Vor 100 und vor 50 Jahren

Chronik September: Grenzlandausstellung, Dichterabend und Königspalast

Chronik September: Grenzlandausstellung, Dichterabend und Königspalast

Chronik September: Grenzlandausstellung und Dichterabend

Jürgen Ostwald
Jürgen Ostwald Freier Mitarbeiter
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
São Leopoldo im Süden Brasiliens. Die „Wiege der deutschen Einwanderung in Brasilien“ hat auch mit Nordschleswig zu tun. Näheres unter dem 17. September 1924. Foto: Wikipedia/Felipe Meert da Silva

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Die Schlagzeilen von diesem September sind ganz anders als noch vor 100 und vor 50 Jahren. Jürgen Ostwald hat im Archiv die Zeitungen durchforstet und nimmt die Leserinnen und Leser mit auf eine Reise in die Vergangenheit.

Foto: DN

Dienstag, 2. September 1924
Hadersleben
Es verlautet, dass in Zukunft mit gewissen Zwischenräumen in den Kirchen in Tyrstrup, Hjerndrup und Aller deutsche Gottesdienste abgehalten werden sollen. Die Gottesdienste wird der frühere Kirchspiel-Geistliche in Moltrup, Pastor Andersen, der jetzt in Hadersleben wohnt, abhalten.

Im Blick auf diese ungewöhnliche kirchliche Neuerung ist zu vermuten, dass der dänische Bischof in Hadersleben (Haderslev), Ammundsen, sie einzuführen gedachte. Um die seinen Vorstellungen zuwiderlaufenden deutschen kirchlichen Konsolidierungen zwar nicht zu unterlaufen, aber zu ergänzen, suchte er offenbar gemeinsam mit dem Haderslebener deutschen Stadtpfarrer Hans Schlaikier Prahl Abhilfe. Denn in den drei genannten Kirchengemeinden gab es viele deutsche Gläubige. Man einigte sich auf den in Hadersleben wohnenden arbeitslosen Pastor Jørgen August Andersen (1865–1933). Er war zur Abstimmungszeit 1920 in der Gemeinde Moltrup-Bjerning wegen seiner deutschen Gesinnung mit 140 zu 140 Stimmen (also Gleichstand) abgewählt worden. 1926 übernahm er das Pastorat von Schlaikier Prahl, das er bis 1932 verwaltete. In den drei genannten Kirchen war die Nordschleswigsche Gemeinde nicht tätig, es war also gewissermaßen eine Außenstelle des Haderslebener Stadtpfarrers – falls dort damals überhaupt deutscher Gottesdienst gefeiert wurde.

