Coronavirus

Wie sich Barbara Schwaner-Heitmann selbst um Hilfe bei Long-Covid kümmert

Wie sich Barbara Schwaner-Heitmann selbst um Hilfe bei Long-Covid kümmert

Eine Betroffene kümmert sich selbst um Hilfe bei Long-Covid

Antje Walther, shz.de
Harrislee
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Barbara Schwaner-Heitmann lässt nichts unversucht, die Symptome in den Griff zu bekommen. Foto: Antje Walther/shz.de

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Hausärzte konnten bei der promovierten Erziehungswissenschaftlerin aus Harrislee keinen Befund für ihre Beschwerden nach einer Corona-Infektion finden. Sie hat ihre Behandlung selbst in die Hand genommen.

Dr. Eckart von Hirschhausen spricht in seiner aktuellen ARD-Dokumentation über Long Covid von Menschen, die nach einer Corona-Infektion „einfach nicht mehr gesund werden“. Der prominente Arzt nennt, was folgt, eine „Pandemie der Unbehandelten“. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht es „definitiv“ genauso, denn „wir haben ja keine Behandlung für Long Covid“. Der Expertenrat habe darauf hingewiesen, dass daraus eine neue Volkskrankheit werden könnte. Zudem handele es sich um eine organische Erkrankung, „nicht, wie oft vorgetragen werde“, um eine „psychosomatische“, betont Lauterbach.

Verschiedene Quellen schätzen, dass jeder Zehnte, der eine Covid-19-Erkrankung hatte, unter Long Covid leidet. Barbara Schwaner-Heitmann zählt dazu. Die 79-jährige Harrisleerin ist promovierte Erziehungswissenschaftlerin, hat 40 Jahre lang im Hochschuldienst in Flensburg gearbeitet und 20 Jahre lang davon den Gesundheitsstudiengang mit aufgebaut.

Derzeit recherchiert sie wieder wissenschaftlich, und zwar in eigener beziehungsweise in der Sache von hunderttausenden Leidensgenossinnen. „Als ich mich im Bekanntenkreis umhörte, traf ich erstaunlich viele Menschen, die, mit ähnlichen Symptomen wie ich sie habe, keine oder keine angepasste Hilfe erhalten“, beobachtet Barbara Schwaner-Heitmann.

Weder die Impfungen noch die eigentliche Infektion habe bei ihr Krankheitssymptome ausgelöst, erinnert sich die Pensionärin. Anfang Juli habe sie sich mit dem Corona-Virus infiziert und war sechs Tage lang positiv. Einen Tag vor dem ersten wieder negativen Corona-Test habe sie eine ungewöhnlich niedrige Körpertemperatur von 34,5 Grad Celsius gehabt, berichtet sie.

Heiße Füße, Herzrasen, Konzentrationsschwierigkeiten

Kurz nach der überstandenen Infektion verreiste die Harrisleerin mit ihrem Mann nach Teneriffa. Dort tauchten die ersten Beschwerden auf. „Ich wachte nachts auf und war heiß am ganzen Körper“, beschreibt Schwaner-Heitmann. Ihre Beine und Füße fühlten sich an, als würde sie „auf glühenden Kohlen“ stehen. „Mein Herz raste, als würde es explodieren, es war völlig aus dem Rhythmus.“ An der weißen Wand sah sie schwarze Punkte, wo keine waren.

Im gut organisierten Krankenhaus auf der Insel behandelte man sie mit einem Medikamenten-Cocktail, erzählt die 79-Jährige. Zurück zu Hause treten die nächtlichen Anfälle seither immer wieder auf, gehen mit Übelkeit und Schlafmangel einher. Die schlanke Frau hat fünf Kilogramm abgenommen und einen „brennenden Durst“ entwickelt. Auch Konzentrationsschwierigkeiten stellten sich ein.

Kein Befund – ergo: Long Covid

Mit schwankendem Blutdruck, sensorischen Störungen und Herz-Kreislauf-Problemen konsultierte sie mehrere Ärzte. Nachdem vom einen Hausarzt die Empfehlung kam, eine psychosomatische Klinik aufzusuchen, wandte sich die Patientin an einen weiteren Arzt. Doch auch nach großem Blutbild, Langzeit-EKG, Augen-, kardiologischer und neurologischer Untersuchung sowie MRT ergab sich kein Befund. Ein Harrisleer Mediziner hatte angesichts der symptomatischen Gemengelage den richtigen Riecher und sagte: „Du brauchst nicht weiterzureden – das ist Long Covid.“ Seither beschäftige sie sich mit dem Thema, sagt Schwaner-Heitmann.

