5000 Jahre alte Gräber

Wie Archäologen in Schleswig-Holstein der Geschichte nachjagen

Wie Archäologen in Schleswig-Holstein der Geschichte nachjagen

Wie Archäologen in Schleswig-Holstein der Geschichte nachjagen

SHZ
Goosefeld/Schleswig
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Grabungsleiter Ringo Klooß (Mitte) und seine beiden Kollegen suchen in dem Megalithgrab nach alten Werkzeugen und Keramik. Foto: Marcel Nass Foto: 90037

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In der Nähe von Goosefeld hat das Archäologische Landesamt ein 5000 Jahre altes Steingrab entdeckt. Das Grab ist erstaunlich gut erhalten, muss aber wohl bald einem Baugebiet weichen.

Von Weitem deutet nichts darauf hin, was sich in der Mitte eines Feldes in der Gemeinde Goosefeld (Kreis Rendsburg-Eckernförde) seit Tausenden Jahren verborgen hat. Von der viel befahrenen B203 sieht man nur einen Bagger und ein paar aufgeschüttete Erdhügel.

Im Herzen des Ackers springen sie einem dann deutlich ins Auge: Ein gutes Dutzend großer Findlinge liegen in einer fünf mal sieben Meter großen Senke auf- und nebeneinander. Sie scheinen willkürlich in der Erde zu stecken. So, als wären sie dort vor langer Zeit liegen gelassen worden.

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Ringo Klooß sticht mit seiner Schaufel in den Boden. Er schüttet einen Haufen Erde nach dem anderen aus der gut 50 Zentimeter tiefen Kuhle heraus, in der er steht. Seine beiden Kollegen tun es ihm gleich. Zwischen mehreren großen Steinen suchen sie dabei nach einer passenden Grabungsstelle..

Entdeckung bremst Arbeiten für neues Baugebiet

Die Männer arbeiten für das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein. Das Feld im 700-Seelen-Dorf bei Eckernförde ist seit Wochen ihr Arbeitsbereich. Dort soll bald ein neues Baugebiet entstehen. Bevor jedoch Häuser gebaut werden können, haben die Männer mit ihren Schaufeln noch jede Menge zu tun, denn sie haben auf dem Acker eine seltene Entdeckung gemacht: „Wir haben Steine im Boden gefunden, die nicht auf natürliche Art und Weise hierher gekommen sein dürften. Die Anordnung der Findlinge deutet auf ein etwa 5000 Jahre altes Megalithgrab hin. Und es scheint wirklich gut erhalten zu sein“, zeigt sich Grabungsleiter Klooß begeistert.

Megalithgräber sind ein Zeichen für menschliche Siedlungsspuren in der Jungsteinzeit. Oftmals finden Archäologen sie aber nur noch mit wenigen Steinen oder komplett zerstört – meistens wurden die sorgsam aufgestellten Steine zweckentfremdet.


Dominik Forler begleitet die Ausgrabung. Regelmäßig besucht der Dezernatsleiter des Archäologischen Landesamtes die Grabungsstelle und schaut sich die Fortschritte an. Auf dies Grab sind seine Kollegen und er bei einer sogenannten Voruntersuchung gestoßen.

Dabei wird das Untersuchungsfeld in regelmäßigen Abschnitten mit zwei Meter breiten Suchschnitten durchforstet. „Die Gegend hier ist bekannt dafür, dass es viele archäologische Schätze und Spuren von alten Kulturen gibt. Deswegen haben wir vor der Erschließung des Feldes eine Untersuchung gemacht und sind so auf die Felsstrukturen gestoßen“, erklärt Forler.

Ein Dutzend Findlinge auf einem Acker

Klooß hat seinen Arbeitsbereich fest im Blick. In der ausgehobenen Kuhle gräbt er nach weiteren Fundstücken aus der Entstehungszeit des Megalithgrabs. Anhand der Strukturen in der Grabungsstelle versucht er auch, den Aufbau des Grabes zu rekonstruieren. Der 47-Jährige zeigt auf die Steine und erklärt, dass sie ursprünglich anders angeordnet sein mussten. „Wenn man einige davon wieder aufrecht hinstellt, kann man schnell erkennen, dass sie einen Kreis ergeben. Einer der großen Steine in der Mitte könnte der Deckstein gewesen sein, der das Grab von oben abgeschlossen hat“, sagt er.

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Neben der Grabungsstelle hat der Archäologe einen kleinen Tisch aufgebaut. Auf ihm liegen Abbildungen von alten Grabanlagen und kleinere Steine, die während der Arbeiten gefunden worden sind. Beim Blick auf die Untersuchungsstelle fällt auf, dass ein paar große Steine fernab der eigentlichen Kammer liegen. Sie bilden einen Seitenarm, der auf den Eingang zur Grabkammer hindeuten könnte.

