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Modellbau vertreibt die trüben Gedanken

Modellbau vertreibt die trüben Gedanken

Modellbau vertreibt die trüben Gedanken

Jan Sternkopf
Jan Sternkopf Journalist
Apenrade/Aabenraa
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In einer Ecke des Wohnzimmers hat sich Jens Closter seine Bastel-Platz eingerichtet. Vor ihm das Modell von Restaurant Knapp, im Hintergrund ahnt man auch das Schloss Brundlund. Foto: Jan Sternkopf

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Wenn der 67-jährige Jens Closter seine Modelle baut, vergisst er Zeit und Raum. So bekommt er seine Rastlosigkeit unter Kontrolle. Gleichzeitig werden die trüben Gedanken in Schach gehalten – eine Folgeerscheinung seines psychischen Leidens. Der ehemalige Technikum-Ingenieur ist nämlich manisch-depressiv. Er bekennt sich offen zu seiner Krankheit.

Stillsitzen ist nicht so Jens Closters Sache. Immer ist der heute 67-jährige am Werkeln. Entweder schreinert er sich ein neues Bett, einen Schrank, ein Regal oder er schnitzt Skulpturen aus Holz.

Viele Jahre baute er ebenfalls Schiffsmodelle.

„Aber nach 15 Stück wurde mir das dann zu eintönig“, erzählt der gelernte Maschineningenieur.

Seit 2017 baut er Modelle von Häusern und Gebäuden, oft historische und bekannte aus dem Apenrader Stadtbild und der Umgebung. In dieser Woche verlässt wieder ein abgeschlossenes Projekt die Wohnung am Fuglsang 7 in Apenrade, wo der gebürtige Stolliger mit seiner Ehefrau Anita lebt.

Diesmal ist es die ganze Anlage am Restaurant Knapp, die Jens Closter maßstabgetreu nachgebaut hat – im Laufe von nur 16 Tagen.

„Ich arbeite schnell – das habe ich immer getan, auch als ich noch bei Sønderjyllands Maskinfabrik in Jordkirch tätig war. Oft kann ich nachts nicht schlafen, und bevor mir dann die Gedanken davonlaufen, dann steh´ ich lieber auf und bastel weiter“, erzählt Jens Closter.

Psychisch krank

Ursache ist eine psychische Krankheit, an der er schon seit vielen Jahren leidet.

Jens Closter ist manisch-depressiv. Aber erst nach 20 Jahren, etlichen Aufenthalten in der psychiatrischen Heilanstalt in Augustenburg und einer falschen Diagnose konnte festgestellt werden, was mit ihm wirklich los war.

„Das war ein harter Kampf, bis es endlich so weit war. Aber dann passte plötzlich alles – auch wenn ich auf die Jahre vorher zurückblicke. Mein Aktivitätsniveau war immer sehr hoch. Ich bin ein Meister der Effektivität. Aber jetzt, wo ich weiß, worauf ich aufmerksam sein muss, kann ich die Signale erkennen und mich darauf einstellen. Ist nicht immer leicht, aber es geht“, so Jens Closter, der aus seinem Zustand keinen Hehl macht.

„Ich stehe dazu – auch öffentlich“.

Eine Folgeerscheinung seiner Krankheit sind die vielen Gedanken, von denen es in seinem Kopf nur so wimmelt (tankemylder). Und im Fall Jens Closter lassen sie sich nicht kontrollieren.

Gedankenkarussell

„Bei normalen Menschen dreht sich dieses Gedankenkarussell auch, bei mir geschieht das jedoch bei Tempo 250. Mit der Bastelarbeit kann ich diese Gedanken in Schach halten und gar verdrängen“, erklärt der Ingenieur, der bereits 2001 aufgrund seiner Krankheit seine Arbeit bei SM in Jordkirch aufgeben musste.

Das Modellbauen kam beim ersten Corona-Lockdown richtig in Fahrt. Seine Werke sind beispielsweise kleine Tableaus, die Szenen aus Märchen oder aus der Stadtgeschichte darstellen.

