Nach den Waldbränden

Wie sieht der resiliente Wald der Zukunft aus?

Wie sieht der resiliente Wald der Zukunft aus?

Wie sieht der resiliente Wald der Zukunft aus?

Christiane Schulzki-Haddouti/shz.de
Deutschland
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Waldbrände in Nordsachsen Foto: dpa/shz.de

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Nach den Waldbränden stellt sich die Frage, wie Wälder so umgebaut werden können, dass sie im Zuge des Klimawandels Hitze, Trockenheit und Brände besser aushalten. Experten sehen hier sogar eine neue Zukunft für die Kiefer.

Steht man zwischen den schwarzen Stämmen eines abgebrannten Kiefernhains in Brandenburg, versagt schnell die Fantasie. Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie hier in wenigen Jahren ein neuer Wald entstehen könnte: ein Wald, der häufigere Dürreperioden besser aushält. Ein Wald, in dem sich Feuer nicht so schnell ausbreiten kann. Ein Wald der Zukunft, der möglichst viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre zieht, Wasser speichert und Raum für viele Tier- und Pflanzenarten bietet.

In den vergangenen Wochen haben Brände in der Sächsischen Schweiz und Brandenburg große Waldflächen zerstört. Noch nie brannten in Deutschland so viele Wälder so früh wie in diesem Jahr. Waldbesitzer rechnen mit Schäden „bislang unerreichten Ausmaßes“, berichtet die Wirtschaftswoche. Inzwischen hat sich die Lage leicht entspannt.

Da Brände in der Regel durch Fahrlässigkeit entstehen, sind Schutzzonen entlang Wegen, Bahnlinien und Siedlungen wichtig. Hier muss das brennbare Material so behandelt werden, dass es weniger brennbar ist, um „die Brandlast zu reduzieren“, wie Marcus Lindner vom European Forest Institute (EFI) in Bonn sagt. Entlang der Wege kann sich das Feuer dann weniger schnell ausbreiten und die Feuerwehr hat leichter Zugang. Ähnlich wichtig sind auch technische Maßnahmen wie Schneisen und Waldbrandriegel, die die Ausbreitung von Bränden verlangsamen können.

Hat die Fichte ausgedient?

Nicht nur Waldbrände, auch Dürre und Borkenkäfer setzen dem deutschen Wald zu: In den Dürrejahren von 2018 bis 2020 richtete der Borkenkäfer in vielen Fichtenbeständen große Schäden an. Die Bäume konnten sich durch die Dürre kaum noch gegen den Schädling zur Wehr setzen. Dass die Fichten in der Regel in Monokulturen angepflanzt wurden, erleichterte den Käfern die Fortpflanzung, die für die Bäume fatal sein kann. Als Flachwurzler sind die Fichten an Trockenheit nicht gut angepasst – sie stammen aus der kaltgemäßigten Klimazone Skandinaviens und wachsen gerne in einigem Abstand zu anderen Bäumen.

Doch auch heimische Baumarten wie Kiefer, Buche und Eiche kamen mit der Dürre nicht gut zurecht. Vier Fünftel aller Bäume in deutschen Wäldern wurden in den Dürrejahren 2018 bis 2020 geschädigt, stellt die aktuelle Waldzustandserhebung fest. Drei Prozent der Waldfläche in Deutschland gelten sogar als „Totalverlust“. Zwar konnten sich laut dem Dürremonitor die Oberböden im feuchteren Jahr 2021 erholen, doch das Jahr 2022 ist erneut zu trocken. Es bräuchte mehrere feuchte Jahre in Folge, damit auch die tieferen Bodenschichten, in denen viele Bäume wurzeln, wieder ausreichend mit Wasser versorgt werden.

Wie sieht der resiliente Wald aus?

Ob und wie eine Baumart an einzelnen Standorten erneut angepflanzt wird, entscheidet nicht nur ein Waldbrand, sondern der Blick der Fachleute darauf, wie sich der Wald in den vergangenen Jahren entwickelt hat – und welches Leitbild man bei der Regenerierung verfolgt.

„Resiliente Wälder“, erklärt Marcus Lindner mit Blick auf Monokulturen, „sind grundsätzlich standortangepasste, gemischte Wälder, die idealerweise ein echtes Wald-Innenklima besitzen und somit dunkler, feuchter, kühler und windstiller sind.“ Aktuelle Waldbaukonzepte setzen daher auf Mischwald mit mehr Laubbaumarten, die gut mit Trockenheit zurechtkommen. „Solche Mischbestände senken mittelfristig die Waldbrandgefahr“, sagt Lindner.

Johann Goldammer vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz macht hinter diese Aussage jedoch ein Fragezeichen. Er verweist darauf, dass die positive Bewertung auf den Erfahrungen mit Laubwäldern im bisherigen gemäßigten Klima beruht. So wird aber die Zukunft nicht bleiben. In den vergangenen Dürrejahren hatten auch flachwurzelnde Buchenwälder deutlich unter der Dürre gelitten: 55 Prozent aller Buchenbestände zeigen deutlich verlichtete Kronen. Ganze Bäume starben ab, Blätter und Äste wurden in der Trockenheit abgeworfen. Weil dann mehr Licht auf den Waldboden dringt, und mit dem stärkeren Wind mehr Sauerstoff, erhöht sich auch die Brennbereitschaft des Bodens.

