Vor 100 und vor 50 Jahren

König Frederik IX. tot, Feuerwehrpferde und Eiswinter – was damals wichtig war

König Frederik IX. tot, Feuerwehrpferde und Eiswinter – was damals wichtig war

König Frederik IX. tot und Ostsee vereist – was wichtig war

Jürgen Ostwald
Jürgen Ostwald Freier Mitarbeiter
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Die Stadt Wetzlar plante, im Jahre 1922 die Erinnerung an Goethes Aufenthalt in ihren Mauern festlich zu begehen und will zu diesem Zwecke das Lotte-Haus in einen würdigen Zustand versetzen. Foto: Wikipedia.org

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Was hat im Januar vor 100 und vor 50 Jahren für Schlagzeilen gesorgt? Jürgen Ostwald hat im Archiv die Zeitungen durchforstet und aufgelistet, was die Menschen 1922 und 1972 bewegt hat.

Foto: DN

Montag, 2. Januar 1922, Abend-Ausgabe

Die neue Portographie
Von Max Grube

Meinen Freunden, meinen lieben,

Bracht ich noch in jedem Jahr,

Wenn ich sonst auch nicht geschrieben,

Doch Silvestergrüße dar.

Fürder muss das unterbleiben;

Bei dem Porto, leider Gott´s,

Kann doch überhaupt nur schreiben,

Wer ein Schieber ist und Protz.

Herzlich heute noch beton ich,

Was uns treu zusammenflicht.

Denn mit Briefen euch verschon ich,

Giesberts liebt die Briefe nicht.

                                 

Wer war Max Grube ? – Max Grube (1854-1934), Schauspieler, Theatermann und Autor, war zuletzt, nachdem er auf fast allen namhaften deutschen Bühnen aufgetreten war und einige von ihnen geleitet hatte, Direktor des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg (bis 1918). Danach lebte er in der Theaterstadt Meiningen und war von dort aus gelegentlicher Beiträger für das deutsche Feuilleton.

Und wer war Giesberts, der in der letzten Zeile vorkommt ? – Der Politiker Johannes Giesberts (1865-1938) war von 1919 bis 1922 in verschiedenen Kabinetten (er selbst gehörte dem katholischen Zentrum an) der erste deutsche Postminister der Weimarer Republik.

Das Gedicht Grubes spielt auf die Erhöhung der Postgebühren in Deutschland durch Giesberts an, die seit dem 1. Januar in Kraft waren. Die allmählich in Fahrt kommende Inflation erklärt die Portoerhöhung: So kostete etwa ein Brief nach Dänemark vom 1. Januar an 4 Mark, ab 1. Juni 6 Mark, eine Postkarte 2,40 Mark, ab 1. Juni 3,50 Mark. Doch diese Gebühren sind nichts gegen die Porto-Kosten zwei Jahre später! Ein einfacher Brief, sagen wir von Flensburg nach München, wird Mitte November 1923 10 000 000 000 Mark, also 10 Milliarden kosten. Ende Oktober 1923 hätte dieser Brief nur 10 000 000 Mark gekostet, also nur 10 Millionen.

 

Freitag, 6. Januar 1922, Morgen-Ausgabe

Aufkauf der „Ostsee-Zeitung“ durch die Deutsche Volkspartei

Stettin. Die hiesige „Ostsee-Zeitung“, bisher im Besitz einer GmbH, ist mit dem Grundstück und der Druckerei an ein Konsortium der Deutschen Volkspartei verkauft worden. Damit verliert die Deutschdemokratische Partei ihr Hauptorgan in Pommern.

Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) war eine der wichtigsten Parteien der Weimarer Republik, zu der die sich offensiv bekannte. Die 1919 gegründete Partei des sozial verpflichteten Linksliberalismus in der Nachfolge der Ideen Friedrich Naumanns hatte mit ihrem  aus der Wissenschaft, der Frauenbewegung und der Presse und Literatur stammenden Personal großen über die Partei hinausgreifenden Einfluss.