„Es fing eigentlich mit einem Modell-Auto an, einem Trabant. Ich sammle Modell-Autos und bin überhaupt sehr an Autos interessiert. Das Auto baute ich in eine Szene, die einen Straßenzug in der ehemaligen DDR darstellt.“

Jetzt ist er bei Modell-Nummer 51 angelangt. Jüngst wurden Modelle von Schloss Brundlund, von der Kirche in Loit (Løjt) und vom Restaurant Knapp fertiggestellt. Nur wenige hat er bei sich zu Hause in der Wohnung stehen.

„Die meisten verschenke ich. „Rundemølle“ hat ein großes Modell der Mühle bekommen, sozusagen als Puppenhaus, die Kirche in Loit wollte der Kirchengemeinderat  haben, und das Restaurant Knapp geht an Gastwirt Per Dupont.“

Maßarbeit

Zurzeit hat sich Jens Closter an das Museum Jacob Michelsens Hof in Apenrade (Aabenraa) herangewagt.

„Ich nehme alle Maße selbst und überführe die Daten auf mein Zeichenbrett. Dann schneide ich die einzelnen Teile in kräftigem Karton, die zunächst zur Probe zusammengesetzt werden, damit ich, falls nötig, noch kleine Details ändern kann“, erklärt Closter, der entweder im Maßstab 1:87 oder 1:43 arbeitet. Ein seltenes Mal auch 1:16.

„Die Puppenhäuser sind normalerweise entweder 1:16 oder 1:18. Es hängt davon ab, ob ich für ein Projekt die passenden Figuren habe. Denn Menschen müssen mit dabei sein – das macht das ganze mehr lebendig.“

Seine Ecke im Wohnzimmer

Er hat sich im Wohnzimmer eine Ecke eingerichtet, wo er sich mit allen Utensilien gleich bei der Hand voll auf die Aufgabe konzentrieren kann. Dann vergeht die Zeit wie im Flug.

Ihm macht die Bastelei ganz einfach Spaß, und oft sitzt ihm dabei auch der Schalk im Nacken. Denn trotz seiner psychischen Krankheit ist ihm der Humor geblieben.

So hat die Hexe im Tableau mit Hänsel und Gretel gar ein Motorrad – eine alte Zündapp Militärmaschine. Und im Teich zum „Knapp“ ahnt der aufmerksame Beobachter eine Haifisch-Finne, die durch die Wasseroberfläche schneidet.

„Künstlerische Freiheit“ nennt er diese kleinen Kalauer.

Ob jetzt „Verfremdungseffekt" oder Änderung zum Scherz, Jens Closter bringt in seinen Werken gern seine persönliche Meinung zum Ausdruck.

Natürlich hätte er am liebsten seine Tätigkeit als Ingenieur fortgesetzt.

„Meine Arbeit bei SM – davor bei Maskinfabrikken Bjørnkjær in Aarhus - im Bereich Wärmeaustausch und Druckbehälter war super-interessant und wirklich ergiebig. Aber mit meiner Krankheit geht das leider nicht mehr.

Jens Christian Jensen Closter ist in Stollig auf der Halbinsel Loit/Løjt geboren. Er besuchte die Schule in Loit, ließ sich zum technischen Assistenten in Apenrade/Aabenraa ausbilden und machte in Sonderburg/Sønderborg sein Examen als Technikum-Ingenieur im Fachgebiet Thermodynamik.

Er war früher angestellt bei Sønderjyllands Højspændingsværk unter Sønderjyllands Maskinfabrik in Jordkirch/Hjordkær und Maskinfabrikken Bjørnkjær in Aarhus.

Im Jahre 2001 musste 2001 seine Arbeit aufgeben.

Jens Closter leidet an einer psychischen Krankheit – er ist als manisch-depressiv diagnostiziert.

Seit August 1998 ist er mit Anita Closter verheiratet. Glücklich verheiratet, betont Jens Closter. Seine Frau ist eine geborene Hansen aus Apenrade. Wie er leidet auch sie an einer psychischen Krankheit. Sie trafen sich als Patienten während eines Aufenthaltes im psychiatrischen Krankenhaus in Augustenburg. Beide machen keinen Hehl aus ihrer Krankheit.

Dem Modellbauer Jens Closter sitzt oft der Schalk im Nacken. Trotz seiner psychischen Krankheit hat er seinen Humor nicht verloren. Foto: Jan Sternkopf
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