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Warum dauert die Entscheidung für ein einheitliches Ladekabel so lange?

Warum dauert die Entscheidung für ein einheitliches Ladekabel so lange?

Entscheidung für einheitliches Ladekabel dauert an

Mahé Crüsemann/shz.de
Flensburg/Brüssel
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Ein einheitliches Ladekabel soll für weniger Kabelsalat sorgen. Die EU hat nun zugestimmt. Foto: Tilman Wrede/shz.de

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Entscheidungen, die alle Bürger in der EU betreffen, kommen aus Brüssel. Sie haben direkten Einfluss auf das alltägliche Leben der Menschen. Wie kommen Sie aber zustande?

„Nichts, was hier gesagt wird, darf jemals diesen Raum verlassen“, heißt es in den Hintergrundgesprächen – mit Pressesprechern des Auswärtigen Amtes, Mitgliedern des EU-Parlaments oder solchen des Rates der Europäischen Union.

Informationen zu einer anhaltenden Diskussion, die in Europas Zentrum gerade geführt werden, geraten selten nach außen. Am Ende steht oft nur das Ergebnis – worüber die EU-Bürger dann kurz informiert werden. Doch bis es dazu kommt, ist es oft ein langer Weg.

Eine EU-Entscheidung – 13 Jahre

Ein Beispiel: Vor 13 Jahren hat die Diskussion um ein einheitliches Ladekabel für Handys, Tablets oder Kameras innerhalb der EU begonnen. 2009 stieß die Europäische Kommission die Diskussion an. Als Grund nannte sie unter anderem die Massen an Elektroschrott, die jährlich aufgrund unterschiedlicher Ladegeräte anfallen.

Jahre später stimmt das Parlament für die Vereinheitlichung. Im Herbst kommenden Jahres wird der Beschluss dann tatsächlich auch umgesetzt, neue Geräte werden mittels USB-C-Adapter ladbar sein.

Aber warum dauerte das ganze 13 Jahre? Der Grund sind Austausch, Konflikte und das Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Interessen der EU-Staaten. „Viele Nationen, viele Vertreter und alle wollen das Beste für ihr Land herausholen“, heißt es aus Reihen des Europäischen Parlaments. Das brauche Zeit. Denn am Ende betreffen die Entscheidung jeden Bürger der EU-Mitgliedsstaaten. Das versuchen die Vertreter zu berücksichtigen. Dazu haben sie zahlreiche Instrumente.

Wer entscheidet in der EU was?

Das Europäische Parlament: Es ist die Vertretung der Bürger der Europäischen Union. Die Abgeordneten werden in den Mitgliedsländern alle fünf Jahre von den in der EU lebenden Menschen gewählt und das seit 1979. Somit vertritt das Parlament die Interessen der Menschen im Hinblick auf die EU-Gesetzgebung.

Seine wesentlichen Aufgaben sind die Mitwirkung an der Gesetzgebung sowie die Genehmigung des Haushalts.

Im Gegensatz zu nationalen Parlamenten kann das Europäische Parlament aber keine Gesetze vorschlagen – das Initiativrecht hat allein die Europäische Kommission, wo daher auch der Beschluss zum einheitlichen USB-C-Kabel in der EU seinen Anfang nahm.

Ein Vorschlag der Exekutive

Die Europäische Kommission ist die Exekutive der EU, alle 27 Mitgliedsländer sind Teil davon. Die Kommission gewährleistet die Einhaltung der europäischen Verträge. Zudem treibt sie die europäische Integration voran, setzt sich also auch für ein möglichst problemlos funktionierendes Zusammenleben in der Union ein – zum Beispiel dank eines einheitlichen Ladekabels.

Die Kommission hat ihren Sitz in Brüssel. Gesetzesvorschläge werden ausschließlich in der Kommission eingebracht und erarbeitet, das nennt sich das Initiativrecht. Der Ministerrat und das Europäische Parlament diskutieren und verhandeln dann über diese Gesetzesvorschläge. Auch der Haushalt wird in der Kommission festgelegt.

Eine Agenda für die EU, um funktionieren zu können

Dieses ganze Konstrukt braucht, um funktionieren zu können, eine Agenda, politische Ziele. Schließlich ist die EU eine politische Institution. Diese Ziele werden vom Europäischen Rat festgelegt. Allerdings muss dieser dazu oft durchaus strittige Fragen klären und Antworten finden.

Die 27 Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer sitzen im Rat – der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron, die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin. Der Rat verabschiedet keine Gesetze, sondern setzt oben genannte Agenda.

Sowohl Ursula von der Leyen, die Präsidentin der EU-Kommission, als auch Josep Borrell, Hohe Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU, nehmen an den Sitzungen des Rats teil.

Viele Stimmen, eine Entscheidung

Auf Basis der politischen Agenda – festgelegt vom Rat, diskutieren und entscheiden direkt gewählte Vertreter aller Mitgliedsstaaten – das EU-Parlament – Vorschläge, die von der Kommission eingebracht werden. Heraus kommt dann so etwas wie die im Juni dieses Jahres getroffene Einigung über die Einführung eines einheitlichen Ladekabels innerhalb der EU.

Den langen Weg, den eine Entscheidung also nimmt, vom Vorschlag über die Diskussion bis zur Umsetzung, ist bürokratisch. Auch für einheitliche Ladebuchse am Handy – aber nicht nur, wie es sich an den Reaktionen der EU auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ablesen lässt.

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