Vor 100 und vor 50 Jahren

Chronik Juli 2021

Chronik Juli 2021

Chronik Juli 2021

Jürgen Ostwald
Jürgen Ostwald Freier Mitarbeiter
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Ekensund in den Jahren um 1900. - Wilhelm Dreesen (1840-1926) war zu seiner Zeit einer der bekanntesten schleswig-holsteinischen Fotographen. Wiederholt war er auch Gast der Ekensunder Künstlerkolonie, wo er selber neben seiner Photo-Arbeit auch malte. Am 6. Juli 1921 berichtet unsere Zeitung von der Ehrenmitgliedschaft Dreesens im dänischen Photographenverein. Foto: Wikipedia.de

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Chronik Juli 2021 – Vor 100 und vor 50 Jahren

Foto: DN

Freitag, 1. Juli 1921

Das Schicksal der Schonerjacht „Iduna“

Die einst der verstorbenen Kaiserin gehörige stolze Jacht kommt am 2. Juli unter den Hammer. Als jetzigen Eigentümer bezeichnet das Kieler Amtsgericht, das die Zwangsversteigerung angeordnet hat, den Kaufmann Martin Lamp in Hamburg. „Iduna“ hat einen Raumgehalt von 811 Kubikmetern. Sie wurde 1887 in Wilmington, Deleware (USA) aus Stahl gebaut und hat die Kaiserin und ihre Familie auf vielen Reisen durch die Ostsee getragen. Wurde sie auch in den letzten Jahren durch die fortschreitende Technik der Jachtbauer aus ihrer anfänglichen Bestimmung als Rennjacht so weit verdrängt, dass sie nur noch für Handicaps in Frage kam, so blieb sie doch hinsichtlich ihrer Linienführung und ihrer schmucken Besegelung eins der schönsten Sportfahrzeuge in den Kieler Gewässern. Die Jacht liegt gegenwärtig an der Kieler Reichswerft.

(Der Reedereikaufmann Johannes Lamp, Hamburg, residierte damals an der Esplanade 6, im heute sog. „Esplanadebau“, der den Zweiten Weltkrieg überlebt hat. Wie der Verkauf ausging berichtet unsere Zeitung unter dem 6. Juli.)

Von Josephine de Beauharnais (1763-1814), der ersten Gattin Napoleon Bonapartes, gibt es ungezählte Bildnisse – mit und ohne Schmuck. Hier – aus gegebenem Anlass – ein Bildnis mit Schmuck. Foto: Wikipedia.de

Freitag, 1. Juli 1921

Das Halsband der Kaiserin Josephine

Die „Chicago Tribune“ meldet aus San Francisco: Das berühmte Halsband, das Napoleon Josephine geschenkt hatte und das vor 25 Jahren im Louvre gestohlen wurde, ist jetzt in einem Juwelierladen im Chinesenviertel von San Francisco gefunden worden. Die Pariser Kammer hatte seinerzeit eine Belohnung von 150.000 Dollar auf die Wiederbeschaffung des Halsbandes ausgesetzt. Niemand beachtete aber diese Perlen trotz ihres hohen Wertes, die von einem französischen Matrosen nach San Francisco gebracht sein sollen. In dem bescheidenen Juwelierladen, in dem sie jetzt entdeckt wurden, waren sie mit 25 Dollar im Schaufenster ausgezeichnet und lagen zwischen Kameen und anderen Steinen. Vor einigen Wochen kaufte es ein Paar, das sich auf Reisen befand und gerade die Rückreise nach New York antreten wollte. Das Paar fragte einen Juwelier, ob diese Perlen wohl 25 Dollar wert seien. Sie waren sehr erstaunt, als ihnen der Juwelier nach Abschätzung der Perlen 50.000 Dollar dafür bot. Sie gingen zu der Firma Tiffany, wo die Perlen unter das Mikroskop gelegt wurden. Man fand dort die Inschrift auf dem Schloss: Napoleon a Josephine, und bot dem Paar dafür 85.000 Dollar. Sie verkauften das Halsband zu diesem Preise, und die Firma Tiffany schickte die Perlen an die französische Regierung.