„Megalithgräber bestehen meistens aus einem länglichen Eingang und dem Innenraum, in dem die Toten bestattet wurden“, erklärt Ringo Klooß. Bei der Suche nach dem Eingang zur Grabkammer helfen den Archäologen auch Verfärbungen im Boden. Bei den großen Steinen neben der Grabungskuhle sind einige zu erkennen.

Der Boden sieht dort an einigen Stellen dunkler aus als in der Umgebung. „Das zeigt, dass hier etwas gelegen haben könnte. Vielleicht standen hier mal Steine, die den Eingang zum Grab markieren sollten“, erläutert der Grabungsleiter. Er kniet er immer wieder auf den Boden und streicht mit einer Art Spachtelwerkzeug über die Erde. „So kann man die Verfärbungen erkennen, ohne die Strukturen durch grobes Schaufeln zu zerstören.“

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Die Größe der Steine lässt nur vermuten, wie groß die körperlichen Anstrengungen gewesen sein müssen, die die Menschen in der Jungsteinzeit für den Bau der Grabanlage aufbringen mussten. Auch Dominik Forler ist davon immer wieder fasziniert: „Man sieht daran, wie wichtig den Menschen damals schon die Bestattungskultur war. Sie haben meist mehrere Monate an diesen Bauwerken gearbeitet.“

Klooß deutet auf zwei kantige Türme, die am Rande der Grabungsstelle in einem Abstand von rund 50 Zentimetern aus der Erde ragen. Sie bestehen aus flach geschliffenen Steinplatten, die aufeinandergestapelt und an den Rändern mit Lehm befestigt wurden – ein eindeutiger Beweis für menschliches Schaffen. „Diese gestapelten Steinplatten sind bei Megalithgräbern häufig als Füllmasse zwischen den großen Findlingen verwendet worden. Man kann davon ausgehen, dass das der Eingang zur Grabkammer ist“, sagt Klooß.

Gefäße als Bestattungsbelagen

In der Grabkammer selbst haben die Archäologen einiges gefunden, was einst den Toten mit auf ihre letzten Reise gegeben wurde. „Das sind aber nur einzelne Keramikscherben von Gefäßen aus der Zeit. Wir hoffen darauf, dass wir noch mehr finden, wenn wir erst einmal den Boden der Grabkammer erreicht haben. Der ist meistens durch weißen Feuerstein gekennzeichnet. Etwas haben wir davon auch schon entdeckt“, erklärt Forler.


Während einer seiner Kollegen Erde in ein Sieb schaufelt, um nach weiteren Keramikscherben oder anderen Schätzen zu suchen, zeigt Klooß eine Steinbeilspitze, die er bei der Ausgrabung gefunden hat. Der Stein ist an den beiden Längsseiten aalglatt und besitzt eine scharfe Kante, ähnlich wie bei einer Axt. „Das ist eindeutig ein Werkzeug, das die Menschen früher verwendet haben. Ein wirklich toll erhaltener Fund, der aber nicht unbedingt 5000 Jahre alt sein muss. Das Beil kann auch erst viele Jahre nach dem Bau des Grabes hier gelandet sein“, meint Ringo Klooß.

In der Zwischenzeit hat Forler eine Drohne zusammengebaut, die er über die Grabungsstelle fliegen lässt. Immer höher lässt er sie steigen, nur um zwischendurch immer mal wieder inne zu halten, um mit der Drohen ein Foto aus der Luft zu schießen. Was er fotografiert, ist auf dem Display des Steuergeräts zu sehen.

Er lässt die Drohne weiter steigen, bis sie mit bloßem Auge kaum noch zu erkennen ist. „Die Fotos sollen die Grabungsstelle aus verschiedenen Höhen und Perspektiven zeigen. Auch wenn die großen Steine an sich ja nicht wirklich ein Fall für das Museum sind, können wir das alles durch die gesammelten Aufzeichnungen zumindest digital am Leben erhalten.“


Klooß und seine Kollegen sind derweil wieder in der Kuhle. Sie graben weiter. „Und zwar, bis wir den Boden der Grabkammer gefunden haben“, sagt der Grabungsleiter. Wie es dann weitergeht, wissen sie nicht. „Manchmal bauen wir das Grab wieder auf und weisen es als archäologisches Denkmal aus. Manchmal bleiben uns aber auch nur unsere Dokumentationen. Letztlich entscheidet der Bauträger, was aus dem Fund wird.“. Er würde das Grab gern wieder aufgestellt sehen.

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