Donnerstag, 4. September 1924
Wie Maxilmilian Harden 1914 ansah
Die konservative „Haderslev Stiftstidende“ frischt einen Artikel von Maximinlian Harden alias Isidor Wittkowski auf, den dieser zu Kriegsbeginn 1914 geschrieben hat. Das Blatt schreibt:
„1914 kannte der Übermut der Deutschen keine Grenzen. Alles, was hindernd im Wege stand, sollte zerschmettert werden. In jenen Tagen schrieb Maximilian Harden in der „Zukunft“, nachdem er gefragt hatte: Wer hat recht?
Frage die Buche, wer ihr das Recht gab, ihre Krone höher zu heben als die Pinie und die Fichte, die Birke und die Palme. Lade sie vor den Rat, wo die Hängemäuler und Zahnlosen präsidieren. Von der Krone der Buche wird es erbrausen: Meine Kraft ist mein Recht.
Wer hat recht? Der, der die Macht hat. Recht oder Unrecht, wir stehen oder fallen fürs Vaterland. Siegen wollen wir. Siegen müssen wir. Cecil Rhodes, der ein großer Mann war, ein Riese in Lackschuhen und mit Tuberkeln, hat einmal direkt in die Buttermilchgesichter der Pedanten gebrüllt: „Dieser Krieg ist gerecht, weil er meinem Volk nützt und die Macht meines Landes stärkt.“ Lasst uns diesen Satz in alle Herzen hämmern. Der wiegt Hunderte von Weißbüchern auf. Lasst uns ihn an alle Mauern schlagen, an die Rathäuser, an die Straßenecken, große Plakate, blutrotes Papier! Schreibt darunter: Die Bande will uns ans Leben. Ein Bastard brüstet sich mit der verrückten Einbildung, dass er den Enkel des großen Sieges zerschmettern kann. Das Schwert aus der Scheide! Schlagt ihn tot! Die Weltgeschichte fragt euch nicht nach den Gründen.“
Hierzu bemerkt das „Apenrader Tageblatt“:
Soweit Herr Harden, wie er 1914 aussah. Wenn das Haderslebener Dänenblatt diese Ansicht verallgemeinert und Hardens Gesinnung, als die des deutschen Volkes hinstellt, so ist das natürlich Unsinn. Harden war nicht das deutsche Volk und dieses kann für die Äußerungen eines damals bereits an politischen Extravaganzen leidenden und in allen ernsthaften deutschen Kreisen längst als moralisch anrüchig erkannten und daher abgelehnten Geschäftsjournalisten nicht verantwortlich gemacht werden. Wenn das Blatt zum Schluss aber schreibt, die Wiederauffrischung solcher Äußerungen sei den Deutschen jetzt peinlich, so ist das falsch; peinlich kann es nur für diesen Mann selbst sein, der jetzt gegen gute Bezahlung in deutschfeindlichen Blättern sein deutsches Vaterland besudelt und beschimpft, wo er nur kann, der als gemeingefährlicher Landesverräter Deutschland immer wieder dessen Todfeinden denunziert und daher in gewissen dänischen Blättern mit größter Wonne zitiert wird. Für uns hat diese Erinnerung an den Juden Harden von 1914 lediglich psychologisches Interesse. Wenn „Hadersleben Stiftstidende“ aber schreibt, dass Deutschland nach diesen Grundsätzen stets gehandelt habe, solange es habe tun können, so verrät der Herr Svensson neben dem allerdings ja bei ihm nicht verwunderlichen Mangel an geschichtlicher Bildung eine Gesinnung, um die wir ihn wirklich nicht beneiden.

Wir haben uns entschlossen, die uns heute sonderbar erscheinende Pressefehde hierherzusetzen, weil sie einen Einblick in die uns heute absurd erscheinenden Tageskämpfe der Zeitungen in der damaligen Zeit gewährt. Wo immer dänische und namentlich nordschleswigsche Blätter die deutschen Angelegenheiten kommentierten, waren die Redakteure der vier deutschsprachigen Zeitungen zur Stelle und hieben los. Ein besonderer Feind war dabei der Journalist A. Svensson (1880–1963), der seit 1919 Redakteur in Haderleben war, zunächst bei „Danskeren“ von 1919 bis 1922, dann bei der daraus hervorgegangenen „Haderslev Stiftstidende“ bis 1929. Anschließend war er bis 1945 grenzlandpolitischer Redakteur der „Jydske Tidende“. Warum Svensson ausgerechnet diesen etwas schwachen Text des deutschen Publizisten Maximilian Harden (1861–1927), ohne den die Geschichte des deutschen Kaiserreiches nicht zu verstehen ist, aus seiner Zeitschrift „Zukunft“ ausgewählt hat, ist unbekannt. Ein Zufallsfund? Die Erinnerungen Svenssons „Kamp og fest“ von 1960/61 geben zu Harden keinen weiteren Aufschluss. Bemerkenswert ist aber auch, dass die deutschen Zeitungen es nicht unterlassen konnten, ihre antisemitischen Invektiven auszustreuen. Dergleichen Pressefehden und Beschimpfungen finden sich in den deutschen Blättern dieser Jahre immer wieder. Wir gehen nur noch gelegentlich darauf ein.

