Tönning

Die vier Helden von Tönning: So haben sie die Rettungsaktion erlebt

Die vier Helden von Tönning

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Noch ganz unter dem Eindruck der Rettungsaktion: (v. l.) Tom Schmidt, Leon Pötschke, Aurelia Zander und Marzena Rywacki. Sie haben am späten Freitagabend einem Mann in Tönning das Leben gerettet. Foto: Helmuth Möller/shz.de

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Viel Lob und Anerkennung haben die vier Jungen und Mädchen, die einen Ertrinkenden in Tönning gerettet haben, inzwischen erhalten. Sie würden immer wieder so handeln, auch wenn die Umstände bedrohlich waren.

Diesen 5. November 2021 werden Leon Pötschke (15), Tom Schmidt (15) sowie Aurelia Zander (14) und Marzena Rywacki (13) wohl nie vergessen: Gemeinsam haben die vier einem älteren Mann das Leben gerettet, ihn vor dem Ertrinken bewahrt.

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In den vergangenen Tagen haben die Schüler der Eider-Treene-Schule in Tönning viel Aufmerksamkeit erfahren, auch von den Medien. „Wir haben durchweg ein großes Lob erhalten“, freut sich Leon Pötschke. „Es hat auch niemand Kritik daran geübt, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt auf dem Wege nach Hause befanden. Wir hatten mit unseren Eltern eine feste Rückkehrzeit um 23.30 Uhr vereinbart. Nach dem Einsatz haben wir natürlich sofort unsere Eltern angerufen und berichtet, was da Schlimmes passiert ist.“

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Ein kurzer Rückblick: Es ist Freitagnacht, die vier sind auf dem Weg nachhause. Als sie über das Kopfsteinpflaster am Tönninger Binnenhafen laufen, hören sie leise Hilferufe. Ohne zu überlegen, rennen sie los. Von der hohen Hafen-Kaimauer aus entdecken sie schließlich einen unten im Hafenwasser liegenden Mann, der mit allerletzter Kraft um sein Leben kämpft.

Schiff von der Kaimauer abgehalten

Ohne zu zögern, hechten die beiden Jungen einige Meter tiefer auf ein dort liegendes größeres Motorschiff, an dessen Bordwand der Mann sich gerade noch mit einer Hand klammert. Wasser läuft ihm bereits in den Mund. Mit ganzer Kraft halten die Jungen seinen Kopf über Wasser und stemmen das schwere Motorschiff mit aller Kraft von der Kaimauer weg, sonst hätte das durch den Wellengang gegen die Kaimauer treibende Schiff den Kopf des Ertrinkenden zerdrückt.

Großes Lob von der Polizei

Ein Polizeisprecher hatte bereits an der Einsatzstelle deutlich gemacht: „Das war Rettung in allerletzter Sekunde. Wenn die Schüler da nicht so schnell und äußerst beherzt zugepackt hätten, dann wäre der Mann hundertprozentig ertrunken – und niemand hätte etwas mitbekommen.“

In den Familien der vier Schüler wurde ausführlich über den Einsatz gesprochen, berichtet Leon für seine Gruppe: „Das war nicht nur bei mir so, sondern in allen unseren Familien. Unsere Eltern sind stolz auf uns und haben uns sehr gelobt.“


Und wie war die dramatische Situation nachts vor Ort – die Zeit, bis Hilfe anrollte? „Ein Zeitgefühl hatten Tom und ich da unten auf dem Schiff nicht“, sagt Leon, „wir waren ja mit ganz anderen Dingen beschäftigt: Wir haben die ganze Zeit mit dem Mann geredet und ihm immer wieder gesagt, dass alle Hilfe schon unterwegs ist. Der Mann war immer wieder davor, bewusstlos zu werden, und davor wollten wir ihn ja bewahren. Tom und ich mussten wirklich alle Kraft aufwenden, um den Mann festzuhalten und haben ständig wieder nachgreifen müssen.“

Am Ende hatten sie ziemliche Schmerzen durch den Kraftaufwand. „Und dann konnten wir unsere Köpfe ja auch nicht drehen, das geht ziemlich in den Nacken. Und dann hingen wir ja durchgehend über dem Schiffsgeländer.“


Erstklassig verhalten haben sich auch die beiden Mädchen Aurelia Zander und Marzena Rywacki: Sie wählten sofort den Notruf und schilderten der Disponentin in der Rettungsleitstelle Nord in Harrislee die hoch dramatische Situation.

Erleichterung, als die Feuerwehr eintrifft

Die beiden Mädchen liefen den Rettungsfahrzeugen entgegen und stellten sich als Einweiserinnen gut sichtbar auf. „Denn“, so berichten Tom und Leon, „wären die beiden Mädchen nicht dagewesen, hätte uns da unten ja niemand so schnell gefunden. Wir waren sehr erleichtert, als der Feuerwehreinsatzleiter und weitere seiner Kameraden auf das Schiff hinuntersprangen und auch gleich ein Seil hinterherwarfen.“


Zu fünft hätten sie den Mann schließlich aus dem Wasser gezogen. „Das war ganz schön schwer. Wir haben hinterher mal gegoogelt und herausgefunden, dass Bekleidung einige hundert Liter Wasser aufsaugen kann.“


In der Schule wurden sie am Montagmorgen von vielen angesprochen. „Wir haben uns sehr über das viele Lob gefreut – und ich möchte für uns alle sagen: Wir würden immer wieder so handeln. Sicherlich hätten Tom und ich beim Hinunterspringen im Dunkeln irgendwo auf der Bordwand aufschlagen und selbst im Wasser landen können. Aber daran haben wir in dem Moment gar nicht gedacht, wir haben einzig und allein gesehen: Da müssen wir helfen – und zwar jetzt und sofort.“

Feuerwehr-Einsatzleiter Lasse Martens ist voll der Anerkennung: „Ich möchte meine Hochachtung gegenüber den jungen Lebensrettern aussprechen, auch im Namen aller beteiligten Einsatzkräfte. Die Jungs hatten den Arm des Verunglückten gepackt und festgehalten – und seinen Kopf ständig über Wasser gehalten – das war lebensrettend.“

Lob für Zivilcourage

Auch Schulleiter Marc Harslem ist tief beeindruckt: „Ich habe ihnen am Montagmorgen Dank und Anerkennung ausgesprochen. Wir sehen aber, dass Schule nicht nur Mathe, Deutsch und Biologie unterrichtet – sondern dass auch gelehrt wird, Zivilcourage zu zeigen.“

Natürlich sind die vier in Gedanken bei dem Verunglückten: „Wir haben uns erkundigt, wie es dem Verunglückten geht“, berichtet Leon abschließend. „Der Mann liegt auf der Intensivstation und hat eine Lungenentzündung. Wir wünschen ihm von ganzem Herzen alles Gute und sind froh, dass wir ihm helfen konnten.“

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