Auch das „Berliner Tageblatt“ bekannte sich zu den Prinzipien der DDP.  Es ist zu bemerken, dass auch Nordschleswiger und besonders aus Nordschleswig stammende Personen, die in Deutschland politisch tätig waren, zur DDP zählten. Die Deutsche Volkspartei (die Partei Stresemanns) war gewissermaßen das rechtsliberale Pendant zur DDP. Der allmähliche Abstieg der DDP im Verlauf der Weimarer Republik wird auch durch den Verkauf der „Ostsee-Zeitung“ deutlich.

 

Sonntag, 8. Januar 1922, Morgen-Ausgabe

Aufschub für einen Teil der Zahlungen bewilligt

Einem Reuter-Bericht aus Cannes zufolge hat die Konferenz des Obersten Rates beschlossen, Deutschland für einen Teil der fälligen Zahlungen einen Aufschub zu gewähren., für den die Bedingungen noch festgesetzt werden sollen.

Der Korrespondent der „Intransigeant“ in Cannes meldet, dass die belgischen Delegierten der Ansicht seien, Deutschland könne statt der in London vorgeschlagenen 500 Millionen Goldmark mindestens 800 Millionen im Jahre 1922 bezahlen.

Die Verhandlungen zum Zahlungsaufschub der Reparationszahlungen und weiterer Verpflichtungen, die sich aus dem Versailler Vertrag für das Deutsche Reich ergaben, wurden namentlich von Walther Rathenau geführt. Da Informationen zu den Verhandlungen spärlich flossen, schossen die Spekulationen der Presse ins Kraut.

 

Mittwoch, 11. Januar 1922, Morgen-Ausgabe

Die letzten Pferde der Berliner Feuerwehr

Schon seit längerer Zeit machen sich in der städtischen Verwaltung Bestrebungen bemerkbar, die darauf hinzielen, auch bei der Berliner Feuerwehr mit Reorganisationen zu beginnen. So wird nur noch eine kurze Frist verstreichen und die Berliner werden kein Feuerwehrpferd mehr zu Gesicht bekommen. Die letzten noch vorhandenen Pferde, 24 Stück, werden verschwinden. Dafür werden aber neu beschafft: Eine Motorspritze für den letzten bespannten Zug 13 in der Linienstraße, ferner zwei mechanische Leitern, ein Rettungswagen, zwei Schlauchwagen und ein Arbeitswagen, wofür der Magistrat schon 2 ½ Millionen Mark bewilligt hat. Für den Bezirk Treptow-Niederschönewalde ist außerdem die Einstellung einer automobilen Leiter vorgesehen.

Bereits am 20. Januar 1922 und die folgenden Tage kam es zum ersten großen Einsatz der neuen Feuerwehren. Im Berliner Stadtbezirk Tempelhof brannte eine der modernsten Fabrikanlagen Mitteleuropas, das riesige „Chocoladenhaus“ der Firma Sarotti, ein Neubau des Jahres 1913. Der Brand konnte von der Feuerwehr nicht unter Kontrolle gebracht werden. Der Bau brannte drei Tage und Nächte. Zeitungen des In- und Auslandes berichteten. Nur der Reichstagsbrand zehn Jahre später wird ähnliches öffentliches Interesse finden.

