.

Damit deutet sich an, dass jetzt für die Nachberechnung womöglich ganz andere Zeiträume zu Rate gezogen werden, die mit der Schätzung von damals gar nichts mehr zu tun haben.


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Lassen wir noch einmal die Freiberuflerin zu Wort kommen: „Dank dieser Soforthilfe konnte ich wieder durchatmen. So dankbar, wie ich war, hab ich anschließend doppelt so viel gearbeitet und jeden Job angenommen, der sich anbot – auch die völlig unterbezahlten. Nur um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Das war eine Kraftanstrengung, die mir bis heute in den Knochen steckt“, sagt die 59-Jährige. Das gute Gewissen, von der IB.SH nur so viel Geld erhalten zu haben, wie nachweislich unterm Strich gefehlt hatte, sorgte zumindest für einen ruhigen Schlaf.

Altersvorsorge aufgebraucht

Die zeitliche Verschiebung in der Berechnung der Einnahmen ärgert auch ein Unternehmer-Ehepaar von der Geest, das von der Pandemie in gleich vier Geschäftszweigen hart getroffen wurde. Auch sie müssen einen Großteil der gewährten Soforthilfe zurückzahlen – und das, obwohl beide noch weit entfernt von einem „normalen“ Einkommen sind. „Das Geld, das wir damals erhielten, haben wir noch nicht wieder verdienen können. Um durchhalten zu können, haben wir unsere Altersvorsorge aufgebraucht“, so die Freiberufler, die noch völlig geschockt von der Aufforderung zur Rückzahlung sind: „Woher sollen wir dieses Geld jetzt nehmen?“

Und nun auch noch das: Steuerberater dürfen nicht helfen

Wer nun hofft, dass sein Steuerberater bei der akkuraten Abrechnung für die IB.SH behilflich ist, wird abgewiesen werden. Weil die meisten Selbstständigen damals in aller Eile online bei der Investitionsbank ihren Antrag persönlich gestellt hatten, waren ihre Steuerberater nicht beteiligt.


Daraus folge, dass sie jetzt nicht den Mandanten behilflich sein dürfen, die gegen die Rückforderungen womöglich Rechtsmittel einlegen. Die IB.SH weist auf ihrer Internetseite die Steuerberater ausdrücklich in ihre Schranken. Noch einmal Volker Lüneburg: „Wir stehen den Betroffenen natürlich mit Rat und Tat zur Seite. Leider hat die Politik versäumt, den rechtlichen Rahmen zu schaffen, so dass uns unverständliche, hohe Hürden gesetzt sind.“

Gefängnis nach Rechenfehlern

Noch spannender dürfte es werden, wenn in Nordfriesland die Überbrückungshilfen nachgerechnet werden müssen. Das sind Beihilfen. Wer sich dabei verrechnet, riskiere eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung, weiß einer der nordfriesischen Steuerberater. In anderen Bundesländern habe es bereits Verhöre mit dem Staatsanwalt gegeben.

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Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Zusammenhalt: Es geht noch viel mehr in Nordschleswig“