Kreis Nordfriesland

Vier Schüler retten völlig entkräfteten Mann nachts aus dem Hafenbecken

Vier Schüler retten völlig entkräfteten Mann nachts aus dem Hafenbecken

Vier Schüler retten Mann nachts aus dem Hafenbecken

SHZ
Tönning
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Zahlreiche Rettungskräfte waren am Hafenbecken in Tönning im Einsatz. Foto: Helmuth Möller/shz.de

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Ohne die jungen Lebensretter wäre der Mann im eiskalten Nordseewasser ertrunken. Er befand sich beim Eintreffen der Schüler schon einige Zeit im Wasser – doch seine Hilferufe hatte niemand gehört.

„Das war Rettung in allerletzter Sekunde!“, bescheinigt ein Polizeisprecher unter höchster Anerkennung am Unglücksort. „Da ging es nicht um eine Minute, sondern um die sprichwörtliche allerletzte Sekunde! Wenn die Schüler da nicht so schnell und äußerst beherzt zugepackt hätten, dann wäre der Mann hundertprozentig ertrunken – und niemand hätte etwas mitbekommen!“

Doch was war da genau geschehen am Freitagabend um 23.15 Uhr am Binnenhafen von Tönning? Ein Rückblick: Die vier Schüler Leon Pötschke (15), Tom Schmidt (15) – beide aus Hemme/Dithmarschen – sowie Marzena Rywacki (13) aus Tönning und Aurelia Zander (14) aus Oldenswort sind auf dem Heimweg am Hafen. Es ist ruhig, niemand außer ihnen ist mehr unterwegs; in vielen Hausfenstern ist das Licht bereits erloschen.

Während sie über das Kopfsteinpflaster am Hafenrand entlanggehen, bleiben sie plötzlich stehen: „Waren da nicht eben leise Hilferufe?“ Sekunden später vernehmen sie die entkräfteten Rufe erneut. Ohne lange zu überlegen, rennen sie los – in die Richtung, aus der die Rufe kamen.

Hilferufe aus dem Hafenbecken

Beim Näherkommen können sie den Notfallort anhand der immer leiser erklingenden Rufe ausmachen. Es ist das Hafenbecken, in dem das Wasser zu diesem Zeitpunkt durch das Hochwasser sehr hoch aufgelaufen ist. An der hohen Kaimauer bleiben sie stehen – und blicken auf das pechschwarze Nordseewasser hinab: Dort unten im Hafenbecken liegt neben dem Schiff „Willi“ liegt ein Mann – das Wasser läuft ihm bereits in den Mund. Ohne zu zögern hechtet Tom sofort hinunter auf das Schiff, lehnt sich über die Bordwand und hält den Kopf des Mannes über Wasser.

Die Lage ist dramatisch: ein starker Wellengang drückt das größere Motorschiff immer wieder gegen die Kaimauer – und zwischen Schiff und Kaimauer liegt der Mann im Wasser! Toms Freund Leon springt rasch ebenfalls auf das Motorschiff hinunter und unterstützt seinen Freund. „Das war ganz schön schwer“, berichtet er, „wir mussten das Schiff ständig mit großer Kraft von der Kaimauer wegstemmen, sonst hätte es den Mann zerdrückt.“ Oben auf der Straße erkennen auch die beiden Mädchen die lebensbedrohliche Lage sofort, greifen zum Smartphone und wählten den Notruf 112.

Großalarm ausgelöst

Rasch berichteten sie der Disponenten in der zentralen Rettungsleitstelle Nord in Harrislee von der lebensbedrohlichen Situation. Die Disponentin löst noch während der Notrufannahme größeren Alarm aus.

Aus der Feuerwache in der Dithmarscher Straße eilten mehrere Einsatzfahrzeuge zum Unglücksort, aus der Rettungswache des Landkreises in der Friedrichstädter Chaussee eilten Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeug zum Hafengelände. Bis zu deren Eintreffen laufen die Mädchen in ein benachbartes Hotel der Familie, um von dort aus noch Hilfe zu holen.

Die Einsatzkräfte der Tönninger Feuerwehr springen sofort hinunter auf das Schiff und packen entschlossen mit an. Der völlig unterkühlte und entkräftete Mann wird mit vereinten Kräften total durchnässt aus dem Hafenwasser gezogen und sofort in den warmen Rettungswagen verbracht.

In kritischem Zustand ins Westküstenklinikum Heide

Vor Ort findet eine längere Erstversorgung durch den Notarzt und die Rettungsteams statt. Anschließend wird der Verunglückte in kritischem Zustand ins Westküstenklinikum Heide verlegt. Dort wartet bereits ein Ärzteteam im Schockraum.

Und das ist die Vorgeschichte: Der ältere Mann, der auf seinem Motorschiff „Willi“ lebt, ist vom abendlichen Ausflug mit seinem Rollator zurückgekehrt. Den Rollator stellt er wie gewohnt an der Kaimauer ab und geht über einen kurzen Steg auf sein Schiff. Dabei muss er ausgerutscht sein oder das Gleichgewicht verloren haben. Er fällt hinunter ins Wasser. Ohne die jungen Lebensretter wäre er im eiskalten Nordseewasser ertrunken. Er befand sich beim Eintreffen der Schüler schon einige Zeit im Wasser – doch seine Hilferufe hatte niemand gehört.

Wasser ist drei Meter tief

Das Wasser ist an dieser Stelle gut drei Meter tief, es gelang ihm nicht, sich über die höhere Bordwand auf sein Schiff zu ziehen, weil sich seine Kleidung voll Wasser gesogen hatte und ihn allmählich die Kräfte verließen. „Es war für uns selbstverständlich, sofort zu helfen“, signalisieren die Schüler vor Ort, „und wir würden immer wieder so handeln!“ Die Einsatzkräfte vor Ort haben den mutigen Lebensrettern bereits gedankt und eindeutig signalisiert, „dass der Verunglückte ohne ihr sofortiges mutiges Eingreifen ertrunken wäre – ohne dass es jemand bemerkt hätte“.

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