Ein Menschenalter zuvor hieß es (vor dem Groß-Berlin Gesetz von 1920) in einem Lexikon noch: „Die Berliner Feuerwehr zählte in neuerer Zeit unter einem Branddirektor ein Personal von über 800 Mann mit 92 Pferden, welche mit den erforderlichen Spritzen und Geräten in fünf Hauptwachen und acht Nebenwachen nebst Depots verteilt sind. Behufs der Feuermeldung bestanden 118 Stationen.“

Einer der ersten Einsätze der neuen Berliner Feuerwehr war die Bekämpfung des sog. Sarottibrandes 1922. Foto: Archiv Berliner Feuerwehr

Mittwoch, 11. Januar 1922, Morgen-Ausgabe

Wiederherstellung des Lotte-Hauses in Wetzlar

Die Stadt Wetzlar plant, im Jahre 1922 die Erinnerung an Goethes Aufenthalt in ihren Mauern festlich zu begehen und will zu diesem Zwecke das Lotte-Haus und den Deutschordenshof wieder in würdigen Zustand versetzen, die Sammlungen des ersteren vervollständigen und eine umfassende Werther-Ausstellung veranstalten.

Auch im Jahre 2022 wird in Wetzlar Goethes gedacht werden. Denn vor 250 Jahren, im Mai 1772, begann Goethe seine Tätigkeit am Reichskammergericht. Sein Aufenthalt in Wetzlar und seine Liebe zu Charlotte Buff führten bekanntlich zum Roman „Die Leiden des jungen Werthers“. Die zahlreichen städtischen Museen Wetzlars wissen offenbar noch nicht, wie sie das Jubiläum begehen sollen. Anders 1922. Da erschien auch von dem Wetzlarer Heimatforscher das Buch „Goethe und Lotte“ in einem schönen Schuber und seine späteren Arbeiten bilden noch heute die Grundlage für alle die „Werther-Stadt“ betreffenden Publikationen. Ob zum 250. Jahrestag in der „kleinen und übelgebauten Stadt“ (Goethe) etwas zu erwarten ist?

Immerhin versucht die Firma „Goethe Camping“ in Wetzlar einiges: Ab Mitte 2022 wird von ihr ein Platz eingeweiht, „großzügige, gepflasterte Stellplätze für Wohnmobile“ sind in Arbeit. Aber nicht nur das: „Ein Müllplatz ist bereits vorhanden und die Ver- und Entsorgung von Wasser bzw. Abwasser ist am zweiten Standort in der Falkenstraße nutzbar.“ Goethe Camping schreibt: „Manchmal, an ruhigen Sommerabenden, könnte man glauben Goethe säße unter einem der Bäume mit einem Buch im Schoß und lausche dem dahinfließenden Wasser und dem Wind, der durch die Bäume weht.“  Die Camping-Platz-Firma erweist sich als Goethekennerin: 1772 wanderten zwei Freunde Goethes nach Garbenheim, einem kleinen Dorf östlich Wetzlars (heute ein Stadtteil) hinaus und fanden Goethe unter einem Baum auf dem Rücken liegend. Er unterhielt sich mit gleichaltrigen Bekannten aus dem Gericht, einem Stoiker, einem Epikureer und einem Aristoteliker. Der eine der beiden Wanderer wird darüber einen ausführlichen Brief an einen fernen Freund schreiben – nach Kopenhagen! Darüber zum gegebenen Zeitpunkt in unserer Zeitung mehr.

 

Montag, 23. Januar 1922, Abend-Ausgabe

Der Tod des Papstes Benedikt XV.

Papst Benedikt XV. ist heute früh gestorben. Kardinal Gasparri, dessen Amt als Staatssekretär mit dem Tode des Papstes erlosch, übernahm die Kirchenleitung in der Eigenschaft des „Camerlengo“ und ergriff von den päpstlichen Gemächern Besitz. Die Bestattungsfeier wird beschleunigt werden. Eine Einbalsamierung kann, da der Papst dies ausdrücklich verbot, nicht stattfinden. Deshalb wurden heute Einspritzungen mit Formalin und Alkohol vorgenommen. Die Leiche war heute Abend für die Kardinäle und die katholische Aristokratie im kleinen Thronsaal des Vatikan aufgebahrt. In Sankt Peter wird sie morgen früh in der Sakramentskapelle ausgestellt werden. An die ausländischen Kardinäle ist die Berufung nach Rom zum Konklave ergangen.

