Meinung

Zeitumstellung: Weshalb die geklaute Stunde ein Geschenk ist

Zeitumstellung: Weshalb die geklaute Stunde ein Geschenk ist

Zeitumstellung: Weshalb die geklaute Stunde ein Geschenk ist

Marco Nehmer/shz.de
Flensburg
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Auf Winterzeit folgt Sommerzeit: Das kostet eine Stunde – aber die zahlt es zurück. Foto: Christoph Soeder

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Am Sonntag wird die Uhr von zwei auf drei gestellt. Das darf man bedauern – oder man feiert es als Vorboten des schönen Lebens. Wie der Kolumnist des shz.

Endlich wieder Zeitumstellung. Endlich wieder Zeit, um Stellung zu beziehen. Ein kleines Kunststück aus dem Wortspielkabinett von Dendemann, Hamburger Rap-Poet, an das ich in diesen Tagen denken muss, in denen es im Stechschritt eines Uhrwerks auf die nächste Zeitumstellung zugeht. Denn es steckt ja mehr als nur Sprachakrobatik dahinter, nämlich ein tieferer Sinn, eine Handlungsaufforderung: Stellung beziehen zur Zeitumstellung. In der Nacht auf Sonntag katapultiert sie uns Nordfriesen mal wieder von 2 auf 3 Uhr.

Eigentlich ist zu diesem Thema doch schon alles gesagt, mögen Sie einwenden, nur noch nicht von jedem. Und die Argumente, vor allem die dagegen, sind ja auch gründlich durchgekaut. Die Kurzform: Kostet uns im März eine Stunde, die wir dann im Oktober sinn- und zinslos zurückerstattet bekommen. Soll angeblich Strom sparen, Betonung auf angeblich. Macht nur Ärger, weil man fürs Programmieren der Backofenuhr einen Abschluss in Raketenwissenschaft braucht. Und ja, der Biorhythmus, die innere Uhr, völlig durcheinander, die Zeiger drehen frei. Schrecklich alles. Abschaffen.

Und jetzt komme ich und beziehe Stellung: Die Stunde, die uns nun geklaut wird, ist ein Geschenk. Okay, sie verkürzt das Wochenende. Aber dafür rückt das nächste doch eine Stunde näher, und damit – ich weiß, ich bin früh dran – auch der Sommer, das gute Leben, lange Abende an der golden schwappenden Nordsee, Sonne bis in die Puppen, nur dank Zeitumstellung wärmt sie auch noch nach der Tagesschau. Sonntag ist Sommerzeit – wie das schon klingt. Ein Wort, das ganze Grills entzünden kann, gedachte Strände füllt mit glücklichen Menschen, und von denen gibt es hier bei uns in Schleswig-Holstein doch angeblich besonders viele.

Die geklaute Stunde ist ja auch nicht weg, sie ist nur woanders. Vielleicht, wer weiß, da oben am Firmament als funkelnder Fleck in lauen Nächten. Vielleicht ist sie das Gesangbuch der Vögel, das Rascheln des seichten Winds in üppig belaubten Bäumen, bis sie im Herbst mit der Winterzeit zu uns zurückkehrt.

Vielleicht ist sie das alles auch einfach nur in meiner Fantasie, Produkt der pumpenden Müdigkeit, mit der ich am Sonntag sicherlich aufwachen werde. Da fehlt sie halt, die Stunde. Aber danach wird sie uns beschenken. Ganz sicher.

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