Start-Up-Szene in Flensburg

Warum Barbara Asmussen nach 34 Jahren bei der Wireg das Technologiezentrum verlässt

Barbara Asmussen verlässt Technologiezentrum

Barbara Asmussen verlässt Technologiezentrum

SHZ
Flensburg
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Barbara Asmussen hat vor sechs Jahren begonnen, das Technologiezentrum umzukrempeln. Foto: Technologiezentrum/shz.de

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Für viele junge Unternehmen und Gründer war Barbara Asmussen die gute Seele im Technologiezentrum. Nun zieht sie sich zurück und verrät im Gespräch, worauf sie am meisten stolz ist und was ihr fehlen wird.

Sie war Expertin, Beraterin, Netzwerkerin und die gute Seele des Hauses: Barbara Asmussen hat das Technologiezentrum in wenigen Jahren komplett umgekrempelt und viele junge Unternehmen auf ihrem Weg von der Gründung bis zur Etablierung am Markt begleitet. Jetzt sagt sie „Tschüss“ und blickt im Interview mit Reporterin Annika Kühl auf die vergangenen Jahre zurück, erzählt, was ihr fehlen wird und worauf sie sich in ihrem (Un-)Ruhestand am meisten freut.

Frau Asmussen, Ihre letzten Tage im Technologiezentrum laufen. Was werden Sie am meisten vermissen?
Da habe ich eine ganz klare Antwort: Das sind meine Start-Ups. Zu jedem der Start-Ups habe ich eine sehr vertrauensvolle Beziehung. Ich habe fast alle, die jetzt hier sind, selber aufgenommen. Mit jedem verbinde ich eine Geschichte. Jeder hat sein eigenes Schicksal. Ob er aus der Arbeitslosigkeit gekommen ist, oder ob er vom Studium direkt hier bei uns angefangen hat. Jede Gründung verläuft im Prinzip anders.

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Wie lange waren Sie im Technologiezentrum?
Ich habe insgesamt fünf Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister und drei Landräte in den Gremien der Wireg miterleben dürfen. Das spricht schon für eine sehr lange Dienstzeit. Die Start-Up-Betreuung im Technologiezentrum mache ich seit 2015.

Was wird Ihnen noch fehlen?
Fehlen wird mir dieses Vertrauensgefühl, das ich in meine Start-Ups habe und die Start-Ups in meine Person. Und die Vielfältigkeit der Anforderungen, die mit meinem Job verbunden sind: Wie kalkuliere ich was? Wie gehe ich in die nächste Finanzierungsrunde rein? Oder manchmal ist es auch ein gut gemeinter Rat, Erfahrungswerte oder meine Kontakte in die Wirtschaft, die benötigt werden. Eben all das, was meine Arbeit im Technologiezentrum ausmacht: Das Mentoren-Netzwerk, Öffentlichkeitsarbeit, betriebswirtschaftliche Unterstützung oder vertraulich mal ein Thema auszutauschen, bei dem es im Werdegang im Moment hakt.

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Für viele hier waren Sie mehr, als das, was Ihre Stellenbeschreibung eigentlich hergegeben hätte...
...das hat glaube ich den Erfolg mit ausgemacht: Diese dynamischen Ideen von den jungen Leuten gepaart mit meiner Erfahrung und Weitsicht und vielleicht auch dem Mut, eine Idee in die Tat umzusetzen. Ich habe nicht immer nur offene Türen vorgefunden, man muss schon für seine Sache einstehen und Rückgrat zeigen. Alles in allem, habe ich wirklich große Unterstützung bekommen, besonders seitens unserer Gesellschafter, die großes Vertrauen in unsere Arbeit hier im TZ gelegt haben.

Worauf sind Sie am meisten stolz?
Das ist das Gründer-Ökosystem: Dieses Zusammenarbeiten von Mentoren, Rechtsanwälten, Steuerberatern mit den Start-Ups, also mit allen, die die Gründung unterstützen und die Region voranbringen möchten. Und ich bin auch sehr stolz darauf, dass das Technologiezentrum in der Wahrnehmung und in seiner Identifikation einen Paradigmenwechsel hinter sich hat. Wir galten früher als steif, hierarchisch, aufgestellte Institution. Heute sind wir ein modernes, cooles Bürohaus, wo man freundschaftlich, kooperativ miteinander umgeht und wo jeder jedem hilft. Wo es Ansprechpartner gibt, auch in schlechten Zeiten.

In den sechs Jahren war es bestimmt nicht immer einfach. Gab es eine Zeit, in der es besonders schwierig war?
Die schwierigste Zeit war der Anfang: 2015/2016. Wo wir im Prinzip sehr langfristige Mietverträge hatten, die nicht unbedingt in ein Gründerzentrum gehören. Wir mussten stärker die betriebswirtschaftliche Brille aufziehen und unser Haus wirtschaftlicher führen. Alles unter einen Hut zu bringen: Neue Mieter, das Haus zu modernisieren, flache Hierarchien aufzubauen, die Community zu entwickeln und neue Veranstaltungsformate zu entwickeln, das war eine Herausforderung. Aber auf dem Status Quo darf man sich niemals ausruhen. Mittlerweile steht das TZ sehr gut da, ist zu 99 Prozent ausgelastet und dann ist ist doch der beste Zeitpunkt zu gehen.

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Ihr schönstes Erlebnis im Technologiezentrum?
Das war eindeutig der Förde-Preneur 2019. Dass wir das hinbekommen haben, hier in der Region einen eigenen Innovationspreis zu verleihen und den in so einer festlichen Atmosphäre mit über 200 Besuchern zu präsentieren – ich glaube, das war für mich schon ein Meilenstein. Wir hatten über 30 Bewerbungen für den Preis und das ist für unsere Region schon eine ganze Menge. Und noch ein schönes Erlebnis: Dass es mir gelungen ist, das erste Forschungsprojekt hier ins Technologiezentrum zu holen. Das freut mich, da ich mir davon ausgehend eine Verstärkung des Technologietransfers in die regionale Wirtschaft erhoffe.

Wie geht es jetzt weiter?
Das Schlüsselwort ist Zeit. Da habe ich oft in letzter Zeit drüber nachgedacht: Was hat mir gefehlt? Das ist eigentlich mit dem Wort Zeit zu umschreiben. Zeit meinen Mann und für meine zwei Jungs. Zeit aber auch für mich. Und Zeit für gute Freunde und Hobbys. Mein Mann und ich lieben das Wasser, wir haben ein kleines Boot und wir werden mit Sicherheit öfter in Zukunft aufs Wasser gehen. Wenn Corona es zulässt würde ich gerne in Zukunft in ferne Länder reisen und ich spiele gerne Bridge. Aber das Wörtchen Zeit habe ich nicht von ungefähr gesagt. Ich habe meinen Job in den letzten 34 Jahren immer als Herzensangelegenheit gesehen und so habe ich das Haus in den letzten Jahren versucht zu führen. Mein Job ist eine Vollzeittätigkeit, die mich auch in den Abendstunden oder am Wochenende nicht losgelassen hat. Ich verlasse nun die Wireg und das Technologiezentrum, aber ich freue mich, wenn mich meine Start-Ups nicht vergessen und ich ab und zu noch mit Rat und Tat zur Seite stehen kann. Und wer weiß: Flensburg ist klein, vielleicht sieht man sich mal wieder...

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