Der Schriftsteller und Diplomat Harry Graf Kessler (1868-1937), Chronist des Alten Europa und der Folgejahre nach der Weltkriegs-Katastrophe, war zum Zeitpunkt des Ablebens des Papstes gerade in Rom. Er war zuvor in Paris gewesen und hatte dort an einer deutsch-französischen Friedens- und Versöhnungstagung teilgenommen, auf der er den aus Nordschleswig stammenden Politiker, langjährigen Gegenspieler Schmidt-Wodders und damals im Berliner Außenministerium tätigen Johannes Tiedje (1879-1946; – Tiedjelinie) kennen gelernt hatte. Seinem Tagebuch traute Kessler folgende Charakteristik des Papstes an:

„Der Papst ist heute früh um 6 gestorben. Er war keine grosse, aber eine hervorragend für ihre Stellung passende Persönlichkeit: das genau richtige Rad in der gewaltigen Maschine der Kirche und der noch gewaltigeren der Welt. Eiskalt, klug, aber mit der nötigen Borniertheit begabt, ziemlich temperamentvoll, und unter der Eiskruste des Weltmannes u. Diplomaten sogar gütig. Ich sehe ihn noch als kleinen, weissen hinkenden Landpfarrer herein kommen, eine Spur Veitstanz im Gesicht, dann kurz u scharf sprechend, ein Männchen ohne souveränen Glorienschein. Man bekam den Eindruck, dass er viel Ärger im Leben gehabt habe, und dass etwas in diesem Ärger, wie Pulverdampf noch lange nach einer Schießerei, immer in seiner geistigen Atmosphäre mitschwebte.“

Heute urteilt die Geschichte wohlwollender über den Papst. 1917 hatte dieser nach langen diplomatischen Vorstößen mit einer offiziellen Friedensnote versucht, die Kriegsparteien zu einem Frieden zu bewegen. Er scheiterte. Die „Friedensartikel“ des Versailler Vertrages verurteilte er als Kriegsartikel. Ein Kirchenhistoriker schrieb: „Was er während und nach dem Kriege für die Kinder Deutschlands und Österreichs getan hat, ist der größte Ruhmestitel seines Pontifikats.“ Der heutige „Altpapst“ Benedikt XVI. hat sich nicht umsonst nach seinem Vorgänger benannt.

 

Dienstag, 24. Januar 1922, Abend-Ausgabe

Abdankung des Königs Konstantin?

Der Athener Berichterstatter des „Daily Express“ schreibt, es sei König Konstantin mitgeteilt worden, dass normale Beziehungen mit Griechenland nur wiederhergestellt werden könnten, wenn er seinem Sohn Georg seinen Platz einräume. Der britische Vertreter in Athen habe dem König die Lage vollständig klar gelegt, König Konstantin sei endgültig zu dem Beschluss gekommen, dass seine Abdankung im Interesse seines Landes liege.

Wir haben schon öfter Nachrichten über Konstantin (aus dem Hause Sonderburg-Glücksburg) wiedergegeben. Sein endgültiger Rücktritt wird erst im September 1922, wenige Monate vor seinem Tod, erfolgen. Sein Nachfolger wird Georg II. sein, der Sohn Konstantins und Sophies von Preußen, der Schwester Kaiser Wilhelms II.

 

Dienstag, 24. Januar 1922, Abend-Ausgabe

Kein Verkauf der Albertina

Aus Wien wird uns gemeldet: Die im Auslande verbreiteten Nachrichten, dass die Kunstsammlung Albertina für sechs Millionen Dollar verkauft werden soll, sind vollkommen aus der Luft gegriffen. Die in Darmstadt erscheinende Zeitschrift „Cicerone“ hatte eine diesbezügliche Meldung gebracht, die jedoch von zuständiger Seite als falsch bezeichnet wurde, zumal die Albertina nicht Privateigentum des Erzherzogs Friedrich, sondern Staatseigentum ist.