(Der Napoleon-Mythos wird immer wieder auf andere Weise bedient und aktualisiert. Er wurde erst jüngst aus Anlass des 200. Todestages am 5. Mai vom französischen Staatspräsidenten Macron auf neue Weise belebt. Und so haben auch zeitgenössische Portraits und nachgelassene Zimelien der Napoleon-Umgebung ihren Preis. Vor einiger Zeit wurde der Verlobungsring des Generals Bonaparte in Paris versteigert. Er war ganz im Gegensatz zu den späteren Schmuckstücken mit der Napoleon seine erste Gemahlin Josephine beschenkte und behängte kein außerordentlich wertvolles Stück. Noch verfügte er nur über beschränkte Geldmittel. So wurde der Ring, der bei 18 Millimeter im Durchmesser einen Diamanten und einen Saphir in Birnenform trägt, im Auktionshaus für 8.000 bis 12.000 Euro angeboten. Nach langem Bietergefecht wurde er für 896.000 Euro zugeschlagen. Wer sich im Internet die zahlreichen Portraitgemälde der Josephine de Beauharnais mit ihrem Schmuck ansieht, kann sich ausmalen, welcher Preis erzielt werden würde, käme ein gesichertes Stück aus ihrem Besitz unter den Hammer.)

 

Freitag, 1. Juli 1921

Die große Luftschiffhalle in Tondern

Die große Luftschiffhalle soll jetzt, da sie weder der dänische Staat noch das private Unternehmertum haben will, auf Beschluss der Besichtigungskommission der Entente, die dieser Tage hier anwesend war, abgebrochen werden, weil ihre Instandhaltung zu kostspielig und ihr Verfall, vor allem der der Bedachung beim Unterlassen jeglicher Instandhaltungsarbeiten unter der zersetzenden Wirkung des Westküstenklimas nur die Frage einer verhältnismäßig kurzen Zeit wäre. Der Abbruch wird einmal eine sehr schwierige Arbeit sein und außerdem sehr teuer werden, nach der Meinung von Fachleuten sogar noch teurer als der Aufbau.

 

Sonnabend, 2. Juli 1921

Plattdeutsch auf der Freilichtbühne

Auf dem Scheersberg, dem höchsten Punkt der Landschaft Angeln, dessen Turm uns Sonderburgern entgegenwinkt, wurde am 26. Mai der am Fuße des Bismarckturmes angelegte Sportplatz der Benutzung übergeben. Gleichzeitig fand die Einweihung einer Freilichtbühne statt. Zur Aufführung gelangte Peter Werths niederdeutsches Drama „Osterfüer“, das in seiner Darbietung durch die „Flensborger Speeldeel“ unter Leitung des Studienrats Cruse auf die vielen tausenden der aus der ganzen Gegend herbeigeströmten Zuschauer eine außerordentliche Wirkung ausübte.

(Paul Cruse (Friedrichsort/Kiel 1885-1977 Flensburg) war eine zentrale Figur des niederdeutschen Theaterlebens in Schleswig-Holstein. Er wurde 1919 Lehrer am Alten Gymnasium in Flensburg. Über diese Zeit schreibt sein Biograph Helge Berndt: „Unter dem Eindruck einer Aufführung eines Stückes von Gorch Fock durch Richard Ohnsorg in Hamburg gründete Cruse zusammen mit anderen im März 1920 die Niederdeutsche Bühne Flensburg (die zunächst als „Flensborger Speeldeel“ firmierte). Er selbst trat als Schauspieler auf und nahm hierzu auch Gesang- und Lautenunterricht bei Julius Steger, dem Kantor der St. Marienkirche zu Flensburg. Das Bühnenensemble spielte im Raum zwischen Rendsburg und Hadersleben und war ein wichtiger Bestandteil der deutschen Kulturarbeit im Grenzland.“ Diese Theaterarbeit setzte er in den kommenden Jahrzehnten fort.

Hinter dem Pseudonym Peter Werth, dessen Stück „Osterfüer“ zur Aufführung kam, verbirgt sich der Hamburger Julius Caesar Stülcken, der Besitzer der heute noch bekannten Hamburger Stülcken-Werft, die bis Ende der 1960er Jahre bestand.)

