Bestand auf Norderoog dezimiert

Vogelgrippe: Brandseeschwalbe droht das Aussterben

Vogelgrippe: Brandseeschwalbe droht das Aussterben

Vogelgrippe: Brandseeschwalbe droht das Aussterben

Marco Nehmer
Norderoog
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Eine von Tausenden: Eine Brandseeschwalbe verendet – der Bestand der gesamten Art ist mittlerweile gefährdet wie nie. Foto: René Pop/shz.de

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Vogelkundler schlagen Alarm nach der heftigen Vogelgrippewelle auf Norderoog. Ist die Brandseeschwalbe auf der kleinen Hallig noch zu retten?

Massengrab Nordsee. Ein Teppich aus toten Tieren im Nationalpark Wattenmeer. Die Brandseeschwalbe, die auf Norderoog brütet, stirbt. Die Vogelgrippe rafft ihre Kolonien dahin, von denen die auf der neun Hektar kleinen Hallig die wichtigste in Deutschland ist. Oder, wenn das große Sterben weitergeht: war. Der Seuchensommer 2022 hat die Brandseeschwalbe dem Abgrund näher gebracht.

Bernd Hälterlein, Ornithologie vom Nationalparkamt in Tönning, hat beunruhigende Zahlen dabei, als er am Donnerstag in der Kuratoriumssitzung das Ausmaß eines verheerenden Jahres präsentiert. „Die Vogelgrippe war bisher ein Winterphänomen“, sagt Hälterlein. „Jetzt ist sie ein ganzjähriges Phänomen.“ Eines, das auf Norderoog in der Brutzeit heftig wütete. Die vorläufige Bilanz: mindestens 2900 tote Küken, dazu 650 tote Altvögel. „Deren Verlust“, sagt Hälterlein, „wiegt bei einer so langlebigen Art besonders schwer.“

Die Jungvögel, so die Erkenntnisse, seien schon sehr früh in hoher Zahl gestorben, die Altvögel überwiegend im späteren Verlauf des Sommers. „Das ist insofern erstaunlich, als unsere Küken ganz offensichtlich direkt an der Vogelgrippe gestorben sind“, sagt Hälterlein. „Aus den Niederlanden hieß es zunächst, dass bei ihnen die Altvögel gestorben sind, die Küken in der Folge verhungert. Das war bei uns ziemlich sicher ganz anders.“

Die niederländischen Behörden hatten schon früh von nahezu ausgelöschten Brandseeschwalben-Kolonien an ihren Küsten berichtet. Sie sind offenbar auch der Schlüssel zum Verständnis der Vorgänge auf Norderoog. Dort hatte sich mit etwas Verspätung eine zusätzliche Kolonie angesiedelt, in der viele tote Altvögel gefunden wurden, etliche davon beringt und damit zweifelsfrei zu identifizieren: Die meisten waren Zuzügler aus den Niederlanden. Und sie brachten den massenhaften Tod gleich mit auf die Hallig.

Altvögelsterben auf der Minser Oog noch heftiger als auf Norderoog

Im Nationalparkamt war man darauf völlig unvorbereitet nach der Winterwelle 2021/22, die mit dem Jahreswechsel, spätestens aber mit der beginnenden Brutzeit als überstanden galt. Die Lehrsätze der Seuche aber waren hinfällig in einem Jahr, das europaweit als das schlimmste seit dem Ausbruch der Vogelgrippe gilt. „Wir hatten gehofft, dass wie bisher zum Frühjahr hin wieder Schluss ist“, sagt Hälterlein, „aber das genaue Gegenteil war der Fall. Es ging erst richtig los.“

Tote Tiere überall, von Frankreich bis hoch nach Skandinavien ein einziges Sterben, Berge aus leblosen Nonnengänsen an den Küsten Englands, verendende Basstölpel auf Helgoland, leblose Lachmöwen an den Stränden Niedersachsens. Und im Wattenmeer die große Brandseeschwalben-Dämmerung. Neben Norderoog hat es hier vor allem die Minsener Oog vor Wilhelmshaven erwischt, auf der fast ein Drittel der Altvögel den Tod fand. Auf Norderoog traf es hingegen „nur“ fünf Prozent der Bruttiere. „Da sind wir relativ glimpflich davongekommen“, sagt Hälterlein.

Ein Grund zur Entwarnung ist das aber nicht. Auch nicht, dass die anrauschende Winterwelle unter Wildvögeln in Schleswig-Holstein bislang nur ein Plätschern ist. Die nächste Brutsaison kommt bestimmt. Und mit ihr womöglich die nächste Vogelgrippe-Verheerung für die Brandseeschwalbe. „Wir müssen uns jetzt zwingend Gedanken über Maßnahmen in der Brutzeit machen“, sagt Hälterlein, „weil wir wirklich eine akute Bestandsgefährdung haben.“

Nur, wie sollen die aussehen? Allzu viel, sagt Hälterlein, könne man nicht machen. Täglich Kadaver absammeln? Schwierig auf Norderoog. Man müsse vor allem Früherkennung betreiben, zu Beginn der Ansiedlungsphase ein wachsames Auge haben. Und der Art auf andere Weise helfen, Wanderratten bekämpfen etwa, wenn schon die Vogelgrippe selbst nicht bekämpft werden kann. Und, auch wenn das dem Geist der Wissenschaft eigentlich widerstrebt: daran glauben, dass es irgendwann vorbei ist. „Wir hoffen, dass es wieder abebben wird“, sagt Hälterlein. „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Die Brandseeschwalbe, sie soll leben.

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Hannah Dobiaschowski
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