Mittwoch, 17. September 1924
Zur Hundertjahrfeier der deutschen Einwanderung in Rio Grande do Sul
Hundert Jahre sind verflossen, seitdem die ersten Deutschen in Rio Grande do Sul (Südbrasilien) eingewandert sind. Die Hauptfestlichkeiten zur Feier dieses hundertjährigen Einwanderungs- und Ansiedlungsjubiläums finden am 20. und 21. September in Sao Leopoldo in Hamburgerberg und vom 3. bis 7. Oktober in Porto Alegre statt.

Die Geschichte der Stadt São Leopoldo, die „Wiege der deutschen Einwanderung in Brasilien“, die heute ca. 250.000 Einwohner zählt, begann im Sommer 1824, als die ersten Einwanderer aus Deutschland die Gegend besiedelten. Viele weitere Einwanderer aus Deutschland und auch aus Dänemark folgten ihnen. Ob Nordschleswiger unter ihnen waren, muss erst noch ermittelt werden. Die Stadt wurde nach der Erzherzogin Maria Leopoldine von Österreich (1797–1826) benannt, die Gemahlin des späteren Kaisers von Brasilien Pedro (1798–1834), der Schuld an ihrem frühen Tod hatte. Für uns in Nordschleswig ist hier noch zu erwähnen, dass Maria Leopoldine die Ur-ur-ur-ur-Enkelin der Prinzessin Elisabeth Juliane von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Norburg ist, die im heute nicht mehr bestehenden und überbauten Norburger Schloss mit ihren Geschwistern aufwuchs. Wir setzen diese Nachricht eigens für jene Leser hierher, die mit einem gewissen Recht meinen, dass alles, was in der Welt geschieht, irgendwie mit Nordschleswig zu tun hat.

Die Erzherzogin als junge Frau: ein Gemälde von Joseph Kreutzinger (1757–1829) aus dem Jahr 1815, das heute im Schloss Schönbrunn hängt. Porträts Maria Leopoldines wurden nach dem Tod der brasilianischen Kaiserin wegen ihres tragischen Schicksals auch als grafische Blätter veröffentlicht. Foto: Wikipedia/Sousa, Octávio Tarquínio de. A Vida de D. Pedro I. Volume II. Rio de Janeiro: José Olympio, 1972

Dienstag, 23. September 1924
Genfer Beratungen über den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund
Nach der Information glaubt man, dass es diese Woche in Genf große Überraschungen geben könnte. Seit 24 Stunden finden im Sekretariat des Völkerbundes Privatbesprechungen wegen der Zulassung Deutschlands statt. Von diesen Verhandlungen soll die Reichsregierung am heutigen Dienstag in der stattfindenden Kabinettssitzung in Kenntnis gesetzt werden. Wahrscheinlich werden sich die Verhandlungen bis dahin noch bis zu einer Einladung an Deutschland verdichten, sodass dann wohl die Reichsregierung ihren offiziellen Zulassungsantrag stellen würde.

Die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund gelang nach langen Widerständen erst 1926. Das war besonders der Verdienst der Außenpolitik Gustav Stresemanns.

Mittwoch, 24. September 1924
Großfürst Cyrill ruft sich zum Zaren aus
Der Großfürst Cyrill, ein Vetter des letzten Zaren, der sich vor zwei Jahren als Hüter des leeren russischen Thrones bezeichnete, hat eine Proklamation unterschrieben, in der er sich „Zar aller Preussen“ nennt.

