Natur

Was der ungewöhnlich milde Oktober für die Tierwelt bedeutet

Was der ungewöhnlich milde Oktober für die Tierwelt bedeutet

Was der ungewöhnlich milde Oktober für die Tierwelt bedeutet

Heike Wells/shz.de
Schleswig-Holstein
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Die Nordische Mossjungfer braucht kühlere Temperaturen. Der Warme Oktober machte ihr zu schaffen. Foto: www.imago-images.de/shz.de

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Wäre es ein warmer Oktober, die Biologen wären beruhigt. Doch es ist nicht der erste. Und so langsam werden die Spuren des Klimawandels in der Natur sichtbar.

Im Oktober und Anfang November noch im Pulli im Straßencafé sitzen – viele Menschen haben das in den vergangenen Wochen genossen. Was aber bedeuten die ungewöhnlich milden Herbsttemperaturen für die Tierwelt? Tagesaktuelle Erkenntnisse dazu gibt es zwar nur wenige, wohl aber welche zum Einfluss des generell in den vergangenen Jahren zu beobachtenden Temperaturanstiegs, etwa mit zunehmend milden Wintern. Denn: „Einmalige Wetterumschwünge beeinträchtigen die Natur langfristig nicht, die Folgen des Klimawandels schon“, fasst der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zusammen.

Letzterer macht sich unter anderem bei Insekten bemerkbar. Etliche in Norddeutschland heimische Nachtfalter etwa bildeten zusätzliche Entwicklungsgenerationen aus – bis zu drei pro Jahr statt einer oder zwei, berichtet der schleswig-holsteinische Naturschutzreferent Thomas Behrends: „Das beobachten wir seit einigen Jahren.“

Zugleich trifft die herbstliche Wärme auf eine sehr trockene Landschaft. Das bedeutet, dass die Insekten, die auf Wasser – Moore, Feuchtwiesen, Weiher – als Lebensraum angewiesen sind, das Nachsehen haben.

Warmer Herbst verändert die Tierwelt

Betroffen sei besonders die Libellenfauna, so Behrends und nennt die Nordische Moosjungfer als Beispiel. Schleswig-Holstein sei für diese Großlibelle, die hohe Temperaturen nicht verträgt, lange einer der wenigen Standorte in Deutschland gewesen. Nun werde sie auch hierzulande immer seltener. In der Welt der Libellen gebe es starke Veränderungen, so das Fazit des Naturschutzreferenten: „Einzelne Arten verabschieden sich.“

Das Phänomen ist allerdings nicht auf Insekten beschränkt. Generell profitieren eher wärmeliebende Tierarten vom Klimawandel und breiten sich aus, warnen Artenkenner. Das könne zu Veränderungen in der Artenzusammensetzung in Ökosystemen führen.

Ins Hintertreffen geraten dabei meist die „Spezialisten“ unter den Tieren, also die, die auf besondere, eher seltener werdende Lebensräume angewiesen sind. „Der Klimawandel bedroht die Artenvielfalt“, warnt etwa internationale Tierschutzfond IFAW.

Zecken liebten den warmen Oktober

Auch unter den Insekten gibt es welche, die bei milden Herbsttemperaturen geradezu aufblühen, darunter auch wenig beliebte Tierchen wie Zecken. Die sind derzeit unvermindert aktiv, denn dazu brauchen sie eine Lufttemperatur von lediglich sieben bis zehn Grad. Die eine oder andere Wespe war in den vergangenen Wochen ebenfalls noch zu beobachten. Dabei handelt es sich allerdings um einzelne Exemplare, die Völker dürften schon wegen des Mangels an Nahrung abgestorben sein.

Mücken gehören zwar auch zu den Insektenarten, die, wegen ihrer kurzen Reproduktionszeit, bei Wärme schnell noch eine weitere Generation ausbilden können. In diesem Jahr allerdings ist eine solche, wegen der mangelnden Feuchtigkeit, wohl ausgeblieben. Die letzte Generation zieht sich jetzt an schattige und kühle Orte zurück und fällt dort in eine Art Starre, während Stechmücken Eier legen, die sich dann im Frühjahr entwickeln.

Säugetiere ignorieren den Winterschlaf

Bei manchen Säugetieren war dagegen in den vergangenen Wochen vom Herunterschalten auf Sparflamme (noch) keine Spur. „An Winterschlaf war bei einigen noch nicht zu denken“, sagt Nabu-Referent Behrends.

Unter den Küstenvögeln an der deutschen Nordseeküste allerdings herrscht trotz der sommerlichen Wärme weitgehend herbstliches „business as usual“, wie der schleswig-holsteinische Nationalpark-Ranger Martin Kühn es formuliert. Bei den Meeresgänsen sei das übliche Kommen und Gehen zu sehen, nordische Gäste wie Seidenschwänze treffen nach und nach in und am Wattenmeer ein.

Für das Zuggeschehen in der Vogelwelt sind ohnehin die Nahrungsverfügbarkeit und die genetische Disposition, sprich die innere Uhr, die entscheidenden Faktoren, weniger das Wetter. Ein ungewöhnliches Phänomen hat Martin Kühn allerdings bei einem Waldspaziergang erlebt: den Gesang einer Hohltaube – offenbar ein Fall von herbstlichen Frühlingsgefühlen.

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