 

Montag, 4. Juli 1921

„Hagbarth und Signe“ in Augustenburg

Die Vorstellungen waren vom Wetter begünstigt. Windstille und nicht kühl. Die Zuschauer hatten sich reichlich eingefunden. Auf den literarischen Wert brauchen wir uns nicht  näher einzulassen, dafür bürgt der Name „Oehlenschläger“. Über das Spiel ist zu sagen, dass die Mimik in der sinkenden Dämmerung natürlich nicht ganz zur Geltung kommen kann. Dagegen waren die sprachliche Wiedergabe und das vollgestaltliche Spiel, wie es von diesen Künstlern nicht anders zu erwarten war, einwandfrei. Adam Paulsen war der stürmende Wiking Hagbarth, Eyvind Kornbeck sein dröhnender Waffenbruder Hamund, Gerda Christophersen die Königin Bera; ihr kam besonders ihre volle, fast männliche Stimme zu statten; Wiggo Wiehe, der Sohn Alf der Königin, dem der Tod durch Hagbarths Hand als Erlösung kommt, Svend Bille, Alfs Bruder Alger, der kampfeslustig ist, Hagbarth hasst und zuletzt doch seiner Schwester in ihrer Liebe zu diesem hilft, und schließlich Frau Willy Fjeldgaard als Signe, die trotz ihrer Geschwisterliebe zu dem Besieger ihres Bruders Alf in eine ergebungsvolle Liebe entbrennt, dass sie mit ihm sterben will. Einen guten Anteil an dem Erfolg hatte auch der Park mit seinen schönen Bäumen; ich glaube kaum, dass die Szenerie hätte wirkungsvoller sein können. Das Schlussbild mit den Beleuchtungswirkungen der Fackeln und den oft fast nur geahnten Gestalten entführte einen ganz in die Wikingerzeit. Unser Urteil ist, dass wir den Künstlern heute Abend einen bis auf den letzten Stehplatz gefüllten Zug nach Augustenburg um 7.05 Uhr wünschen.

(Oehlenschläger gehört natürlich zum obligatorischen dänischen Literaturkanon, aber „Hagbarth und Signe“ werden, auch wenn das Stück zum eisernen Bestand gehört, immer weniger gelesen. Bei Franz Grillparzer heißt es noch in seinem Tagebuch (Oehlenschläger hatte kurz nach Veröffentlichung der dänischen in eigener Übersetzung eine deutsche Fassung vorgelegt: „Ich habe Oehlenschlägers neuestes Trauerspiel Hagbarth und Signe im Manuskript gelesen. Es hat mich entzückt. Diese Gesondertheit, dieses individuelle Hervortreten der Charaktere, die Heiterkeit, mit der selbst die Misstöne“ harmonieren. Noch Jahrzehnte später brachte Grillparzer einen Trinkspruch auf Oehlenschläger aus: „Dem großen Dichter in zwei Sprachen, zu einer Zeit, wo es so wenige in einer gibt.“ Diese Wertschätzung hielt lange an. In Dänemark natürlich seit der Uraufführung am 19. Januar 1816 besonders. Die namen einiger Darsteller in Augustenburg sind noch heute bekannt. Eyvond Kornbeck etwa war zugleich Direktor des Odense Theaters.Die Aufführung sollte auch ein Gegengewicht zur sehr tätigen deutschen Theaterarbeit in Sonderburg schaffen.)

 

Mittwoch, 6. Juli 1921

Versteigerung der „Iduna“

Am Sonnabend Vormittag fand vor dem Amtsgericht in Kiel die Versteigerung der ehemaligen Kaiserin-Jacht „Iduna“ statt. Es waren nur drei Bieter erschienen. Der Zuschlag wurde einer Kieler Firma erteilt, die mit 330.000 Mark das Höchstgebot abgegeben hatte. Zu dem Kaufobjekt gehört das gesamte Inventar der Jacht. - Auf der Jacht lasten mehr als fünf Millionen Mark Schulden, die natürlich dem Käufer nicht zur Last fallen. Die „Iduna“ ist 1887 erbaut worden. Ihre Länge beträgt 36,4, die Breite 8,36, die Tiefe 4,0 Meter. Vor nahezu einem Vierteljahrhundert wurde die Jacht vom Kaiser käuflich erworben und der Kaiserin zum Geschenk gemacht. Der Kaufpreis betrug damals 160.000 Mark.

 

Mittwoch, 6. Juli 1921

Der dänische Photographenverein

Der Vorstand des dänischen Photographenvereins hielt am Dienstag und Mittwoch hier in Sonderburg eine Versammlung ab. Dabei wurde einstimmig beschlossen, den 80jährigen ehemaligen Hofphotographen Wilhelm Dreesen aus Flensburg, jetzt in Sandacker, zum Ehrenmitglied des Vereins zu ernennen. Wilhelm Dreesen hat sich bekanntlich durch seine künstlerischen Landschaftsaufnahme in aller Herren Länder unter seinen Berufsgenossen einen angesehenen Namen erworben.

