Schleswig-Holstein

Wie die Flensburger Fahrzeuggesellschaft dem Riesen Rheinmetall ein Schnippchen schlug

Wie die FFG dem Riesen Rheinmetall ein Schnippchen schlug

Wie die FFG dem Riesen Rheinmetall ein Schnippchen schlug

Tim Prahle
Flensburg/Flensborg
Zuletzt aktualisiert um:
Der Radtransportpanzer Boxer kann jetzt doch von der Flensburger Fahrzeuggesellschaft gewartet werden. Foto: Christian Charisius

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Das Rüstungsunternehmen Rheinmetall gilt wirtschaftlich als großer Kriegsgewinner. Doch gegen eine Flensburger Firma erlitt der neue Dax-Konzern eine faktische Niederlage. Gegenstand des Verfahrens war der Radpanzer „Boxer“, von dem die...

Laut Bundeswehr ist es das „Mutterschiff“ der Infanterie: das gepanzerte Truppentransport-Kraftfahrzeug (GTK) Boxer. Knapp 500 dieser Fahrzeuge hat die Bundeswehr, sie sind flexibel einsetzbar, bringen Soldaten, Sanitäter und Kommandeure über Stock und Stein, mit bis zu 103 Kilometer in der Stunde sicher von A nach B.
Bis 2025 sollen jetzt aus Australien durch eine Firma im Teilbesitz von Rheinmetall weitere 100 Stück zur Bundeswehr kommen. Doch auch der als „Multitalent“ hochgelobte Radpanzer muss mal gewartet und repariert werden.

Warum die Wartung von Boxern so kompliziert ist

Nur wo? In der Theorie kam dafür bislang jedes geeignete Unternehmen infrage, das sich mit gepanzerten Fahrzeugen auskennt. Schon das trifft in Deutschland nicht auf so viele Betriebe der Republik zu. Die FFG in Flensburg mit ihren etwa 700 Mitarbeitern kann beim Rennen um solche Aufträge der Bundeswehr aber mitmischen. 

Vor Jahren hatte sie von der Bundeswehr den lukrativen Auftrag für die Wartung von einigen Boxern bekommen, wie Recherchen unserer Redaktion ergaben. Nur ausführen konnte sie den Auftrag zunächst nicht. Denn dafür brauchte es die passende Diagnose-Software vom Hersteller Rheinmetall Landsysteme. 

Doch der frisch in den Dax eingezogene Konzern wollte das sogenannte DAS-Prüfsystem nicht herausrücken, wie aus einer Mitteilung des Bundeskartellamtes hervorgeht. Die offenkundige Überlegung von Rheinmetall: Wird die Software nicht herausgegeben, kann kein anderes Unternehmen den GTK Boxer warten, reparieren oder instandsetzen. 

Flensburger Fahrzeuggesellschaft kann ohne Rheinmetall ihren Job nicht machen

Doch die FFG nahm den Kampf auf und holte sich die Wettbewerbshüter vom Bundeskartellamt zur Hilfe. Die erkannten bei Rheinmetall ein missbräuchliches Verhalten und forderten, dass der Konzern aus Düsseldorf den Flensburgern ein verbindliches und angemessenes Angebot für das Prüfsystem macht. 

„Entscheidend ist hierbei, dass Rheinmetall in dieser Hinsicht marktbeherrschend ist”, erläuterte ein Sprecher auf Nachfrage unserer Redaktion. National gebe es keine anderen Anbieter von Sonderwerkzeugen für den Radpanzer. Entsprechend streng müsse auch das Verhalten Rheinmetalls geprüft werden.

So konnten die Flensburger die Rheinmetall-Blockade umgehen

Immerhin: Während sich das Missbrauchsverfahren über Jahre hinzog, schufen sich die Flensburger bereits andernorts Abhilfe. Die bundeseigene Heeresinstandsetzungslogistik, die den Auftrag erteilte, hatte selbst das benötigte Prüfsystem ebenfalls und verlieh es nach Flensburg, damit dort vernünftig gearbeitet werden konnte. Damit hätte es das Bundeskartellamt für diesen Fall vorerst gar nicht gebraucht.

Rheinmetall selbst antwortet auf Anfrage, das DAS-Prüfsystem habe man nicht liefern können, weil es gerade erneuert werden musste. „Erst im laufenden Verfahren wurde die Entwicklung eines neuen DAS-Prüfsystems abgeschlossen und durch die öffentlichen Auftraggeber freigegeben.” Und nach der Einigung unter Aufsicht des Kartellamtes wurde das System den Flensburgern dann auch zur Verfügung gestellt.

Flensburger Fahrzeuggesellschaft und Rheinmetall: Wettbewerb bei Panzerfahrzeugen ist wichtig

Für die Behörde eine klare Stärkung des Wettbewerbsprinzips in einem sensiblen Bereich, wie Präsident Andreas Mundt in einer Mitteilung zitiert wird. „Für die Bundeswehr als Kundin ist es sehr wichtig, bei der Wartung ihrer Fahrzeuge im Sinn einer wirtschaftlichen Vergabe möglichst viel Auswahl zu haben.” Zugleich kündigten die Wettbewerbshüter an, „den Markt für die Instandsetzung von gepanzerten Fahrzeugen weiterhin aufmerksam beobachten“.

Die FFG aus Flensburg darf sich in dieser Frage als Gewinner fühlen, hält sich in der Bewertung und Kommentierung des Verfahrens allerdings vornehm zurück: „Wir begrüßen das Urteil und gehen davon aus, dass Rheinmetall uns auch zukünftig bei Bedarf beliefert”, sagt Thorsten Peter, Vertriebsleiter für Wehrtechnik unserer Redaktion.

Warum auch Kiel von der Entscheidung des Bundeskartellamts profitieren könnte

Und Rheinmetall? Dem Aktienkurs hatte die Bekanntmachung des Kartellamtes zur Einstellung des Missbrauchsverfahrens einen kleinen Dämpfer verpasst. Für einen Stopp des aktuellen Höhenfluges reicht das aber noch lange nicht, die Auftragslage ist auf einem Rekordhoch. Die 100 neuen Radpanzer, die von der australischen Tochterfirma kommen sollen, sind dabei nur ein weiteres Indiz.

Einer der Profiteure könnte dabei eine andere Stadt im hohen Norden sein. In Kiel, wo der GTK Boxer, aber auch der Schützenpanzer Puma entwickelt wurde, sollen laut Unternehmen 100 neue Arbeitsplätze für Ingenieure, IT-Spezialisten und Facharbeiter besetzt werden.

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