Ihr Mann hatte sich kurz vor ihr mit Corona infiziert, zwei Tage lang mit hohem Fieber zu kämpfen und erholte sich danach wieder leidlich. Das Paar ist gesellschaftlich sehr aktiv und liebt Bewegung: Holger Heitmann war bis März Vorsitzender der Flensburger Sektion des Deutschen Alpenvereins und ist in den letzten zwei Jahrzehnten auf mehr als 20 Fünftausender und Sechstausender gestiegen. Sie war früher Leistungssportlerin. Beide wandern regelmäßig in der Natur.

Auf viele Aktivitäten müsse sie derzeit verzichten, bedauert die Harrisleerin. „Ich versuche alle Unterstützung zu geben, aber man kann es nicht“, klagt ihr Mann und fühlt sich mitunter hilflos. Ähnlich wie die Ärzte.

Long Covid bleibe schwierig, weil es sich aus einem ganzen Strauß an Symptomen zusammensetze, sagt Prof. Dr. Thomas Bahmer und nennt beispielhaft Fatigue, Erschöpfung und reduzierte Belastbarkeit. Er ist Internist und Pneumologe der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel. Ein Team um den Mediziner hat untersucht, welche Faktoren zu einem „Post-Covid-Syndrom“ (PCS) beitragen und wie viele Menschen betroffen sind.

In der COVIDOM-Studie zu den Langzeitfolgen von Corona hat die Forschungsgruppe ein Klassifikationssystem und zwei Risikofaktoren für die Entstehung des PCS gefunden. An der Studie sind auch das Universitätsklinikum Würzburg und die Charité Universitätsmedizin in Berlin beteiligt.

Bahmer und sein Team haben in einem ersten Schritt die Daten von 1400 Personen nach einer überstandenen Infektion ausgewertet. Mithilfe des Klassifikationssystems (PCS-Score) beruhend auf zwölf Fragen wurden Vorliegen und Schweregrad erfasst und in ein Schema eingeordnet. Inzwischen habe die Probandenzahl (sowohl symptomatische als auch asymptomatische) die 3000 überschritten, berichtet Prof. Bahmer und ergänzt, dass weiterhin rekrutiert werde.

Die Idee der Studie sei, dass man ein Werkzeug an die Hand bekomme, um „die Breite des PCS zu erfassen und den einzelnen Symptomen einen Wert beizumessen“, erklärt Bahmer. Mit Hilfe eines Scores wiederum, hofft er, den Verlauf messen zu können und Medikamenten-Studien den Weg zu ebnen. Eine gute Definition sei die Voraussetzung für eine gute Behandlung.

Je schwerer die Symptome, desto länger halten sie an

Eine Erkenntnis mag naheliegen, sagt der Arzt, aber er hält sie für bedeutsam: „Je mehr und schwerere Symptome in der Akutphase auftreten, desto länger halten die Symptome an.“ Für die Behandlung bedeute dies, dass man die Viruslast in der Akutphase senken müsse. Dafür käme das antivirale Paxlovid in Frage, „mit dem meines Erachtens zu sparsam umgegangen wird“, sagt Thomas Bahmer.

Risikofaktor Resilienz

Als weiteren Risikofaktor benennt Bahmer die Resilienz eines Menschen: „Eine gewisse Psychohygiene und psychosoziale Belastungsfaktoren spielen eine Rolle“. Das bedeute aber nicht, „dass das eingebildete Symptome sind“.  Insbesondere seien Menschen gefährdet, die ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krisen als gering bewerten.

Ebenso spiele der Faktor Zeit eine Rolle, sagt der Mediziner, weshalb man die Teilnehmer nach einem Jahr erneut einlade. Dass die Situation unbefriedigend für Ärzte und Patienten sei, sieht er auch so. Er hält Interventionsstudien für angezeigt, um herauszufinden, was man machen müsse, damit es Patienten besser geht.

Was hilft?

Auch aus der von Hirschhausen-Doku geht hervor: Evidenzbasierte Therapien gebe es nicht, die Forschung dazu werde völlig vernachlässigt, kritisiert Barbara Schwaner-Heitmann. Sie hat bei ihrer Recherche lediglich ein „multimodales Konzept der Reha“ gefunden mit individueller Bewegungstherapie sowie verhaltens- und psychotherapeutischen Elementen.

Sie selbst hat sich an ihre erste Begegnung mit traditioneller chinesischer Medizin (TCM) vor 20 Jahren erinnert und in Glücksburg einen Arzt gefunden, der sowohl die Schulmedizin kennt als auch die TCM. Auch der Bioresonanztherapie aus der Naturheilkunde und einer Heilpraktikerin, die sich auf Long-Covid-Patienten spezialisiert, hat sie sich anvertraut. Schließlich hat sie ihre Ernährung umgestellt mit Hilfe des „Rüstzeugs zur Stärkung der eigenen Ressourcen im Zusammenhang mit Long-Covid“ der promovierten Ernährungswissenschaftlerin Claudia Nichterl aus Österreich.

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