(Wilhelm Dreesen (Rendsburg 1840-1926 Flensburg) war einer der bedeutendsten Photographen in der preußischen Zeit Schleswig-Holsteins und damit auch oft in Nordschleswig tätig. Es zeugt von der mutigen Unvoreingenommenheit des Vorstands des dänischen Photographenvereins, dass er in national aufgewühlter Zeit einen deutschgesinnten Photographen zum eigenen Ehrenmitglied machte.)

 

Sonnabend, 9. Juli 1921

Das Ringreiterfest – Austritt der deutschen Sozialdemokraten Tonderns aus dem dänischen Verband

Der deutschsprachige Teil der Sozialdemokraten in Tondern ist laut „Tondernscher Zeitung“ endgültig aus dem dänischen Arbeiterverband ausgeschieden. Die Trennung erfolgte in einer am Donnerstag Abend abgehaltenen Versammlung. Die Gewerkschaften werden jedenfalls schon in nächster Zeit folgen. Die Ausgeschiedenen werden sich einer Arbeitsvereinigung anschließen, welche sich nur auf das Gebiet Nordschleswigs erstreckt.

(Dass die Abstimmung besondere Konsequenzen in der organisierten Arbeiterschaft sich sich ziehen würde war abzusehen. Die Spaltung geschah im Jahre des 50jährigen Bestehens der dänischen Sozialdemokratie. Immer noch gilt für diesen Zusammenhang die Qualifizierungsarbeit von Martin Klatt an der Kieler Universität: Die Sozialdemokratie in Nordschleswig  und die nationale Frage 1918-1922. Martin Klatt, aus Hamburg gebürtig, ist heute Professor in Sonderburg.)

Das Brahmshaus in Hamburg – Das Geburtshaus Johannes Brahms´in Hamburgs Altstadt wurde oft photographiert. Aber Photos konnte die „Sonderburger Zeitung“ nicht drucken. Ihr fehlten als kleine Lokalzeitung die nötigen Klischier- und Offsetdruckmaschinen, die es seit einigen Jahren nach der Jahrhundertwende größeren Firmen erlaubten, Photos im Offsetdruckverfahren ohne den Umweg über den zuvor üblichen Holzstich zu drucken. So kam auf der Seite eins vom 19. Juli unserer Zeitung eine Strich-Ätzung zum Abdruck, die nach einer Photographie hergestellt worden war. Diese wurden eigens von Presse-Agenturen gefertigt und an kleine Blätter veräußert bzw. verliehen. Das Klischee wurde dann für den Letternsatz eingerichtet und spaltenbreit gedruckt. Pressearbeit war auch schon damals sehr aufwendig. Foto: Scan DN

Dienstag, 19. Juli 1921

Das Brahmshaus in Hamburg

Die unglücklichen Verhältnisse, die nach dem Kriege Platz gegriffen haben, bewirken sogar, dass nicht einmal mehr aus eigenen Kräften die Stätten unberührt erhalten bleiben können, an denen große Männer geboren wurden und an denen sie weilten. So waren vor dem Kriege Bestrebungen hervorgetreten, das Andenken des in Hamburg geborenen Musikers und Komponisten Johannes Brahms dadurch zu ehren, dass man sein Geburtshaus vor dem Verfall zu schützen trachtete. Es hatte sich die deutsche Brahmsgesellschaft gebildet, die das Hau unter ihren Schutz gestellt hatte. Leider haben sich die Verhältnisse so ungünstig entwickelt, dass die Gesellschaft nicht mehr in der Lage ist, das Haus zu erhalten. Sie hat es daher dem Hamburgischen Staat zum kauf angeboten. Die Finanzdeputation hat sich entschlossen, dem Kaufgedanken näherztutreten.

(Das Geburtshaus Brahms´ gibt es nicht mehr. Das damalige Haus im Specksgang 24 im Schlüterhof der Hamburger Altstadt zählte zur Zeit der Geburt von Johannes Brahms sechzehn Mietparteien. Vermutlich lag die Wohnung der Familie Brahms im ersten Stock auf der linken Seite. Die Deutsche Brahms-Gesellschaft rettete das Haus 1914 vor dem drohenden Abbruch. 1921 erwarb die Stadt das Gebäude und ließ es restaurieren. 1943 fiel es einem Fliegerangriff zum Opfer.)