Die Albertina, 1769 gegründet, ist eine der weltweit größten Sammlungen von Zeichnungen und Druckgraphiken. Ein Verkauf war natürlich schon damals ein absurdes Vorhaben. Allein eine einzige Dürer-Zeichnung der zahlreichen Dürer-Zeichnungen der Albertina würde heute im Kunsthandel, nehmen wir einmal die völlig ausgeschlossene Verkaufs-Situation an, ein mehrfaches der damals in Rede stehenden Summe für die gesamte Albertina erzielen.

 

Montag, 30. Januar 1922, Abend-Ausgabe

Die Ostsee vereist.

Infolge des anhaltenden Frostes vollzieht sich die Ostseeschifffahrt nur noch unter den größten Schwierigkeiten. Im Hafen von Stettin hat das Eis bereits eine Stärke von neun Zoll erreicht. Im Haff ist das Eis noch stärker. Die Oderschifffahrt ruht völlig, was für die Kohlenversorgung, die vorläufig auf den Wassertransport angewiesen ist, von bedenklichen Folgen begleitet ist. Die großen Schiffe können im Hafen nur unter starker Eisbrecher- und Schlepperhilfe verkehren. Die im Hafen liegenden Segelschiffe und übrigen Dampfer sind völlig im Eise eingeschlossen. Die Ostsee ist von einer kilometerweiten Eisdecke überzogen. Zwischen Stralsund und der Insel Rügen hat sich eine natürliche Brücke gebildet. Der Verkehr zwischen der Insel und dem Festlande vollzieht sich bereits mit Fuhrwerken. In der Nähe von Saßnitz ist der Kieler Dampfer „Sensa“ vom Eis eingeschlossen. Er rief funktelegraphisch den Bergungsdampfer „Rügen“ an, der jedoch keine Hilfe bringen konnte, da er den Hafen infolge des vorgelegten Eises nicht verlassen kann.

Der Kieler Hafen ist vollständig zugefroren, was seit Jahrzehnten nicht der Fall gewesen ist. Die Fährendampfer verkehren in einer freigehaltenen Fahrrinne unter großen Schwierigkeiten. Auch in der Außenförde hat sich weiterhin starkes tragfähiges Eis gebildet.

 
Foto: DN

Dienstag, 4. Januar 1972

Zuckmayers Stück „Hauptmann von Köpenick“ ist in Stockholm für Schweden erstaufgeführt worden. Das Gladsaxe-Theater brachte das „deutsche Märchen“ als zweite Premiere der neuen Spielzeit heraus. Und Curd Jürgens will den „Hauptmann von Köpenick“ nach Paris bringen. Gegenwärtig ist noch nicht klar, in welchem Theater die Aufführung stattfinden soll. Jürgens will die Titelrolle selbst übernehmen.

In unserer Dezember-Chronik berichteten wir über die Rezeption Zuckmayers in Dänemark. Aber auch in anderen Ländern, wie hier in Schweden, wurde der Schweizer Autor aus Anlass seines 75. Geburtstags wahrgenommen. Die dänische Erstaufführung war 1933, die schwedische erst 1972! Die Aufführung im Kopenhagener Gladsaxeteater war kein Erfolg, die schwedische Inszenierung ebenso wenig. Der Film von 1956 mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle war dagegen in Deutschland ein unerhörter Erfolg (zehn Millionen Zuschauer im ersten Halbjahr). Die Pariser Aufführung kam nicht zustande. Im erfolgreichen Käutner-Film nach dem Zuckmayer-Stück „Des Teufels General“ hatte Jürgens allerdings bereits 1955 die Hauptrolle.

