Alkohol und Cannabis

Wie ein „Nö“ von Daniel Günther Legalisierungs-Befürworter auf die Palme bringt

Wie ein „Nö“ von Daniel Günther Legalisierungs-Befürworter auf die Palme bringt

Wie ein „Nö“ von Daniel Günther Legalisierungs-Befürworter auf die Palme bringt

SHZ
Flensburg
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Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Spitzenkandidat seiner Partei, steht nach Bekanntgaben der ersten Prognosen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein bei der Wahlparty auf der Bühne und lacht. Foto: Christian Charisius Foto: 90037

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Ein Reporter fragt Günther, ob er nach der Wahlparty wieder nüchtern sei. Die Antwort bringt jedoch Befürworter einer Cannabis-Legalisierung und Alkohol-Gegner in Rage. Ein Kommentar.

Die Situation ist nur ein paar Sekunden lang. „Na, schon wieder nüchtern?“ fragt eine Reporterin aus dem Hintergrund bei einem Auftritt von Wahlsieger und Ministerpräsident Daniel Günther am Montag in Berlin. Ein verschmitztes Grinsen und ein nordisch-trockenes „Nö“ waren die Antwort. Der Wahlsieger scherzte: „Zumindest noch nicht vollständig.“ Kichern in der Runde.

Schnell lag der Fokus mit ein wenig Rest-Promille im Blut dann voll auf der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag. Gemeinsam mit seinem Amtskollegen Hendrik Wüst trat Günther vor die Kameras. Zuvor sprach Günther mit der CDU-Spitze.

Der Erfolg in Schleswig-Holstein, bei dem die CDU mit 43,3 Prozent ein historisch starkes Ergebnis einfuhr, war offenbar Anlass für das ein oder andere Bier am Wahlabend. Der Wahlsieg soll dem NRW-Wahlkampf noch einmal Rückenwind geben.

Den kleinen Videoschnipsel veröffentlichte die ARD auf Twitter.


Man könnte jetzt darüber schmunzeln und sich mit Daniel Günther über seinen Erfolg freuen – egal, ob man ihn gewählt hat oder nicht.

Man könnte es für eine menschliche, ja eine sympathische Reaktion halten, die der gebürtige Kieler dort gezeigt hat. Denn auch ein Ministerpräsident ist ein Mensch, der mal etwas trinken und einen beruflichen Erfolg feiern darf. Und so finden sich einige Kommentare, die die Worte „sympathisch“ und „authentisch“ enthalten und einer nennt Günther eine „coole Socke“.

Kritik an medialem Alkoholkonsum

Man darf ihn allerdings auch kritisieren. Denn unter dem Twitter-Beitrag wird Günther auch scharf angegriffen. Da ist von „Alkoholmissbrauch beim Landesvater“ die Rede. Jemand schreibt, ob man nur mit Alkohol feiern könne. Dass „übers Saufen fein gewitzelt“ werde, während Menschen wegen Besitz von Marihuana das Leben ruiniert bekämen.


Ein anderer kommentiert, dass es „unangebracht“ sei, ein Nervengift medial zu verharmlosen, an dessen Folgen mehr als 70.000 Menschen jedes Jahr in Deutschland sterben würden. Auch hier fällt der Satz: „Wer Cannabis-Konsument*innen verfolgt, aber Alkohol glorifiziert, macht sich unglaubwürdig.“

Günther gegen Cannabis-Legalisierung

Tatsächlich spricht sich Daniel Günther immer wieder gegen eine Legalisierung aus. Es gebe schon genug Probleme mit legalen Drogen, ein Verbot sei ein Signal an junge Menschen, dass auch weiche Drogen nicht zu verharmlosen seien, sagte er zum Beispiel Ende Januar 2020 bei einem „Speed-Dating“ mit Schülern in Eckernförde. 2015 nannte er einen Vorstoß zur Legalisierung ein „verheerendes Signal“.

Tatsächlich konsumieren laut Bundesgesundheitsministerium 6,7 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Etwa 1,6 Millionen Menschen dieser Altersgruppe gelten als alkoholabhängig. Zudem ist missbräuchlicher Alkohol einer der wesentlichen Risikofaktoren für zahlreiche chronische Erkrankungen und für Unfälle. Die volkswirtschaftlichen Kosten durch Alkohol betragen rund 57 Milliarden Euro pro Jahr.

Übertriebene Reaktionen?

Ja, in unserer Gesellschaft herrscht eine weit verbreitete unkritisch positive Einstellung zum Alkohol vor, wie man auch an dem kurzen Videoschnipsel sehen kann. Und es gibt in der Tag nichts nervigeres als die Frage auf einer Party beantworten zu müssen: „Warum trinkst du nicht? Schlecht drauf?“.

Letztlich ist es eine freie Entscheidung, ob man eine legale Droge konsumieren möchte – oder nicht. So wird es auch nach einer wahrscheinlichen Marihuana-Legalisierung sein.

Doch hier im Internet, wo jeder anonym kritisieren darf, wird ein Fass aufgemacht, weil ein Politiker offenbar Alkohol konsumiert hat. Hier einen Missbrauch zu unterstellen, ist übertrieben. Letztlich ist allein die Frage des Reporters unpassend gewesen. Sie gehörte dort nicht hin. Die Antwort von Günther war spontan.

Ja, Alkohol ist schädlich. Selbst in Maßen. Aber: Auch Zucker ist schädlich. Zu viel Fett ist schädlich. Rauchen ist schädlich. Leben ist schädlich.

Hätte Twitter auch so reagiert, hätte Günther am Kuchenbuffet über die Stränge geschlagen? Vielleicht sorgt eine Legalisierung tatsächlich für mehr Entspannung im Netz. Denn egal was wir tun oder nicht tun: Aus diesem Leben kommt ohnehin niemand von uns lebend wieder raus.

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