Dokumentarfilm

Wieviel Bauboom verträgt eine Insel? Eine Frage, die auch Sylter bewegt

Wieviel Bauboom verträgt eine Insel? Eine Frage, die auch Sylter bewegt

Wieviel Bauboom verträgt eine Insel?

Oliver Sippel, shz.de
Sylt
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Skatepark-Aktivist Thomas Urmersbach schaut sich die Grußworte von Regisseur Christoph Eder an. Wegen des Bahnstreiks konnte dieser leider nicht persönlich vor Ort sein. Foto: Sylt Connected/Sippel

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100 Gäste sahen am Samstagabend den Dokumentarfilm „Wem gehört mein Dorf?“ in der Kinowelt Westerland und die Parallelen waren unübersehbar.

Eine Frage, die sich dieser Tage auch viele Sylter stellen, bewegte am Sonnabend rund 100 Besucher der Kinowelt Westerland: „Wem gehört mein Dorf?“, wollte der Rügener Regisseur Christoph Eder wissen und zeigte in seinem Film die jüngsten Entwicklungen in seiner Heimat, dem Ostseebad Göhren auf Rügen.

Die „Vier von der Stange“

Großinvestor Wilfried Horst hat so viele Hotels und Ferienhäuser in Göhren gebaut, wie kein anderer. Jeder seiner Bauanträge wird im Namen des wirtschaftlichen Fortschrittes von vier Gemeindevertretern durchgewunken, im Dorf nennt man sie die „Vier von der Stange“. Der Bürgermeister und die übrigen Gemeindevertreter stehen dem machtlos gegenüber, werden mit Unterlassungsklagen mundtot gemacht. Beim Zuschauer entsteht das gleiche Gefühl, von dem schon der Regisseur berichtet: „Das mulmige Gefühl, dass hier irgendetwas schiefläuft.“

Liebeserklärung an die Demokratie

Als es darum geht, im Naturschutzgebiet zu bauen, formiert sich endlich eine Gegenbewegung. Aktivistin Nadine und ihre Mitstreiter treten bei der Kommunalwahl an, um die Entwicklung zu stoppen. Ohne das Ende vorwegzunehmen, entwickelt sich dieser Film auch zu einer Liebeserklärung an die Demokratie und macht Lust, sich für das Wohl seines Heimatdorfes zu engagieren.


Wie es viele der an diesem Abend anwesenden Zuschauer bereits tun: Unter den Besuchern waren auch Unterstützer der Sylter Bürgerbewegung „Merret reicht’s“, allen voran ihre Gründerin Birte Wieda. Ob sie Parallelen zur Insel sieht? „Gegen derartige Investoren kämpfen wir auf Sylt seit Jahrzehnten“, bestätigt sie und zeigt in Richtung Kurzentrum. Seit Ende der 1960er-Jahre überragen die Appartementblocks dort sämtliche Bauwerke der Insel. Die Stuttgarter Baufirma Bense stieß später beim Bauprojekt „Atlantis“ auf ähnlichen Widerstand wie den im Film gezeigten und musste am Ende aufgeben.


Auch heute noch sehen viele der Zuschauer einen anhaltenden Bauboom auf Sylt. Konkrete Namen und Projekte mag an diesem Abend niemand nennen, aber alle Andeutungen zeigen in dieselbe Richtung. „Wo ist denn das Göhren von Sylt?“, fragt eine Zuschauerin. „Man muss doch nur schauen, wo alle großen Bauprojekte durchgewunken werden.“ Als Beispiel erinnert sie an die geplante Klinik aus dem Film: Durch einen Anruf beim Wirtschaftsministerium wird diese als Wellnesshotel entlarvt.

Regisseur Eder zeigt Parallelen zu Sylt auf

Für Regisseur Eder zeigen sich die Parallelen vor allem in den sozialen Strukturen: Wie in Gören zerfallen diese auch auf Sylt nach und nach: „Das zeigt sich an der nicht mehr vorhandenen Geburtsstation oder daran, dass alle Vereine zunehmend Nachwuchsprobleme haben.“ Ein positives Beispiel kann Göhren aber auch liefern: „Der Skatepark, für dessen Bau wir uns eingesetzt haben, ist eine nachhaltige Investition, vereint Touristen und Einwohner und stiftet Identität.“ Kein Wunder, dass die Sylter Skatepark-Aktivisten Thomas Urmersbach und Gernot Westendorf maßgeblich dazu beigetragen haben, dass der Film auf Sylt gezeigt wurde.

Weiterlesen: Göhren - das Dorf, der Investor und der Widerstand

Gegen Ende des Films schwört der neugewählte Bürgermeister noch, der nächsten Generation ein lebenswertes Göhren zu hinterlassen. Diese Worte haben besonders eine der jüngeren Zuschauerinnen sehr bewegt: „Eine solche Aussage wünsche ich mir auch von den Bürgervertretern der Inselgemeinden.“

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