Hausärzte in SH

Worauf sich Patienten bei der hausärztlichen Versorgung einstellen müssen

Worauf sich Patienten bei der hausärztlichen Versorgung einstellen müssen

Wie sich die hausärztliche Versorgung verändert

Lilly Nielitz-Hart/shz.de
Leck
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Dr. Jens Lassen ist niedergelassener Hausarzt in Leck. Foto: Lilly Nielitz-Hart/shz.de

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Dr. Jens Lassen ist neuer Verbandschef der Hausärzte in Schleswig-Holstein. Wie Vorgänger Dr. Thomas Maurer kommt er aus Leck. Wenn Lassen Recht behält, müssen sich Patienten auf dem Land von bestimmten Vorstellungen verabschieden.

Der Mediziner aus Nordfriesland ist erst vor knapp zwei Wochen auf einer Mitgliederversammlung des Hausärzteverbands Schleswig-Holstein in Kiel an die Spitze gewählt worden. Der 40-Jährige praktiziert als niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin im Hausarztzentrum Leck. 

Nicht nur für ihn ist der Hausärztemangel im ländlichen Raum ein „Riesenthema“. In der Allgemeinmedizin sei ein Strukturwandel im Gange: „Die klassische Einzelpraxis wird in Zukunft nicht mehr das Versorgungsmodell auf dem Land sein“, sagt er. Stattdessen sieht Lassen einen Trend hin zu größeren Gemeinschaftspraxen an zentralen Orten. Für die Patienten auf dem Land bedeute dies in Zukunft wahrscheinlich längere Anfahrtswege und auch längere Wartezeiten.

Immer mehr Ärzte, die ihre Praxen in Nordfriesland aus Altergründen aufgeben müssen, fänden keine Nachfolger. Im Planungsbereich Husum gebe es schon seit längerem zehn offene Hausarztstellen, die nicht besetzt werden können. Momentan schulterten die noch vorhandenen Arztpraxen das Problem in einem täglichen Kraftakt, erklärt Lassen. In Südtondern sei die Lage noch etwas besser, aber für die Wiedingharde sieht es schlecht aus: in Neukirchen muss am 28. Oktober die letzte Praxis ihre Türen schließen.

Trübe Aussichten

Das Problem wird sich laut Lassen in den nächsten Jahren noch verschlimmern, wenn mehr und mehr Ärzte in Rente gehen. Verbände, Krankenkassen und Politiker müssten nun zusammenarbeiten, um dieses Problem zu lösen. Momentan gehe die Bedarfsplanung leider an der Realität vorbei. Federführend zuständig ist die Kassenärztliche Vereinigung. Für den Hausärzteverband ist Jens Lassen nach eigenen Angaben aktiv im Gedankenaustausch mit politischen Gremien und Krankenkassen beziehungsweise deren Verbänden. „Als Kernaufgabe sollte uns dies alle einen“, sagt Lassen, „wir benötigen hierfür alle gebündelten Kräfte.“

Lassen selbst stammt aus Braderup und arbeitete nach seinem Studium zunächst beim Universitätsklinikum Schleswig-Holstein am Campus Kiel und dann am St. Franziskus Hospital in Flensburg in der internistischen Intensivmedizin und Pneumologie. Seit 2019 führt er mit seinem Kollegen Dr. Thomas Maurer in Leck eine Gemeinschaftspraxis. Beide beschäftigen sechs weitere Ärzte in einem Angestelltenverhältnis.

Irgendwann habe er sich gefragt, wohin sein Weg führen soll, erklärt der 40-jährige Nordfriese. Er habe immer einen positiven Bezug zu seiner Heimat gehabt und gerne hier gelebt, erklärt Lassen. Es sei gar nicht zwingend so, dass Ärzte nach der Ausbildung nicht wieder in ihre Heimat zurückkehren wollten.

Junge Mediziner wollen keine eigene Praxis

Warum junge Ärzte sich nach dem Studium nicht mit einer Praxis selbständig machen wollen, habe oft ganz andere Gründe. Viele Berufsanfänger fühlten sich mit den finanziellen und verwaltungstechnischen Aufgaben einer Praxisgründung überfordert und würden lieber in einem Angestelltenverhältnis arbeiten. „Hier müssen die Rahmenbedingungen verbessert und die Niederlassung vereinfacht werden“, betont Lassen. Vorurteile über die Arbeitsbedingungen von Landärzten, wie zum Beispiel, dass man rund um die Uhr arbeiten müsse und nicht genug Geld verdiene, lägen weit von der Wirklichkeit entfernt.

Was Lassens Verband tun kann

Der Hausärzteverband setzt sich an dieser Stelle für die Aus- und Weiterbildung von jungen Ärzten ein. So organisiere man zum Beispiel Blockpraktiken, wenn jemand in eine Landarztpraxis hineinschnuppern möchte. Wenn jüngere Ärztinnen, die gleichzeitig Mütter sind, mehr Planungssicherheit bevorzugten oder unter Umständen nur eine Teilzeitstelle suchten, könnten sie dies als Angestellte in einer Gemeinschaftspraxis finden. Dort könne man zum Beispiel auch Notdienste untereinander aufteilen. „Da sind wir sehr flexibel“, sagt er.

Tatsächlich sei die Arbeit als Hausarzt „der schönste Beruf der Welt“, findet Lassen. Gleichzeitig bedauert er die fehlende Wertschätzung für den Berufszweig während der Coronakrise: Ohne die Hausärzte, ist er sich sicher, hätte man die Impfkampagne gar nicht bewältigen können.

„In den Beruf als Hausarzt verirrt sich niemand, weil ihm sonst nichts Besseres einfällt“, sagt er. Man sei als Allrounder gefordert und würde mit allen möglichen medizinischen Problemen konfrontiert. „Es ist ein sehr erfüllender Beruf“, erklärt Lassen, „mit vielen unendlich dankbaren Patientinnen und Patienten.“

Fachkräfte-Mangel

Um dem Mangel an Fachkräften zu begegnen, sei man dabei das Tätigkeitsfeld der Medizinischen Fachangestellen auszuweiten, die nach einer entsprechenden Fortbildung zum Beispiel Hausbesuche unternehmen können. Kurzfristig sieht Lassen bei der Aufstockung des Ärtzepersonals jedoch eher eine Verschlechterung der Lage: „Wir werden eher weniger als mehr“, prognostiziert er.

Patienten im ländlichen Raum bliebe letztlich nur, sich an weiter entfernt liegende Praxen zu wenden, die oft aber bereits selbst mehr Patienten hätten, als sie versorgen könnten. Da ältere Menschen, die nicht mehr mobil sind, generell öfter einen Arzt benötigen, müsse man in Gegenden wie der Wiedingharde, wo es keinen oder zu wenig Hausärzte gibt, zum Beispiel über Fahrdienste nachdenken. „Gemeinden und Lokalpolitiker werden sich neue Ideen einfallen lassen müssen, wie man Menschen zum Arzt bekommt“, sagt Lassen.

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