Kyrill Wladimirowitsch Romanow (1876–1938) war nach der Ermordung der Zarenfamilie der anerkannte Thronprätendent des russischen Reiches und nannte sich seit der oben erwähnten Erklärung „Kaiser im Exil“. Mit seiner Frau, einer Prinzessin aus dem Hause Coburg-Gotha, hatte er drei Kinder. In Gotha, wohin sich die Familie nach der Oktoberrevolution geflüchtet hatte, veröffentlichte der Fürst auch die oben erwähnte Proklamation. Führt man die Erbfolge bis auf den heutigen Tag fort, so findet sich als Thronprätendent jetzt auch Georg Friedrich von Preußen, der 1976 geborene Chef des Hauses Hohenzollern. Da die kaisertreuen russischen Monarchisten jedoch untereinander heillos zerstritten sind, gibt es auch noch andere Anwärter. Wir dürfen annehmen, dass es für alle bei der Anwartschaft bleiben wird.

Dienstag, 30. September 1924
Zum Fall Hitler
München, 29. Sept. (Funkspruch 4 Uhr nachm.) Gegen den Beschluss des Landgerichts München, der für Hitler und Kriebel ab 1. Oktober Bewährungsfristen bewilligt, hat die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf ihr Verhalten nach der Verurteilung Beschwerde eingelegt. Außerdem habe sich der dringende Verdacht ergeben, dass die Genannten an der Angelegenheit der Mitte des Monats wegen Zugehörigkeit zu verbotswidrig fortgesetzten Organisationen Verhafteten beteiligt seien.

Die Nachrichten um eine vorzeitige Entlassung Hitlers aus der Haft wegen des vergeblichen Putsches im vorausgegangenen Jahr sind im Zusammenhang mit den weiteren Tätigkeiten der völkischen Bewegungen zu sehen. Bereits am 18. September berichtete unsere Zeitung unter der Überschrift „Verhaftungen in München“ wie folgt: „Die Staatsanwaltschaft hat heute eine Reihe Verhaftungen deutsch-völkischer Führer vornehmen lassen. Einige der Verhafteten, darunter ein Sohn des Verteidigers im Hitler Prozess, Dr. Schramm, wurden wieder auf freien Fuß gesetzt. Fünf frühere Offizier und bekannte Nationalistenführer wurden in Haft behalten, darunter der vom Hitler-Prozess bekannte Oberleutnant Bröcker. Der nationale Verein „Frontbanner“ wurde verboten und die Geschäftsräume wurden versiegelt. Der Geschäftsführer Leutnant Oswald wurde verhaftet. Die Polizei hat eine Reihe von Haussuchungen vorgenommen und viel schriftliches Material beschlagnahmt. Es soll sich um neue Putschpläne handeln.“  Der „Frontbann“ (nicht „Frontbanner“, wie unsere Zeitung schreibt) war kein „Nationaler Verein“, sondern ein militaristischer Kampfverband, der den Umsturz der Weimarer Republik mit Waffengewalt plante. Gegründet wurde er nach dem Verbot der NSDAP und der SA. Führer des Verbandes waren der ehemalige General Ludendorff und der ehemalige Hauptmann und NS-Funktionär Ernst Röhm, der in zehn Jahren von NS-Leuten auf Befehl Hitlers ermordet werden wird. Der „Frontbann“ hatte ca. 40.000 Mitglieder, namentlich in Bayern und in Norddeutschland. Das Wirken in Schleswig-Holstein, das vom „Gruppenkommando“ Berlin aus gesteuert wurde, und seine Verbindungen nach Nordschleswig sind noch nicht untersucht worden. Der „Völkische Kurier. Unabhängiges Kampfblatt der nationalsozialistischen Freiheitsbewegung“ wurde jedoch auch im Norden gelesen. - Zu der eingangs genannten Notiz der vorzeitigen Haftentlassung Hitlers lautete eine interne Verlautbarung, die den bayerischen Justizminister von der Freilassung abhielt: „Im Augenblick seiner Freilassung wird Hitler dank seiner Energie wieder treibende Kraft erneuter und ernst zu nehmender öffentlicher Revolten und eine Bedrohung für die Staatssicherheit sein.“ Das war aber kein Bekenntnis der Ablehnung der nationalsozialistischen Umtriebe. Der bayerische Justizminister Franz Gürtner, der später ein überzeugter Nationalsozialist und bis zu seinem Tod 1941 deutscher Reichsjustizminister war, versuchte damals nur die verschiedenen Organisationen der völkischen Rechten, denen er, wie die bayerische Justiz überhaupt, sehr wohlwollend gegenüberstand, gegeneinander auszuspielen. Zudem wollte er der Ausweisung Hitlers nach Österreich vorbeugen. Wenige Wochen später wird der Opportunist – der übrigens mit Hitler befreundet war – dann doch den sehr angenehmen Festungsaufenthalt Hitlers beenden und ihn freilassen.

