Geschichte

Buch über die Grenzgendarmen ehrt übersehene Gruppe Opfer

Buch über Grenzgendarmen ehrt übersehene Gruppe Opfer

Buch über Grenzgendarmen ehrt übersehene Gruppe Opfer

Fröslee/Frøslev
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Poul-Erik Thomsen stellte seines neues Werk über die dänische Grenzgendarmerie und deren Geschichte vor allem in der Besatzungszeit vor. Foto: Violker Heesch

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Poul-Erik Thomsen stellt im Museum „Frøslevlejrens Museum“ sein Buch „Ingen så det komme“ über die am 19. September 1944 von der deutschen Besatzungsmacht festgenommenen dänischen Grenzgendarme vor, von denen 38 nach Deportation in deutsche Konzentrationslager ermordet wurden. Der Autor aus Tingleff dankt Kindern der Verschleppten für Mitarbeit.

Im Beisein von mehreren Angehörigen der dänischen Grenzgendarmen, die nach ihrer Festnahme am 19. September 1944 durch die deutsche Besatzungsmacht in Dänemark nach ihrer Deportation in deutsche Konzentrationslager ermordet wurden, hat der Tingleffer Journalist und Buchautor Poul-Erik Thomsen am Mittwoch sein neuestes Werk über das Schicksal der Grenzwächter nach der deutschen Besetzung Dänemarks vorgestellt. Das Buch weist bereits in seinem Titel „Ingen så det komme“ auf die besonderen Umstände hin, die die Deportation von 141 der 300 festgenommenen und im „Polizei-Gefangenenlager Fröslev“ inhaftierten Grenzgendarme begleiteten.

Ein übersehenes Kapitel der Geschichte

„Das Schicksal der Gendarmen ist ein übersehenes Kapitel der Geschichte“, so Thomsen, der berichtete, dass die Grenzgendarmerie 1920 nach der neuen Grenzziehung als Siegessymbole nach Nordschleswig gekommen seien, nachdem sie zuvor seit 1864 die Königsaugrenze als ein Symbol der dänischen Niederlage bewacht hätten. Thomsen, der sein Werk als eine Chronik der Ereignisse bezeichnete, unterstrich, er sei ja kein Historiker. Er erinnerte aber an die unklare Rolle der Gendarmerie bereits vor und nach der Besetzung Dänemarks am 9. April 1940. Am 8. April sei ihr befohlen worden, bei einer erwarteten deutschen Invasion nicht zu schießen. Dennoch seien am 9. April um 4 Uhr nachts drei Gendarmen im Tunnel am Pattburger Bahnhof von deutschen Eindringlingen niedergeschossen worden. Eine nachgestellte Aufnahme des Geschehens ziert den Buchtitel.

Kommandant der Gendarmerie fand den Tod

„Die deutsche Spionage hatte wohl etwas von den dänischen Anordnungen aufgeschnappt“, so Thomsen, der auch an das Schicksal des Kommandanten der dem dänischen Militär unterstehenden Grenzgendarmerie, Oberst Sven Bartholin Paludan-Müller, erinnerte, der bereits am 22. Mai 1944 in Gravenstein (Gråsten) den Tod fand, weil er sich nicht ergeben wollte, als er wie führende dänische Polizeibedienstete in der „Politimesteraktion“ verhaftet werden sollte. „Er wollte lieber sterben als sich ergeben“, so Thomsen und meinte, Paludan-Müller sei wie Kaj Munk ein Symbol des dänischen Widerstands geworden. Er fügte hinzu, dass Paludan-Müller an Plänen mitwirkte, die Gendarmerie, die nicht wie das dänische Militär schon 1943 von den Deutschen entwaffnet worden war, in eine Untergrundarmee einzubeziehen, die bei einer britischen Landung in Dänemark hätte aktiv werden sollen.

Poul-Erik Thomsen übereichte in Fröslee ein Buch an Ib Jessen, der ihn beim Entstehen des Werkes unterstützt hat. Foto: Volker Heesch

 

Thomsen überreichte zwei anwesenden Söhnen der in KZ-Haft umgekommenen Gendarmen, Karl Jørgen Hansen und IB Jessen, Exemplare seines Buches. Er dankte beiden für die Unterstützung beim Verfassen des Buches. Ib Jessen meinte gegenüber dem „Nordschleswiger“, dass er sich über das Buch freue, damit das Geschehen von vor über 75 Jahren auch den jüngeren Menschen noch vermittelt werde.

 

Ib Jessen freut sich über das Buch, das seiner Ansicht nach dazu beiträgt, das Schicksal der Gendarmen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Foto: Volker Heesch

 

„Es ist sicher etwas anderes, ob persönliche Erinnerungen mitgeteilt und aufgeschrieben werden, als wenn nur schriftliche Dokumente studiert werden“, so Jessen, der als kleiner Junge den Abtransport seines Vaters vom Wohnort Schelde (Skelde) zunächst ins Fröslevlager miterlebt hat. „Niemand hatte mit einer Deportation nach Deutschland  gerechnet“, so Thomsen, der von den Verhören von 141 gefangenen Gendarmen im Lager berichtet, deren Namen in den Lagerakten rot markiert wurden.

Abtransport im Viehwaggon

Das Zeichen gab an, wer am 5. Oktober im Viehwaggon ins Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg abtransportiert werden sollte. Thema sind im Buch die intensiven Bemühungen, eine Rückkehr der Verschleppten zu bewerkstelligen. Der Leiter des zivilen Zollwesens in Tondern (Tønder), der die Zuständigkeit über die Gendarmerie übernommen hatte, zählte ebenso wie der Arzt in Bau (Bov), Hans Lorenzen, zu den Menschen, die sich für die Gendarmen eingesetzt hatten. „Leider kam für viel zu viele die Hilfe zu spät, sie überlebten die Torturen im Konzentrationslager nicht“, so Thomsen. Angehörige hatten vielfach versucht, mit Paketen Nahrung und Kleidung an die Verschleppten zu schicken. Nach der Befreiung war meist nur von den Widerstandskämpfern und den Polizisten die Rede, die verschleppt worden waren. Die Gendarmerie geriet in Vergessenheit, wurde sie doch schon in den 1950er Jahren aufgelöst.

Der Autor bedankte sich unter anderem bei Forschungsleiter Hans Schultz Hansen, Staatsarchiv Apenrade, für die Unterstützung bei der Archivarbeit, verschiedenen Stiftungen und auch bei seiner eigenen Familie und der Tinglev Bogtryggeri für die Unterstützung beim Buchprojekt. Das mit zahlreichen, meist historischen Fotos illustrierte Buch ist 180 Seiten stark, es ist zum Preis von 200 Kronen ab dem 25. Oktober im Buchhandel und über den Buchvertrieb des Vereins „Historisk Samfund for Sønderjylland“ erhältlich.  

 

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