 
Foto: DN

Mittwoch, 7. Juli 1971

Zahl der EWG-Anhänger in Norwegen wächst

Die Zahl der EWG-Anhänger wächst anscheinend jetzt in Norwegen. Bei einer Befragung, die das norwegische Gallup-Institut Mitte Juni durchführte, erklärten sich 33 Prozent der Angesprochenen, Norwegen möchte Mitglied der EWG werden, wenn auch England und Dänemark in den Gemeinsamen Markt gehe. 36 Prozent sprachen sich gegen den Beitritt Norwegens zur EWG aus, 22 Prozent hatten keine Meinung. Vier Prozent wünschten eine norwegische Assoziierung. Zwei Prozent wollten sich abwartend verhalten. Wie „Aftenposten“ dazu bemerkt, lassen die Zahlen eine starke Erhöhung der Gruppe der EWG-Befürworter deutlich werden.

(Im Jahr 1972 werden die Norweger einen Beitritt in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft durch eine Volksabstimmung ablehnen.)

 

Donnerstag, 8. Juli 1971

Ohne EWG-Anschluss sinkt der Lebensstandard in Dänemark

Eine frühe Wahl würde der Debatte über den Anschluss Dänemarks an den Gemeinsamen Markt dienen, sagte der Präsident des Landwirtschaftsrates, Anders Andersen, als er Mittwoch die große Jütische Jungtierschau in Herning eröffnete. Er bedauerte es zugleich, dass die Frage einer dänischen EWG-Mitgliedschaft im kommenden Wahlkampf für enge parteipolitische Interessen ausgenutzt wird. „Die Widersacher des Gemeinsamen Marktes versuchen in einem gefühlsbetonten Widerstand, einen Rauchschleier über die Tatsache zu legen, dass der gegenwärtige Lebensstandard in Dänemark außerhalb einer erweiterten EWG nicht aufrechterhalten werden kann.“

(Während die Norweger einen Beitritt ihres Landes zur EWG ablehnten, stimmten die Dänen im Oktober 1972 dafür. Einer, der schon lange für den Beitritt warb war der Venstre-Politiker  Anders Andersen (1912-2009), der jahrelange Chef der dänischen Landwirte-Organisation. Er stammte aus Voldby bei Aarhus, wo sein Vater einen größeren Hof bewirtschaftete. In späteren Jahren war Anders andersen auch Finanzminister in Kopenhagen. Übrigens war er neben seiner politischen Tätigkeit ein geübter Schachspieler, der es bis in die Dänemarkmeisterschaften gebracht hatte.)

 

Freitag, 16. Juli 1971

Baader-Komplicin bei Gross-Razzia erschossen

Bei einem Schusswechsel mit der Polizei ist gestern Nachmittag in Hamburg die zur Baader-Meinhof-Gruppe gehörige 20 Jahre alte Petra Schelm tödlich getroffen worden. Bei einer Großfahndung nach der Bande in ganz Norddeutschland wurden nach angaben der Polizei sechs Verdächtige festgenommen.

Mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizeibeamte hatten Straßensperren errichtet und circa 1.600 Kraftfahrzeuge überprüft. In fünf Fällen durchbrachen Wagen die Sperre. Die Insassen wurden gestellt.

Eine erste Mitteilung der Polizei, bei der getöteten Frau handele es sich um die seit Langem wegen versuchten Mordes gesuchte Ulrike Meinhof (36), war kurze Zeit später widerrufen worden.

 

Sonnabend, 17. Juli 1971

Der Abenteurer Hans Tholstrup ist mit einem Speedboot von Island über den Atlantik bei St. Jones in Newfoundland gelangt. Die Fahrt begann am 19. Juni in Dänemark in einem Speedboot mit zwei Außenbordmotoren.