 

Sonnabend, 8. Januar 1972

Kirchenminister Bodil Koch gestorben

Dänemarks ehemaliger Kirchenminister, Frau Bodil Koch, ist im Alter von 68 Jahren gestorben – zu früh für alle, die sie kannten und mit ihr zusammen gearbeitet haben. In einem Nachruf würdigte Staatsminister Jens Otto Krag die Verstorbene als eine Frau, die alle Eigenschaften besaß, um sich die Achtung der Allgemeinheit und die Liebe derjenigen zu sichern, in deren Kreis sie tätig war. Sie vertrat eigenwillige Ansichten und ließ sich immer nur von ihrem Gewissen leiten. Im Verhältnis zu ihrer Partei zeichnete sie sich durch den Willen zu unverbrüchlicher Zusammenarbeit aus, sagte der Staatsminister.

Die Theologin Bodil Koch (1903-1972) war lange Jahre Kirchenministerin. Sie war in ihrer Partei und in der dänischen Volkskirche nicht unumstritten. Andere aber bewunderten sie: Ihr vehementes Eintreten gegen den Vietnamkrieg und ihre Gegnerschaft zur nuklearen Aufrüstung (Ostermarsch) machte sie für die damals Jugendlichen wie den Chronisten, der diese Zeilen schreibt, zu einer beispielhaft aufrechten und unvergessenen Persönlichkeit.

 

Donnerstag, 11. Januar 1972

Zum Tode Aksel Larsens

Gründer der Sozialistischen Volkspartei, Kommunist und Minister, Aksel Larsen, starb Montag früh im Hospital von Frederiksberg. Er hatte sich Donnerstag zu einer Untersuchung seines Gesundheitszustandes selbst ins Krankenhaus begeben. Larsen hinterlässt seine Frau und zwei erwachsene Söhne. Aksel Larsen war einer der beiden ersten kommunistischen Folketingsabgeordneten, die in Dänemark gewählt wurden. Am 16. November 1932 hielt er seinen Einzug in Christiansborg. Seither ist er ununterbrochen Mitglied des Folketings. Zuletzt war er auch Alterspräsident des Folketings. Jahrzehntelang stand Aksel Larsen an der Spitze der Kommunistischen Partei Dänemarks. Als solcher erfuhr er schon Ende der zwanziger Jahre eine jahrelange gründliche Schule in Moskau. Die Politik Josef Stalins vertrat Larsen bis 1958. Im selben Jahr schloss ihn die Partei nach einem internen Konflikt aus. Aksel Larsen blieb jedoch als Einzelgänger im Folketing. 1960 stellte er sich an die Spitze der neuen Sozialistischen Volkspartei. Mit Elan errang er einen erstaunlichen Erfolg. Seine Partei entsandte eine elf Mann starke Fraktion ins Folketing.

Aksel Larsen hatte vielfältige Beziehungen nach Nordschleswig. Nicht nur dass seine (dritte) Ehefrau Gerda geb. Petersen aus Guderup auf Alsen stammt (seine zweite Ehe mit der Buchhändlerin Helga Kastoft wurde 1948 geschieden), er hatte auch einen Sitz im Kontaktausschuss für die deutsche Minderheit in Kopenhagen und war mit unseren Problemen vertraut.

 

Sonnabend, 15. Januar 1972

König Frederik IX. tot – Margrethe II. auf dem Thron

Nach zweiwöchigem Krankenlager ist König Frederik IX. von Dänemark gestern Abend im Alter von 72 Jahren im Kopenhagener Stadtkrankenhaus gestorben. Kurz nach 20 Uhr gab das Hofmarschallamt das Bulletin der Ärzte, Dr. Erich Bandler und Prof. Dr. Kurt Iversen, bekannt. Es lautete: „Seine Majestät König Frederik IX., der seit ein Uhr in der vorigen Nacht ohne Bewusstsein war, ist um 19.50 Uhr still entschlafen.“ Königin Ingrid, König Konstantin, Königin Anne-Marie, Prinz Richard und Prinzessin Benedikte sowie Thronfolgerin Prinzessin Margrethe und Prinz Henrik waren um das Sterbebett des Monarchen versammelt. Sie alle waren am Vormittag in das Krankenhaus gekommen, nachdem die Ärzte eine weitere Verschlechterung im Zustand von König Frederik mitgeteilt hatten.

