Circus Probst in Süderbrarup

Warum eine Sylter Lehrerin die Insel gegen das Zirkusleben eingetauscht hat

Warum eine Sylter Lehrerin die Insel gegen das Zirkusleben eingetauscht hat

Die Sylter Insel gegen das Zirkusleben eingetauscht

Doris Ambrosius/shz.de
Süderbrarup
Zuletzt aktualisiert um:
Lernen im Wagen: Das rollende Klassenzimmer bietet alles, was ein Klassenzimmer braucht. Foto: Doris Ambrosius/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Der Circus Probst gastiert an diesem Wochenende in Süderbrarup und beherbergt eine besondere neue Mitarbeiterin: Die Sylter Lehrerin Christiane Retzlaff (67).

Retzlaff reist seit dem 3. August mit dem Circus Probst und unterrichtet Zirkuskinder. Wie ist sie dazu gekommen? Warum macht sie das und wie ist überhaupt das Schulleben eines Zirkuskindes?

Ein Freund vermittelte das Angebot

„Dazu gekommen bin ich durch einen guten Freund, der Circus-Lehrer war bei Knie und Krone“, erzählt sie, „und mit ihm besuchte ich Circus Probst zu einer Vorstellung in Heide.“ Man habe ihn dann an der Kasse erkannt und gefragt, ob er nicht Lust hätte, als Lehrer anzufangen, und zwar gerne sofort. „Er konnte aufgrund seines Jobs nicht, aber er sagte, das könne ich doch machen“, berichtet Retzlaff.

In null Komma nichts wurde sie plötzlich als Lehrerin für den Circus engagiert, nachdem sie für ihre Sylter Stelle schnell eine Bekannte als Ersatz fand. „Und plötzlich schlief ich in einem sehr schönen Gastwagen und hörte nachts die Pferde wiehern. Ich dachte, ich wäre auf einer Ranch“, erinnert sie sich an die erste Nacht.

Das war Anfang August. Inzwischen weiß sie, wie viel Freude es bereitet, so intensiv unterrichten zu dürfen und gleichzeitig mitzureisen. „Es ist toll, die Städte kennenzulernen, und in Süderbrarup war ich vorher noch nie“, sagt sie und fängt an, von einem kleinen versteckten italienischen Restaurant zu schwärmen.

Celinas Lieblingsfach ist Mathe

Celina (8) lernt in dem kleinen rollenden Klassenzimmer Deutsch, Mathe und Englisch. „Sport brauche ich nicht, denn ich arbeite jetzt schon mit den Artisten zusammen“, beschreibt das selbstbewusste junge Mädchen, wie sie Flick Flack, Radschlag und Spagat schon beherrsche. Ihr Lieblingsfach sei Mathematik, aber sie zeigt auch, mit welch wunderschöner Schrift sie die Schreibübungshefte der dritten Klasse füllt. Fast wie gemalt. „Aber es fehlen mir trotzdem Klassenkameraden“, sagt sie, „die sehe ich nur im Winter.“

Bis circa Mitte Januar campiere der Circus in Geestacht und das seit 25 Jahren. Dort geht Celina am liebsten zur Schule, wie sie sagt. Das Hauptwinterquartier sei dann in Goch, wo ihre zweite Schule sei. Für das Mädchen ist es schon immer komisch gewesen, den Ort wechseln zu müssen. „Ich muss mich immer umgewöhnen, aber das geht schon“, sagt sie.

Zirkuslehrerin bekommt genaue Vorgaben

Lehrerin Christiane Retzlaff bekommt genaue Vorgaben der Hauptschule, was Celina bis zum Winter können muss. Die Zettel sind voll und lang, es muss also sehr intensiv gelernt werden. „Celina liebt aber auch sehr das Basteln und das Vorlesen, zum Beispiel aus Pipi Langstrumpf“, verrät die Lehrerin, „und das machen wir zwischendurch zur Entspannung.

Celinas Spielkameraden sind ihre Schwester und ihre Cousine, Leonie (4) und Elena (3). Mit den beiden ist sie sehr gerne bei den Tieren. Celina selbst sei heute schon ein fester Bestandteil der Show, erläutert Christiane Retzlaff. Und Celine weiß genau, was sie will: „Ich möchte unbedingt Artistin werden, in der Luft und auch mit Tieren.“

Christiane Retzlaff studierte Germanistik und Romanistik und war über 30 Jahre als Zeitungsredakteurin in Flensburg, Bayern und Sylt tätig. Es gab viele Gründe, um aus diesem „Rad“ auszusteigen, erzählt sie, „und 2014 war es so weit. Ich ließ alles hinter mir und ließ mich als DAZ-Lehrerin ausbilden.“ Fortan unterrichtete sie Flüchtlinge auf Sylt und Niebüll.

Bis zu diesem für Retzlaff immer noch erstaunlichen Tag, Anfang August, der alles veränderte. „Seitdem reise ich mit dem Circus Probst mit und es gefällt mir sehr. Wenn allerdings, so wie an diesem Wochenende, meine Freundin Geburtstag hat, dann fahre ich auch mal nach Hause“, sagt sie. „Aber Montag bin ich wieder hier, denn dann wird abgebaut und es geht auf in die nächste Stadt.“

Mehr lesen