Foto: DN

Mittwoch, 4. September 1974
Gekonntes und Gewolltes auf der Grenzlandausstellung
Es ist nicht alles Gold, was glänzt, sagt der Volksmund, und es ist auch nicht alles Kunst, was bunt ist. (Man) kann nur schwer begreifen. Was die grellen Tupfereien Johanne From Clausens (Norburg), die nicht einmal mehr in die Kunstrichtung „naiv“ einzuordnenden Bilder des Sonderburgers Ole Prip Hansen („Die Großeltern besuchen ihre Enkelkinder“) oder die wenigstens thematisch noch ganz interessanten, Illustrationsschnippeleien von Leif Kath aus Christiansfeld in einer Grenzlandausstellung zu suchen haben, die doch das kulturelle Niveau unseres Bereiches repräsentieren muss.

Man freut sich immer, wenn man Verrisse liest – denen man dann, ist man kundig, inhaltlich meistens nicht folgt. Abfällige Kunstkritik ist natürlich immer ungerecht, aber gerechtfertigt. Sie öffnet die Augen. Man blickt näher hin. Und urteilt doch anders. Heute aber gibt es Kritik und Verrisse in Nordschleswig leider nicht mehr. Das ist bedauerlich. Wenn ich die grafischen Arbeiten jener drei Künstler, die in meinen Mappen liegen, betrachte - Johanne From Clausen (Broballe 1932-2013 Mjels), Ole Prip Hansen (geb. Apenrade 1946) und Leif Kath (geb. Hadersleben 1945) – und die vielen Grenzlandausstellungen vorüberziehen lasse, kann ich das Urteil von 1974 nicht teilen. Aber das macht nichts. Ich ahne, was der Kritiker wohl gemeint haben mag.

Der deutsche Maler und Grafiker Gerhart Bettermann (1910-1992), der in Südschleswig wohnte, war zur Teilnahme an der Grenzlandausstellung eingeladen worden. Er war mit vielen dänischen Künstlern befreundet. Wir nennen nur Viktor Brockdorff (1911-1992). Bettermann stellte unter anderem eine signierte Offsett-Lithografie „Junge“ aus, die nach einer peniblen Federzeichnung von 1970 geschaffen worden ist. Die Zeichnung (Abb.) ist heute im Besitz des Husumer Nissenhauses. Die Grafik sollte 250 Mark kosten. Würde sie heute in einem norddeutschen Auktionshaus angeboten werden, müsste man ca. 50 bis 80 Euro bezahlen. Foto: Gerhart Bettermann Malerei und Grafik. Ausst.-Kat. 1990