Alle dänischen Medien werden aus Anlass des 50. Todestages ausführliche Würdigungen des Verstorbenen bringen, aber die Sendezeiten in Rundfunk und Fernsehen wie die Spalten der Zeitungen werden auch auf das damalige (und spätere) Leben der nunmehrigen Königin Margrethe II. einzugehen wissen. So belassen wir es an dieser Stelle mit der obigen kurzen Nachricht vom Tod des Königs.

 

Dienstag, 25. Januar 1972

Künstlerpagode gerettet Die Wende zugunsten des bedrohten Künstlerhauses „La Ruche“ in Paris trat ein, als ein Spender, der nicht genannt sein wollte, eine Million Franc auf den Tisch legte. Da ermannte sich auch der Staat in Person des Kultusministers und stiftete seinerseits 500.000 Francs. Dazu kamen noch etliche private Spenden. Nun kann das Ateliergebäude, das mit seinem pagodenhaften Aussehen von der Pariser Weltausstellung übrig geblieben ist, als gerettet gelten. Es wurde dieser Tage unter Denkmalschutz gestellt. Noch heute leben in dem Haus 54 Maler. Sie setzen die Tradition fort, zu der immerhin Künstler von Weltruf wie Georges Braques, Marc Chagall, Fernand Léger, Amadeo Modigliani gehörten.

La Ruche (Der Bienenkorb) war ursprünglich einer der zahlreichen Bauten, die anlässlich der Weltausstellung von 1900 in Paris errichtet worden waren. Anders als viele andere Bauten auf Montparnasse blieb La Ruche, ein dreistöckiger Rundbau, stehen und wurde zum Zentrum einer Künstlerkolonie. Heute sind in dem damals durch Sartre und andere geretteten Bau Künstlerateliers und eine Galerie für Wechselausstellungen untergebracht. Wir setzen die Meldung hierher, weil auch Franciska Clausen in den Zwanziger Jahren ihren Fuß oft über die Schwelle von La Ruche gesetzt hat.

Im Künstlerhaus La Ruche wird auch Franciska Clausen in ihrer Pariser Zeit aus und ein gehen. Foto: Musée Carnavalet, Paris

Donnerstag, 27. Januar 1971

Bewaffneter Überfall aus Apenrader Bankfiliale

30.000 Kronen erbeuteten zwei Bankräuber gestern Nachmittag bei einem bewaffneten Überfall auf die Sydbank-Filiale im Apenrader Stadtteil Petersburg. Genau fünf Minuten vor Geschäftsschluss betraten sie den Schalterraum. Die einzige Angestellte, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Filiale aufhielt, wurde gerade von ihrer Schwester abgeholt. Wie harmlose Kunden traten die zwei Männer an die Schalter. Der eine erkundigte sich in schlechtem Englisch: „Was gebt ihr für rumänische Yen?“ Als die Angestellte wegen der seltsamen Währung etwas erstaunt „Wie bitte“ nachfragte, zog der Räuber eine Pistole. Die beiden jungen Frauen wurden gefesselt, geknebelt und in einem Nebenraum eingeschlossen. Pünktlich zur üblichen Zeit schlossen die Bankräuber die Eingangstür der Bank ab und holten dann alles erreichbare Geld aus dem Tresor.

Bewaffnete Überfälle kommen in Nordschleswig nicht alle Tage vor. Daher war unsere Zeitung in den folgenden Tagen immer wieder mit dem Bankraub und der Fahndung nach den Tätern befasst. Die erbeutete Summe scheint nicht hoch. Man darf aber nicht vergessen: Damals bekam man dafür in Dänemark zwei bis drei gebrauchte Volkswagen. Eine Übernachtung (mit Vollpension) kostete in einem Apenrader Hotel noch 80 Kronen.

Mehr lesen