(St. John´s liegt auf der Insel Neufundland, die der gleichnamigen westlichen Provinz Kanadas vorgelagert ist. Bekanntlich ist auf Neufundland schon einmal ein Däne gelandet, nämlich Leif Erikson vor nunmehr fast 1.000 Jahren. Hans Tholstrup aber wurde erst 1944 in Dänemark geboren und wanderte nach Australien aus. Er wurde bekannt als er 1970 mit einem Motorboot erstmals ganz Australien umschifft hatte. Es schlossen sich weitere spektakuläre Bootsreisen an. In Australien ist er ein in seiner Sphäre berühmter Mann, in Dänemark weniger, obgleich der Sachbuchautor Peter Juul schon 1982 das über 200seitige Buch „Ene mand. Om eventyreren Hans Tholstrup“ vorgelegt hatte. Heute ist es still geworden um den Mann)

 

Dienstag, 20. Juli 1971

Gehstrasse kommt im Herbst

Nach Apenrade und Tondern soll nun auch Sonderburg als dritte Stadt Nordschleswigs eine Gehstrasse erhalten. Wenn es nach den Wünschen der Geschäftswelt ginge, würde sie die gesamte City einschließen: das hieße die Brücken- und Große Rathausstraße sowie die Perlstraße vom Rathaus bis zur Kreuzung Rönhofplatz. „Wir sind überzeugt davon, dass die Ladenstraße noch im Herbst dieses Jahres eröffnet wird“, äußerten sich Mitglieder des Handelsvereins optimistisch.

 

Donnerstag, 22. Juli 1971

100 Jahre Sozialdemokratie

Die dänische Sozialdemokratie feierte ihr 100jähriges Bestehen gestern Vormittag mit einem Empfang im Landstingsaal auf Christiansborg. Über 700 Gratulanten der Parteiorganisationen und der Gewerkschaftsbewegung sowie Leute, die ihre Glückwünsche persönlich überbringen wollten, drängten sich in langer Reihe in den Saal.

(Zum diesjährigen 150. Jubelfest werden natürlich andere Köpfe erwartet als vor 50 Jahren. Und in diesen werden seit einiger Zeit andere Ziele angestrebt als zum 100. Geburtstag und zu allen Geburtstagen davor.)

 

Freitag, 23. Juli 1971

300 Zuhörer waren von Clara Pontoppidan begeistert

Mit eindrucksvollen Beispielen ihrer großen Kunst begeisterte die 85jährige Schauspielerin Clara Pontoppidan am Mittwoch im vollbesetzten Festsaal des Haderslebener Staatsseminars die 300 erschienenen Zuhörer. Im Rahmender von der Hoptruper Hochschule veranstalteten Ferienkurse trug sie Werke von H. C. Andersen, Kaj Munk, Kjeld Abell und H. Nathanson vor.

Clara Pontoppidan, die bei ihren Vorträgen Manuskripte verschmähte, spielte die ganze Breite ihrer stimmlichen Ausdrucksfähigkeit aus und bestätigte wieder einmal ihren durch das hohe Alter keineswegs beeinträchtigten königlichen Rang innerhalb der dänischen Schauspielkunst.

(Clara Pontoppidan (1883-1975), die damalige Nestorin der dänischen Schauspielzunft, wurde bereits 1892 in die Ballettschule des Königlichen Theaters aufgenommen und hatte - neben ihrer Theatertätigkeit - in der Stummfilmzeit das dänische Cineastenwesen mitgeprägt. Bis 1995 stand sie vor der Kamera, noch länger auf den Bühnenbrettern. Ihre materialreichen Erinnerungen „Eet liv – mange liv“ sind mehrfach aufgelegt worden.)

 

Mittwoch, 28. Juli 1971

Restauriert wird gegenwärtig die 1450 in Kopenhagen errichtete deutsche Kirche von Kopenhagen. Im ersten Bauabschnitt wird das Holz- und Kupferdach der in der Altstadt gelegenen St.-Petri-Kirche erneuert. Von der rund eine Million Mark Baukosten hat das Auswärtige Amt (in Bonn) ein Drittel übernommen, den Rest bringen die Stadt Kopnhagen und das dänische Kirchenministerium auf.

(Mit der angegebenen Datierung hapert es ein wenig: Die erste Peterskirche in Kopenhagen reicht ins frühe 13. Jahrhundert zurück. Teile der jetzigen Kirche stammen noch aus dem Beginn des 15. Jahrhunderts (Langhauses und Chor). Sie ist im Anschluss daran mehrfach umgebaut worden. 1586 wurde sie der deutschen Gemeinde überlassen. Querhausartige Anbauten kamen in den 1630er Jahren hinzu. 1728 brannte sie ab und wurde wieder aufgebaut. Auch gab es natürlich kein Holzdach, sondern vielmehr wurde das Dachtragwerk des 18. Jahrhunderts teilweise ausgetauscht. Die Kupferdeckung wurde erneuert.)

Clara Pontoppidan Foto: dfi.dk
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