Mobilität

Warten aufs neue E-Auto: Die lange Reise des knallroten Corsa von Uwe Grosser

Warten aufs neue E-Auto: Die lange Reise des knallroten Corsa von Uwe Grosser

Die lange Reise des knallroten Corsa von Uwe Grosser

Gunnar Dommasch/shz.de
Flensburg
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Die ersten Reise-Abenteuer hat das neue Auto von Uwe Grosser ohne ihn erlebt.  Foto: Gunnar Dommasch/shz.de

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Vor einem Jahr bestellt sich Uwe Grosser ein neues Auto – eine Lieferung mit Hindernissen.

Ein geschlagenes Jahr hat er gewartet. Jetzt endlich liegt das Geschenk unterm Gabentisch – bildlich gesprochen. Denn bei dem Weihnachtspräsent für Uwe Grosser handelt es sich um ein echtes Schwergewicht. Es wiegt über 1500 Kilogramm und hört auf den Namen „Opel Corsa“, ein Elektro-Auto, das eine lange Odyssee hinter sich hat, zum Leidwesen des Rentners aus der Gartenstadt Flensburg. „Das war eine schlimme Geduldsprobe“, bekennt er. „Doch jetzt bin ich glücklich.“

Am 21. Dezember 2021 bestellt Uwe Grosser das Fahrzeug bei dem Opel-Händler seines Vertrauens – da ist er noch 82 Jahre jung und hat ein paar graue Haare weniger. Der Verkäufer avisiert den Elektro-Corsa für Mitte April des folgenden Jahres. „Das war okay für mich, die Lieferprobleme waren ja bekannt.“ Der „wirklich nette Händler“ habe sich alle Mühe gegeben, die Frist einzuhalten, „aber er war wohl überfordert“.

Immer wieder vertröstet

Er habe ihm, als nichts passierte, eine Nummer des Werkes in Rüsselsheim gegeben. „Ich sollte persönlich einmal nachforschen, doch am anderen Ende gab es nur Musik in der Warteschleife.“ Schließlich meldet sich eine echte Frauenstimme, „eine wiederum sehr nette Dame“. Er möge doch bitte zwei bis drei Wochen warten. Uwe Grosser wartet den ganzen Sommer.

„Immer wieder wurde ich vertröstet, und niemand wusste Bescheid.“ Der Rentner feiert seinen 83. Geburtstag. Die Nummer in Rüsselsheim kennt er längst auswendig. Und tatsächlich keimt Hoffnung auf. Die nette Dame erklärt Ende Oktober, das Fahrzeug sei fertiggestellt. Es befinde sich in Spanien. Mutmaßlich in Saragossa, wo der Corsa produziert wird. Wann eine Spedition den Stromer nach Deutschland bringen könne, stehe allerdings in den Sternen. Uwe Grosser bekommt langsam richtig schlechte Laune. Und wartet.

„Irgendwann war ich kurz davor, abzuspringen und von dem Vertrag zurückzutreten.“ Da macht der neue Corsa plötzlich eine Reise auf dem Trailer – und landet in Hamburg. „In Hamburg? Was soll er denn in Hamburg?“, fragt der verhinderte Käufer den Händler. Dieser könne den Opel aus versicherungstechnischen Gründen leider nicht nach Flensburg holen, wird ihm beschieden.

Weiter im Polo

Langsam beschleicht Grosser die Angst, die Umweltprämie werde ihm durch die Lappen gehen, wenn er das Auto zu spät anmeldet. Jeden Abend telefoniert er mit seiner Tochter Petra und teilt mit ihr seine Sorgen. Diese sagt: „Mein Vater ist ein geduldiger Mann, aber jetzt wurde er richtig gnaddelig. Er hatte sich doch so gefreut.“ Denn es gibt von keiner Seite eine Erklärung für die Verzögerungen. Eine Entschuldigung schon gar nicht.

Endlich umweltfreundlich fahren

„Ich wollte endlich umweltfreundlich fahren“, doch er sei die ganzen Monate gezwungen gewesen, mit seinem VW Polo, einem Benziner, die Umwelt zu verpesten. „Wollen wir nicht zur Klimaneutralität? Das ist doch ein Witz.“ Der früher selbstständige Zimmerermeister macht eine Verlustrechnung auf. Eine eigentlich vermeidbare Inspektion, Tanken, Telefonate – macht 800 Euro. Ein lächerlicher Betrag angesichts der 35.000 Euro, die das Elektro-Fahrzeug kosten soll, die Förderung nicht eingeschlossen.

Ein Jahr geht ins Land. Kurioserweise kommt am 21. Dezember, exakt zwölf Monate nach Vertragsabschluss, die Botschaft: Der Wagen ist da. Der Käufer kann es kaum fassen. Jetzt steht der knallrote Corsa vor seiner Haustür, pünktlich. Oder sagen wir: pünktlich zum Weihnachtsfest. Uwe Grosser wird ganz feierlich zumute. Er denkt kurz nach. Dann sagt er: „Eine Flasche Sekt hätte nach all dem Ärger zumindest dabei sein dürfen.“

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