Gesellschaft
Warum die Debatte um Sterbehilfe wieder Fahrt aufnimmt
Warum die Debatte um Sterbehilfe wieder Fahrt aufnimmt
Warum die Debatte um Sterbehilfe wieder Fahrt aufnimmt
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Nach den Sommerferien wird das Folketing erneut über Sterbehilfe diskutieren. Je länger die Debatte in der Öffentlichkeit andauert, desto mehr Menschen werden an dem Zuspruch für Sterbehilfe zweifeln, vermutet der Vorsitzende des Ethikrates – und liefert dafür Beispiele.
Als Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) im Juni das Folkemødet auf Bornholm eröffnete, sprach sie sich für Sterbehilfe aus.
„Ich weiß, dass dies eine schwierige Debatte ist. Und ich weiß, dass der Ethikrat sich wiederholt dagegen ausgesprochen hat. Ich persönlich sehe das ganz anders. Und vieles deutet darauf hin, dass es anderen genauso geht wie mir“, so Frederiksen.
Diese Annahme wird durch eine Meinungsumfrage bestätigt, die Voxmeter im Auftrag der Nachrichtenagentur „Ritzau“ zwischen dem 23. und 27. Juni – unmittelbar nach dem Folkemødet – durchgeführt hat.
Hier antworteten 63 Prozent der 1.000 repräsentativ befragten Personen, dass sie der Meinung sind, dass Sterbehilfe in Dänemark legal sein sollte. 19,2 Prozent antworteten mit Nein, und 17,8 Prozent mit Weiß nicht.
Debatte im Folketing im Oktober
Ob Sterbehilfe in Zukunft in Dänemark erlaubt werden könnte, wird sich zeigen, wenn das Folketinget Anfang Oktober, kurz nach seiner Eröffnung, mit der Behandlung eines Bürgerantrags zur „Legalisierung der aktiven Sterbefälle“ mit 50.000 Unterschriften beginnt.
Zuvor wurde der Ethikrat gebeten, eine Stellungnahme abzugeben. Das letzte Mal, dass der Rat sich zu diesem Thema äußerte, war im Jahr 2012, als sich die große Mehrheit der Mitglieder gegen eine Gesetzesänderung aussprach.
Dieses Mal wird der Rat wohl weniger direkt Stellung beziehen, sagt der Vorsitzende des Ethikrates, Leif Vestergaard Pedersen. „Vielleicht ist das Wichtigste nicht, ob wir dafür oder dagegen sind, sondern dass wir die Debatte nuancieren und bereichern. So müssen sowohl die möglichen Vorteile der Sterbehilfe als auch die ethischen Herausforderungen hervorgehoben werden“, sagt Pedersen.
Große Unwissenheit über Sterbehilfe
Er weist darauf hin, dass in der Umfrage rund 40 Prozent der Befragten die Sterbehilfe ablehnen oder nicht darüber Bescheid wissen. „Das zeigt, dass es schwierig ist, und je mehr Diskussionen es gibt, desto mehr Menschen werden meiner Meinung nach Zweifel haben“, glaubt der Vorsitzende.
Diese Vermutung teilt auch der ehemalige Abgeordnete der Liberalen Allianz Joachim B. Olsen. Gemeinsam mit dem parlamentarischen Gesundheitsausschuss besuchte er 2014 die Niederlande, die 2002 als erstes Land der Welt die Sterbehilfe erlaubten.
Ich dachte, es sei einfach, weil es um sehr kranke ältere Menschen geht, die bald sterben werden. Aber ich hatte meine Zweifel, als ich erfuhr, dass Sterbehilfe in den Niederlanden auch für Kinder gilt.
Joachim B. Olsen, ehemaliger Abgeordneter
Vor dem Besuch tendierte er zu einem Ja – nach seiner Rückkehr hatte er seine Zweifel. Das liegt primär daran, dass die Sterbehilfe in den Niederlanden für mehreren Gruppen möglich ist.
„Ich dachte, es sei einfach, weil es um sehr kranke ältere Menschen geht, die bald sterben werden. Aber ich hatte meine Zweifel, als ich erfuhr, dass Sterbehilfe in den Niederlanden auch für Kinder gilt, wenn ihre Eltern zustimmen. Es ist unmenschlich, diese Verantwortung den Eltern aufzubürden, und einer der Gründe, warum ich meine Zweifel hatte und jetzt dagegen bin“, sagt Joachim B. Olsen, der jetzt als politischer Kommentator tätig ist.
Diskussion darüber, für wen es erlaubt sein sollte
Søren Harnow Klausen, Philosophieprofessor an der Universität Süddänemark, ist überzeugt, dass die Debatte nicht darüber geführt werden sollte, ob die Sterbehilfe legalisiert wird, sondern wie.
„Wir bewegen uns in die Richtung, dass Sterbehilfe Realität wird. Anstatt darauf zu bestehen, dass sie unter keinen Umständen erlaubt wird, sollten wir jetzt darüber sprechen, in welchen Situationen Sterbehilfe möglich sein sollte und welche Gruppen davon betroffen sein sollten“, meint Harnow Klausen.
Der Professor selbst spricht sich für die Möglichkeit aus, zweifelt aber daran, ob Sterbehilfe auch für psychisch Kranke und Kinder gelten sollte. Hier könnte ein Kompromiss darin bestehen, dass die Option nur Menschen eingeräumt wird, die unheilbar krank sind und nur noch eine begrenzte Lebenserwartung haben.