Sexuelle Orientierung

Die facettenreichen Farben der Pride in Nordschleswig

Die facettenreichen Farben der Pride in Nordschleswig

Die facettenreichen Farben der Pride in Nordschleswig

Nina Stein
Nina Stein
Apenrade/Aabenraa
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Dieses Jahr nahmen etwa 200 Menschen an der Pride-Parade teil. Foto: Nina Stein

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Bunt, bunter, Pride. Unsere „Nordschleswiger“-Praktikantin Nina Stein war auf dem Höhepunkt der Pride-Week und hat ihre Erlebnisse eingefangen. Wie wichtig der Tag immer noch ist, zeigt ihr eine Situation während der Veranstaltung.

Die Schuhe in Grün, die Hose Rot-Blau gestreift und meine Socken tragen die Farben des Regenbogens. Mein Lid bemale ich mit Türkis, Grün und Gold. Auf meine Wangen streiche ich mir Highlighter, die Augen umrande ich mit Glitzer. Heute kann es ruhig etwas auffälliger sein. Doch als ich kürzlich in Apenrade (Aabenraa) auf dem Weg zur Pride Parade bin und die ausgefallenen Outfits der Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehe, bekomme ich zum ersten Mal Zweifel: Falle ich doch möglicherweise aus der Masse?

 

Für Nina war es ihre erste Pride. Foto: Nina Stein

Eine halbe Stunde bevor die Parade beginnt, ist der Genforeningspark noch recht überschaubar gefüllt. Die Freiwilligen von Aura Aabenraa stehen mit einer Box in den Startlöchern und bereiten die Parade vor. Eine von ihnen ist Line Elvik, die direkt auf mich zukommt und mir Regenbogenfahnen in verschiedenen Größen anbietet.

„Es ist ein wichtiges Event für die Community und das wollen wir zeigen“, sagt die 22-Jährige. Bereits vergangenes Jahr ist sie als Anhängerin mitgelaufen. „Wir haben eine enge Gemeinschaft.“ Mit der Pride-Parade wollen sie Menschen aus der LGBTIQ+-Community zeigen, dass Menschen wie sie in Apenrade existieren. Zudem sei die Parade laut Line eine Möglichkeit, neue Freundschaften zu schließen.

Line Elvik, 22 Jahre Foto: Nina Stein

Während ich darauf warte, dass es losgeht, läuft ein kleines Mädchen auf mich zu, sie drückt mir ein paar Luftballons in die Hand, ruft „Hej Hej“ rennt wieder davon. Sie selbst hat auch ein paar Luftballons in der Hand, mit denen sie freudig über den Platz hüpft.

Mit Luftballons und Regenbogenfahne geht es los. Foto: Nina Stein

Erstmals Protest gegen die Pride-Parade

Nachdem die Aura-Aabenraa-Freiwilligen vor Bürgermeister Jan Riber Jakobsen (Konservative) eine kurze Ansprache gehalten haben, geht der Umzug um 13.15 Uhr los.

Musik von Lizzo, Britney Spears und Queen ertönt aus einem mobilen Lautsprecher. Künstlerinnen und Künstler, die für freie Selbstbestimmung stehen. Und natürlich darf auch Lady Gaga nicht fehlen – von „Bad Romance“ bis „Stupid Love“. Die Musikerin steht wie keine andere für die LGBTIQ+-Community und hat mit „Born This Way“ der Pride ihre Hymne gegeben. Auf vielen Schildern ist genau das vermerkt. Es verwundert daher nicht, dass es lauter wird, als die ersten Töne des Songs erklingen. Nur „YMCA“ sorgt für eine noch lautere Stimmung und bringt die Menschen während ihres Weges zum Tanzen.

Begriffsdefinitionen – Pride

Queer: Das Wort ist ein Anglizismus und ein Begriff für Personen, die sich nicht mit der heteronormativen Norm identifizieren. Er kann mit „seltsam“ oder „sonderbar“ übersetzt werden und wurde in der Vergangenheit abwertend benutzt. Mit der Aids-Bewegung haben die queeren Menschen den Begriff jedoch aufgewertet und nutzen ihn nun, um sich selbst zu bezeichnen.

