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Darum geht es dem Dorsch der Ostsee so schlecht

Darum geht es dem Dorsch der Ostsee so schlecht

Darum geht es dem Dorsch der Ostsee so schlecht

Kopenhagen/Kiel/Rostock
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Jahrelange Überfischung, wenig Nachwuchs und dazu Umweltänderungen haben den Dorschbestand in der westlichen Ostsee schrumpfen lassen. Foto: Lars Laursen/Biofoto/Ritzau Scanpix

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Im kommenden Jahr darf in der westlichen Ostsee nur noch ein Bruchteil der bisherigen Fangmengen angelandet werden. Zwei Wissenschaftler erläutern die Gründe.

Was kürzlich die Europäische Union beschlossen hat, wird nicht nur Berufs-, Nebenerwerbs- und Sportfischer treffen, sondern sich vermutlich auch auf die Verbraucher auswirken, die Fisch essen, und auf die Menschen, die an der Ostsee leben.

Drastische Reduktion der Fangquote

Die EU-Mitgliedsstaaten haben eine drastische Reduktion der Fangquoten für Dorsch und Hering in der westlichen Ostsee beschlossen. Im Vergleich zu diesem Jahr dürfen im kommenden 88 Prozent weniger Dorsch und 50 Prozent weniger Hering gefangen werden. Eine gezielte Fischerei auf Dorsch soll nicht mehr stattfinden.
 

 

Wir haben uns darauf verständigt, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um unsere Fischbestände zu schützen.

Rasmus Prehn (Soz.), dänischer Fischereiminister

„Wir haben uns darauf verständigt, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um unsere Fischbestände zu schützen“, so der dänische Fischereiminister Rasmus Prehn (Soz.) nach den Verhandlungen in Luxemburg.

Ein Schritt, der für Rainer Froese, Wissenschaftler am Geomar in Kiel, schon viel früher hätte gegangen werden sollen. Für ihn steht fest: Der Dorsch in der Ostsee ist überfischt und das seit Jahren. Er verweist auf eine Grafik des ICES, aus der hervorgeht: Der Befischungsdruck liegt seit Jahrzehnten weit über dem Level, den Wissenschaftler des internationalen Meeresrates für vertretbar ansehen. Auch wenn dieser Druck mittlerweile nachgelassen hat, so liege er, rechnet Froese vor, immer noch dreimal höher über dem, den der Bestand aushalten könne.

Froese: Fangmengen immer noch zu hoch

Die jetzige Vereinbarung sieht der Biologe kritisch, die Fangmenge ist seiner Ansicht nach immer noch zu hoch. Mit den erlaubten kommerziellen Fängen von knapp 490 Tonnen und einem Dorsch pro Tag pro Angler werde die legalisierte Überfischung der, so Froese, letzten Dorsche auch im nächsten Jahr weitergehen.

Diese Worte lassen die Aussichten für Fischer, Angler und für alle, die sich eine gesunde Ostsee wünschen, düster erscheinen.

Der Dorschbestand in der westlichen Ostsee wurde 19 Jahre überfischt, bis er 2015 zusammenbrach.

Dr. Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei

Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock, sagt am Ende des Gesprächs mit dem „Nordschleswiger“: „Ich bin Optimist.“ Er erwartet, dass sich die Fischbestände in der Ostsee erholen, auch wenn er die Situation für Dorsch und Hering in der Ostsee ebenfalls als sehr angespannt ansieht. Für ihn kommen mehrere Ursachen zusammen. Vornan steht die Überfischung. Zimmermann sagt: „Der Dorschbestand in der westlichen Ostsee wurde 19 Jahre überfischt, bis er 2015 zusammenbrach.“

Dorsch ist nicht gleich Dorsch. Wissenschaftler machen zwei verschiedene Dorschbestände in der Ostsee aus – einen in der östlichen und einen in der westlichen Ostsee mit der Grenze bei der Insel Bornholm – hier Ost- bzw. Westdorsch genannt. Die Bestände laichen zu unterschiedlichen Zeiten, der Westdorsch im Winter bis zum Frühjahr, der Ostdorsch später, Frühjahr bis Sommer.

