SSW-Abgeordneter im Bundestag

Wann Olaf Scholz mit der Stimme von Stefan Seidler rechnen kann

Wann Olaf Scholz mit der Stimme von Stefan Seidler rechnen kann

Wann Scholz mit der Stimme von Seidler rechnen kann

SHZ
Flensburg/Berlin
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Stefan Seidler vor dem SSW-Wahlkampfbüro in der Norderstraße. Foto: Michael Staudt Foto: 90037

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Der SSW-Abgeordnete schließt sich keiner Fraktion an – und möchte bei Abstimmungen inhaltlich entscheiden.

Im Wahlkampfbüro des SSW hat irgendjemand eine Mischung aus Raubkatze und grinsender Blume auf ein Flipchart gemalt. „SSW-Løve“ steht daneben. Dabei ist Löwe nicht unbedingt das erste Tier, das einem in Verbindung mit frischgebackenen Bundestagsabgeordneten Stefan Seidler einfällt. Auch „Danish Dynamite“, wie die Bild-Zeitung ihn bezeichnete, trifft die ruhige und freundliche Art des 41-Jährigen Flensburgers nicht ganz.

Seidler ist seit seinem Einzug in den Bundestag als einziger Abgeordneter des SSW bundesweit gefragt. Nicht nur die größte Boulevard-Zeitung titelt mit dem „einsamen Dänen-König“, auch Kreiszeitungen aus Süd- oder Mitteldeutschland interessieren sich plötzlich für den Einzelkämpfer. In Dänemark wurde sein Einzug in den Bundestag gefeiert wie ein Sportereignis, sagt Seidler. „Dass der Medienrummel so riesig wird, hätte ich nicht erwartet.“ Und so blieb dem Politiker in der ersten Woche nach der Wahl fast die Stimme weg. Trotzdem gab er ein Interview nach dem anderen. Das Thema durch die Bank weg: Der einsame Sitz im Bundestag.

Weiterlesen: Wie Stefan Seidler vom SSW seine erste Woche im Bundestag erlebt hat

Dabei sei seine erste Zeit in Berlin alles andere als einsam gewesen, sagt er. Im Gegenteil „Die erste Zeit war sehr positiv, alle waren herzlich und entgegenkommend.“


Seidler fordert Minderheitenrechte im Koalitionsvertrag

Einer Fraktion möchte er sich aber nicht anschließen und damit auch keinem Fraktionszwang unterwerfen – „der Urgedanke eines Mandats“, findet Seidler. Dabei sei es unwichtig, ob ein Antrag von der Linken, der FDP oder der CDU eingebracht werde. Seidler möchte inhaltlich entscheiden. Daran macht er auch seine Wahl des Bundeskanzlers fest: „Der SSW hat ein Papier an die Sondierer gegeben“, erklärt der Flensburger. „Ich mache es daran fest, ob die Minderheitenrechte im Koalitionsvertrag verankert werden. Dann kann ich mir auch vorstellen, Herrn Scholz zu wählen.“ Und wenn nicht? „Dann nicht.“


Überhaupt möchte der Flensburger weniger als das Kuriosum Einzelkämpfer bekannt sein, sondern sich inhaltlich einbringen. Für die Region. Für Minderheiten. „Ich möchte auf dem positiven Empfang und auf der Aufmerksamkeit aufbauen“, sagt Seidler. „Wir sind ja nicht irgendeine Klamaukpartei. Wir wollen konstruktiv mitarbeiten.“ Er möchte damit auch die Türen nach Skandinavien öffnen.

Soziale Themen im Vordergrund

Ein Thema für Seidler: Die Förderung von grenzüberschreitenden Projekten. „Wir sehen, dass Fördermittel kaum in diese Region fließen“, kritisiert Seidler. Teilweise würden sie nicht gegeben, weil Projekte mit dänischen Unis laufen und es dafür keine Bundesmittel gibt. „Wir brauchen jemanden in Berlin. Wir müssen darauf aufmerksam machen, dass dieses Nord-Süd-Gefälle ein Ende haben muss“, findet Seidler.

Zudem gehe es ihm um Probleme der Region: Der angespannte Wohnungsmarkt und der ÖPNV sind zwei Themen, die er in Berlin angehen möchte, darunter auch die Bahnanbindung des Nordens. „Wir wünschen uns, dass die regionalen Strecken wiederbelebt werden“, sagt Seidler, der mit seinem neuen Job in Berlin ein regelmäßiger Bahnpendler ist. „Ich fahre oft aber mit dem Auto bis Neumünster, denn im Norden ist man sonst so lange mit dem Laptop auf dem Schoß ohne Netz in der Bimmelbahn unterwegs.“

Um alles umzusetzen, was er sich vorgenommen hat, muss Seidler vielleicht doch etwas vom „SSW-Løve“ rauslassen. Denn die Power-Wochen in Berlin wechseln sich mit viel Arbeit und dem Privatleben zu Hause ab. In Berlin hat Seidler noch keine Wohnung gefunden, auch sein Berliner Büro ist nur temporär bezogen. Der 41-Jährige behält seinen Wohnsitz in Flensburg. Seine Frau und die beiden Töchter (zwölf und 14 Jahre) wohnen gleich hinter der Grenze in Dänemark. „Ich muss hier immer einen Finger in der Erde haben, würde man in Dänemark sagen.“

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