Mittwoch, 18. September 1974
Dichterabend mit Siegfried Lenz
Siegfried Lenz, einer der führenden Schriftsteller Westdeutschlands, der seit Jahren seinen Sommerurlaub auf Alsen zu verbringen pflegt, liest heute Abend in der Sonderburger Zentralbücherei aus seinem neuesten Erfolgswerk „Das Vorbild“. Der Roman, der in der Bundesrepublik lange Zeit an der Spitze der Bestsellerliste stand, wird im Oktober vom Gyldendal-Verlag in dänischer Sprache (veröffentlicht). Für den Dichterabend heute um 20 Uhr in der Bibliothek am Königsweg wurden 230 Eintrittskarten ausgegeben. Mehr Zuhörer fasst der Vortragssaal der Bücherei nicht. Siegfried Lenz hat darum gebeten, den Abend nicht in einen größeren Saal zu verlegen, da sonst der Intimcharakter einer solchen Veranstaltung verloren ginge. Neben seinem „Vorbild“ wird sich der im Ausland wegen seiner Kritik an der deutschen Geschichte beliebte Autor auch mit einigen neuen, noch unveröffentlichten Werken beschäftigen und daraus lesen. Im Anschluss an seine Ausführungen haben die Teilnehmer Gelegenheit, dem Autor Fragen zu stellen. Siegfried Lenz spricht Dänisch, wird seine Dichterlesung aber in deutscher Sprache vortragen.

Siegfried Lenz war damals 48 Jahre alt. Die Sommermonate verbrachte er bekanntlich auf Alsen, wo auch viele seiner Werke entstanden. Dänisch sprach er eigentlich nicht, aber da er mit allen seinen Nachbarn auf Alsen gute Freundschaft pflegte, sprach er Alsisk, also die plattdänische sprachliche Sonderform auf Alsen. Wir erinnern daran, dass sich am kommenden 7. Oktober der Todestag von Siegfried Lenz zum zehnten Male jährt.

Der Roman, aus dem Lenz hauptsächlich in Sonderburg (Sønderborg) las, erschien im Herbst 1974 bei Gyldendal in der Übersetzung von Brigitte Brix unter dem Titel „Et forbillede søges“. Die deutsche Erstausgabe bei seinem alten Verlag Hoffmann & Campe in Hamburg war bereits im Herbst des voraufgegangenen Jahres erschienen – und zwar mit einer Startauflage von 100.000 Exemplaren. Foto: PRIVAT

Sonnabend, 21. September 1974
Königspalast in Lissabon niedergebrannt
Der Königspalast im Lissabonner Stadtteil Ajuda ist in der Nacht zum Dienstag zum großen Teil niedergebrannt. Nach Ansicht von Experten liegt möglicherweise Brandstiftung vor. Im Nordflügel des Palastes des Hauses Braganca verbrannten etwa 500 Gemälde und historisches Mobiliar von unschätzbarem Wert. Die berühmte Bibliothek des Marques de Pombal, des Erneuerers der erdbebenzerstörten Hauptstadt, konnte gerettet werden. Der klassizistische Palast stammte aus dem 19. Jahrhundert, er diente vielfach zu Staatsempfängen. Dienststellen des Generalstabs und der Regierung sind in einem Teil der weitläufigen Anlage untergebracht.

Der Palast wurde erstmals während des verheerenden und europaweit folgenreichen Erdbebens von Lissabon im Jahre 1755 verloren. Die Wiederaufbauarbeiten zogen sich bis in unser Jahrhundert hin. Der Verlust der national bedeutenden Gemäldesammlung des portugiesischen Königs Luis (1838–1889), der aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha stammte, ist der größte europäische Verlust in Friedenszeiten während des vergangenen Jahrhunderts. Kostbarste Werke verbrannten und sind verloren, darunter ein wichtiges Selbstbildnis Rembrandts.

Der Nationalpalast in Lissabon war die Residenz der portugiesischen Könige. Als Portugal 1910 nach fast 800 Jahren Königreich Republik wurde und König Manuel II. mit seiner Gemahlin aus dem Hause Hohenzollern Sigmaringen ins Exil ging, wurde der Palast verschiedenen Zwecken zugeführt. Heute ist er – der Wiederaufbau der 1974 niedergebrannten Teile des Palastes dauerte Jahrzehnte – wieder geöffnet und dient als Museum. Foto: Wikipedia/Dguendel
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