Ostseedorsch: Zwei Bestände, gleiches Schicksal

Im Grunde, so Zimmermann, widerfahre dem Westdorsch nun das Gleiche wie dem Ostdorsch. „Vor drei Jahren wurde die gezielte Befischung auf den Ostdorsch eingestellt, weil dort der Bestand eingebrochen war“, so Zimmermann. Der Westdorsch hingegen konnte längere Zeit den Befischungsdruck mit einer hohen Zahl an Nachkommen ausgleichen, doch dieser vermehrt sich nun auch schon einige Jahre nur noch schlecht – mit einer Ausnahme im Jahr 2016.

Der Ostdorsch hatte es in der Vergangenheit schwer. Damit sich Laich entwickeln kann, braucht der Dorsch einen gewissen Salzgehalt, den findet er in der östlichen Ostsee dort in größeren Tiefen, wo es aber mittlerweile keinen oder zu wenig Sauerstoff gibt. Der fehle, so Zimmermann, weil zu viele Nährstoffe in die Ostsee gelangten. Dies führt zu vermehrtem Algenwachstum und, wenn diese absterben, zu Sauerstoffschwund. Der Platz zum Laichen ist knapp geworden für den Dorsch im Osten. Aber nicht nur das.

Dem Ostsee geht die Nahrung aus

In einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ macht der Kieler Wissenschaftler Rainer Froese auch deutlich, dass dem Dorsch in der östlichen Ostsee die Nahrung ausgeht. Am Boden lebten aufgrund des Sauerstoffmangels keine Würmer, Krebse und Muscheln mehr. Den starken Befall von Leberparasiten, den die Dorsche dort erleiden, führt er auf die Schwäche der Fische zurück. Die Parasiten werden durch Meeressäugetiere wie Robben übertragen, deren Bestand in der östlichen Ostsee zugenommen hat. Dem „Nordschleswiger“ teilte Froese mit, erst die Unterernährung mache die Fische anfällig für die Parasiten, die Robben selbst, auch als Räuber, sieht er wie Kormorane nicht als Problem an.

 

 

Ostsee-Zonen laut internationalem Meeresrat ICES. Die Insel Bornholm trennt die westliche von der östlichen Ostsee.

 

Der Dorsch hat es nicht gern warm

Der Dorsch allgemein hat es nicht so gern warm. „In der westlichen Ostsee kann der Bestand sich nicht einfach nach Norden verschieben, die dänischen Inseln sind im Weg. Gleichzeitig kann er nicht in größere Tiefen ausweichen, die gibt es in der westlichen Ostsee nicht“, so Christopher Zimmermann. Und auch hier hat die Überdüngung Folgen, auch der westlichen Ostsee geht immer wieder die Luft aus.

So lässt Überfischung den Bestand schrumpfen, der sich aufgrund schlechterer Umweltbedingungen nicht mehr ausreichend vermehren kann. „Aber wie das in der westlichen Ostsee genau zusammenhängt, das wissen wir nicht, das ist Gegenstand der Forschung.“

Ökosystem Ostsee unter Druck

Das Ökosystem Ostsee ist, das lässt sich erkennen, ziemlich unter Druck. Obwohl es auch einmal aufwärts ging. Nach der Wende wurden in Ostdeutschland und im ganzen osteuropäischen Einzugsbereich der Ostsee Klärwerke gebaut, das habe man im verminderten Nährstoffeintrag deutlich erkennen können, so Zimmermann. Doch in den vergangenen 10 bis 15 Jahren stagniere der Nährstoffeintrag.

Alles hängt mit allem zusammen, das macht es so kompliziert.

Dr. Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei, Rostock

Die intensive Landwirtschaft produziert seinen Worten nach immer noch große Mengen an Gülle und damit an Nährstoffen, die ins Wasser gelangen. Daran etwas zu ändern sei sehr schwer. Es gebe massiven Widerstand in der Landwirtschaft. Und da der Bedarf an Biodiesel gestiegen ist, wurde die Landwirtschaft weiter intensiviert, so der Wissenschaftler. Was wiederum zu mehr Nährstoffeintrag in die Ostsee führt, trotz schärferer Regeln. „Alles hängt mit allem zusammen, das macht es so kompliziert“, so Zimmermann.

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