Totholz richtig managen

Was unterstützt den Wald, dass er besser Dürre und Feuer widerstehen kann? Totholz spielt hier eine wichtige Rolle, doch über den Umgang mit Totholz bestehen unterschiedliche Auffassungen. Lindner sagt: „Es sollte im Bestand abseits der Wege belassen werden, damit vermehrt Kohlenstoff und Wasser auf und im Boden gespeichert wird.“ Das fördere nicht nur die Waldverjüngung, sondern spiele auch bei Waldbränden eine wichtige Rolle: Das Feuer breite sich nicht nur schlechter aus, der Wald könne sich danach auch von allein besser wieder erholen.

Johann Goldammer, der auch Leiter des Global Fire Monitoring Centre (GFCM) in Freiburg ist, will das so pauschal nicht unterschreiben. Denn auch in naturnahen Wäldern können nach langen Dürreperioden abgestorbene Äste, Zweige oder zusammengebrochene Stämme zwischen Boden und dem Kronenraum Feuerbrücken bilden, warnt er. Diese ermöglichen den Übergang des Bodenfeuers in ein Kronenfeuer und damit in ein Vollfeuer. Die Gefahr sei besonders hoch bei Nadelholzbeständen, die keiner intensiven Bewirtschaftung mehr unterliegen. Das heißt genau dort, wo auch viel Totholz anfällt und liegenbleibt. Die Brände könnten dann zu einem Totalverlust des Waldes führen.

Jede Biomasse wird Brennmaterial

Goldammer und Lindner stimmen jedoch überein, dass es auf den richtigen Umgang mit dem unvermeidbaren Totholz ankommt: Wenn einzelne Bäume gefällt werden, sollte deren Holz schnell abtransportiert werden und nicht entlang der Wege liegen bleiben. Denn dort ist das Mikroklima wärmer und weniger feucht.

Gerade das in Dürren ausgetrocknete Totholz beschleunigt nicht nur Brände, sondern kann noch lange nach dem offenen Waldbrand Glutherde bergen. Die hohen Bodentemperaturen schädigen dann womöglich die Stammfüße der Bäume. Dennoch plädiert Lindner für den naturnahen Wald. Lange Dürren würden „alle Biomasse zu Brennmaterial“ verwandeln – und dennoch brenne es im naturnahen Wald weniger intensiv.

Neue, alte Kiefernwälder

Zudem kommt es stark auf die Baumarten an, weil sie auf Dürre und Brände jeweils anders reagieren. Während sich Buchen gegenüber Bodenfeuern empfindlich zeigten, haben sich ältere Eichenbestände als resilient erwiesen. Auch ältere Kiefernbestände zeigen Widerstandskraft, doch nur wenn sie intensiv bewirtschaftet wurden, betont Johann Goldammer. Dazu gehört es Totholz zu entfernen und den Wald zu „durchforsten“.

Goldammer hat jedoch eine Lösung im Sinn, mit der das Durchforsten mit dem Konzept des naturnahen Waldes verbunden werden kann. Kiefern spielen hier eine besondere Rolle: Wälder könnten mit diesen Nadelbäumen aufgeforstet und zunehmend mit Totholz belastet werden. Über die Jahre würden sie sich so in feuerresiliente Wälder verwandeln, in denen die Bäume mit sehr viel größerem Abstand zueinanderstehen.

Am Ende würden die Bäume wie natürliche Kiefernwaldgesellschaften der sogenannten, hellen Taiga „eine wichtige Rolle bei der Waldbrand-Bekämpfung spielen. Dort beeinflussten Blitzschlagfeuer die offenen Lichtwälder von Lärchen und Kiefern über Jahrhunderte. Im Ergebnis verankern sich wenige Bäume mit Pfahlwurzeln tief im Boden und kommen so auch in Dürrezeiten noch an Wasser. Weil sie in großem Abstand zueinander wachsen, können sich Feuer nicht mehr rasch verbreiten.

Solche Bestände, sagt Goldammer, könnten als Waldbrandriegel dienen und damit Nachbarbestände absichern. Diese Bestände wiederum seien in der Lage, als naturnahe Wälder den Artenbestand zu sichern und mit Totholz als CO2-Senken zu fungieren.

Waldbrände präventiv zu bekämpfen, könnte den Weg in die Zukunft eröffnen. Zum einen lassen sich Wälder so strukturieren, dass Brände lokal begrenzt bleiben. Zum anderen können Forstfachleute verschiedene Arten von Wäldern aufbauen, die unterschiedliche Aufgaben übernehmen: als Sperrriegel, als Arten- und Klimaschutzgebiet – und als Lieferant für die Bioökonomie.

Keine sicher Strategie

Doch eine sichere Wald-Strategie gibt es nicht. In Ostdeutschland etwa stirbt auch die Kiefer, da die tiefen Bodenschichten sehr trocken geworden sind. Waldökologe Christian Ammer von der Georg-August-Universität Göttingen sagt daher, dass die Bäume, die jetzt gepflanzt werden, mit wärmerem Klima und deutlich trockeneren Sommern besser zurechtkommen sollten.

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