Heteronormativität: Das ist eine Weltanschauung, die nur zwei Geschlechter (männlich und weiblich) und heterosexuelle Beziehungen anerkennt.

Nicht-binär: Weicht vom traditionellen Modell der zwei Geschlechter ab. Ein Begriff, mit dem sich Menschen definieren, die sich weder ausschließlich als Frau noch ausschließlich als Mann fühlen.

LGBTIQ+: Diese Abkürzung steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Trans*, Intersexual, Queer und Plus. Das Plus steht für alle anderen Menschen, sie sich diesen Begriffen nicht zuordnen. Das Kürzel wurde im Laufe der Jahre ergänzt und ausgebaut, es gibt verschiedene Varianten.

Sexuelle Orientierung: Die sexuelle Orientierung gibt an, zu wem man sich emotional und sexuell hingezogen fühlt. Dazu zählen unter anderem die Homosexualität, Bisexualität oder auch die Pansexualität.

Transgender: Oberbegriff für alle Menschen, deren Geschlechtsidentität (teilweise) nicht dem ihnen körperlich zugeordneten Geschlecht entspricht.

FLINTA: Frauen, Lesben, Inter-Personen, nichtbinäre Menschen, Transsexuelle und Agender.

Wir haben realisiert, dass Menschen uns noch immer dafür hassen, wer wir eigentlich sind. Deswegen machen wir weiter.

Camilla Johansen, Freiwillige von Aura Aabenraa

Bevor die Menschenmenge die Innenstadt erreicht hat, trifft sie auf die ersten Gegner der Veranstaltung. „Dieses Jahr hatten wir zum ersten Mal Protestierende gegen uns“, erklärt Camilla Johansen von Aura Aabenraa. Die sieben Protestierenden werden von Pride-Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Humor genommen. Sie fangen an zu lachen und winken ihren Gegnerinnen und Gegnern mit einem Lächeln zu. Ein Nebengeschmack bleibt dennoch. „Wir haben realisiert, dass Menschen uns noch immer dafür hassen, wer wir eigentlich sind. Deswegen machen wir weiter.“ Es ist Camillas zweite Pride. Auf das Thema aufmerksam geworden ist sie durch ihre Schwester, die eine der ersten Freiwilligen der LGBTIQ+-Community in Apenrade war.

Zum ersten Mal gab es Protest gegen die Pride Parade. Foto: Nina Stein

Unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Farben

Vornehmlich FLINTA-Personen haben sich der Pride-Parade angeschlossen, aber auch einige Männer sind in der Menge zu finden. Viele der Teilnehmenden haben ihr Outfit von Kopf bis Fuß angepasst: Sie tragen Blumenkronen, haben sich Strähnen in die Haare geflochten oder stechen mit ihrem ausgefallenen Make-Up hervor. Manche sind dagegen etwas unauffällig gekleidet, doch allen ist es wichtig, sich zu zeigen.

Auch einige Männer haben sich der Parade angeschlossen. Foto: Nina Stein

Es macht mir bewusst, dass nicht nur die bekannten „grellen“ Farben zur Pride gehören, sondern auch gedecktere oder pastellfarbende Töne. Meine anfängliche Sorge, dass mein Outfit zu „auffällig unauffällig“ ist, ist vollkommen unberechtigt. Denn „Bunt“ steht nicht nur für eine begrenzte Auswahl, sondern für alle. Und so finden sich in der Parade nicht nur Menschen, die aufgrund ihrer Sexualität Diskriminierung erfahren haben, sondern ebenso Personen, die die LGBTIQ+-Community unterstützen und die Liebe in ihren unterschiedlichen Formen feiern.

Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gehören auch Personen, die sich als heterosexuell identifizieren, aber die LGBTQIA+-Community unterstützen. Foto: Nina Stein

Viele von ihnen haben sich eine Fahne um die Hüfte oder das Schlüsselbein gebunden. Neben den bekannten Regenbogen und Progress-Flags, gehören dazu auch die der verschiedenen Sexualitäten wie Pansexualität, Asexualität oder Transsexualität.

Eine von ihnen ist die 17-jährige Linea Rosendahl Arnesen, die eine Flagge mit den Farben Rot, Orange, Weiß, Rosa und Magenta um sich trägt – die Flagge der Lesben. „Ich möchte zeigen, wer ich bin. Ich möchte zeigen, was meine Interessen sind. Ich möchte zeigen, wen ich liebe“, erzählt Linea, die normalerweise nicht gerne auf solche Events geht. Die Pride-Parade war ihr dennoch ein großes Anliegen. „Vergangenes Jahr war ich mit meiner Schwester hier, aber dieses Mal konnte sie leider nicht.“ Ganz allein ist Linea aber nicht. „Ein paar meiner Freunde werden später noch dazukommen.“

Linea Rosendahl Arnesen trägt die Flagge der lesbischen Sexualität. Foto: Nina Stein

Pride begeistert die Menschen auf den Straßen

An den Straßen stehen viele Menschen und verfolgen das Spektakel. Zahlreiche Personen kommen aus den Geschäften und kramen ihr Handy heraus. Einige haben selbst eine Regenbogenfahne oder Plakate mit der Aufschrift „Love is never wrong“ (Deutsch: Liebe ist niemals falsch) in der Hand. Menschen hupen und winken aus ihren Autos. Und auch die Polizistinnen und Polizisten, die mit Autos und Fahrrädern die Parade begleiten, müssen sich ihr Lächeln verkneifen, aber auch sie lassen es sich nicht nehmen, die bunten Menschen mit ihrem Handy festzuhalten.

Einige Besitzerinnen und Besitzer haben ihr Geschäft auf die Pride-Week angepasst. Foto: Nina Stein

Vom Genforeningspark durch die Innenstadt geht die Parade weiter über den Tøndervej zur Arena Aabenraa. Eine Strecke von etwa fünf Kilometern, die nach einiger Zeit durch die schwüle Hitze zu spüren ist. Da das Angebot der Pride-Week im vergangenen Jahr nicht wie erhofft angenommen wurde, habe man die Parade dafür verlängert. „Wir haben einen längeren Weg. Wegen der Hitze haben einige der Teilnehmenden gesundheitliche Probleme bekommen, daher werden wir diesen zum nächsten Jahr wieder kürzen“, sagt Camilla Johansen.

Sie schätzt, dass ungefähr 200 Leute bei der Parade mitgelaufen sind. „Das ist etwas weniger als vergangenes Jahr.“ Sie vermutet, dass viele, die vergangenes Jahr dabei gewesen sind, dieses Jahr teilgenommen haben. „Gerade finden auch sehr viele andere Events in der Kommune Apenrade statt.“ Ein weiterer Faktor ist vermutlich auch die Pride in Aarhus, zu der vermutlich einige Menschen auch aus Nordschleswig angereist sind.

Camilla Johansen ist durch ihre Schwester auf die Pride aufmerksam geworden. Foto: Nina Stein

Bis auf einen Getränkestand ist an der Arena nichts aufgebaut. Manche Gruppen haben ihr eigenes Essen mitgebracht und erholen sich von dem langen Spaziergang. Für einige geht es nachher noch zur Drag-Show im Nygadehus. Die große Menschenmenge löst sich allmählich auf. Der Höhepunkt der Pride-Week endet somit, die Botschaft reicht jedoch noch weit darüber hinaus. Camilla Johansen sagt: „Ihr könnt uns hassen, aber wir bleiben trotzdem da.“

Vom Genforeningspark durch die Innenstadt geht es über den Tøndervej zur Arena Aabenraa Foto: Nina Stein
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