Energiewende

Windrad-Abstände in Schleswig-Holstein drohen zu schrumpfen

Windrad-Abstände in Schleswig-Holstein drohen zu schrumpfen

Windrad-Abstände in Schleswig-Holstein drohen zu schrumpfen

Henning Baethge/shz.de
Schleswig-Holstein
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Windräder in Schleswig-Holstein: Die Mindestabstände zu Wohnhäusernkönnten künftig in vielen Fällen kleiner werden. Foto: Imago/C. Kaiser

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Dürfen in Schleswig-Holstein bald 200 Meter hohe Anlagen in nur 400 Meter Entfernung von Häusern stehen? Was Politiker und Kritiker im Land dazu sagen.

Wegen der neuen Windkraftpläne des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck drohen in Schleswig-Holstein in vielen Fällen die vorgeschriebenen Mindestabstände zwischen Windrädern und Wohnhäusern kleiner zu werden.

Grund ist eine spezielle Regelung in Habecks Entwurf für ein Wind-an-Land-Gesetz: Sie sieht vor, dass Bundesländer zwar Abstandsregeln aufstellen dürfen, sofern sie genug Windkraftgebiete ausweisen – diese Regeln aber in diesen Gebieten nicht greifen. „Wenn die Mindestabstände in eine für die Windenergie ausgewiesene Fläche hineinragen, gelten sie nicht“, heißt es in einem Erläuterungspapier zu Habecks Gesetzentwurf.

Für Schleswig-Holstein ist das ein Problem. Denn dann fiele eine von drei Vorschriften weg, die bisher für genug Distanz zwischen Windrädern und Häusern sorgen sollen.

Die 5H-3H-Regel steht im Norden vor dem Aus

Hierzulande müssen die Grenzen neuer Windkraftgebiete, in denen bisher kein Windrad stand, in 1000 Meter Abstand zu Wohnsiedlungen verlaufen und in 500 Metern zu Häusern im Außenbereich. Bei Gebieten mit bereits bestehenden Anlagen – und das sind im Land die meisten – müssen es nur 800 Meter und 400 Meter sein. Gleichzeitig dürfen neue Anlagen auch hier nur dann entstehen, wenn sie einen Abstand von ihrer fünffachen Höhe zu Wohnsiedlungen haben und ihrer dreifachen Höhe zu Einzelhäusern.

Weil moderne Windräder rund 200 Meter hoch sind, bedeutet das de facto ebenfalls 1000 Meter beziehungsweise 500 Meter Mindestabstand. Doch diese sogenannte 5H-3H-Regel steht nun wegen Habecks Gesetzentwurf vor dem Aus.

200 Meter hohe Anlagen in nur 400 Meter Entfernung zu Häusern

Fiele sie weg, würde das bedeuten, dass 200 Meter hohe Anlagen künftig auch am Rand von Windkraft-Bestandsgebieten errichtet werden dürfen – und damit nur 800 oder sogar nur 400 Meter entfernt von Häusern. Noch sind so große Rotoren lediglich in der Mitte dieser Gebiete möglich, wo der Abstand zur Wohnbebauung größer ist.  

Von 51 Hektar Windkraftfläche sind in einem Fall nur 5 nutzbar

Laut Berechnung des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft können daher bislang von den für Windräder ausgewiesenen 2,0 Prozent der Landesfläche nur 1,25 genutzt werden. In einem Fall führt die 5H-3H-Regel nach Angaben des Windenergie-Bundesverbands BWE in Schleswig-Holstein sogar dazu, dass von einem 51 Hektar großen Windkraftgebiet nur 5 Hektar für moderne Anlagen zur Verfügung stehen. Der BWE verlangt daher schon länger einen Wegfall dieser besonderen Abstandsregel.

Die für die Windkraftplanung zuständige CDU-Landesinnenministerin Sabine Sütterlin-Waack wollte sich am Freitag nicht zu den Folgen von Habecks Plan äußern. Der grüne Kieler Energiestaatssekretär Tobias Goldschmidt geht davon aus, dass sich im Land gar nichts an den Abständen ändert: „Die Regelungen der bestehenden Regionalplanung haben weiter Bestand“, sagte er shz.de. Allerdings werde das Land noch zusätzliche Flächen ausweisen müssen.

Windkraftgegnerin Susanne Kirchhof kritisiert Daniel Günther

Dagegen schlagen die Windkraftgegner vom Verein Vernunftkraft Alarm: „Wenn das so kommt, widerspricht es dem, was Ministerpräsident Daniel Günther im Wahlkampf zugesagt hat“, kritisiert Vereinsvorsitzende Susanne Kirchhof: „Dass die Mindestabstände nicht angerührt werden.“

Auch die FDP im Landtag warnte davor, bestehendes Landesrecht bei den Abständen auszuhebeln und den in der Jamaika-Koalition „mühsam erreichten Kompromiss“ nun aufs Spiel zu setzen. „Stürmischer Gegenwind kann Windräder nämlich schnell stillstehen lassen“, gab ihr energiepolitischer Sprecher Oliver Kumbartzky zu bedenken. Er appellierte an die Union, in den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen „standhaft“ zu bleiben: „Die CDU darf nicht jetzt schon zum Umfaller werden.“

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