Leitartikel

„Das andere Dänemark“

Das andere Dänemark

Das andere Dänemark

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Vom neuen Abschiebelager über Grenzkontrollen bis zu verschärften Asylgesetzen: Dänemarks Politik pflegt ein Image als harter Hund in der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Dessen ungeachtet setzen sich viele Dänen abseits der politischen Rituale ganz nüchtern für die Rechte von Flüchtlingen ein. Bemerkenswert, meint Cornelius von Tiedemann.

Häufig, auch an dieser Stelle, wird darüber berichtet, wie harsch die Rhetorik in der Ausländerpolitik in Dänemark ist. Wie hart die Gesetze sind. Wie ein „Wir“ gegen „Die“ geschürt wird.

Doch es gibt auch ein anderes Dänemark. Es gibt Menschen, die nicht schüren oder streiten, die nicht provozieren oder sich verweigern, sondern die ganz einfach etwas tun.

Abseits von politischen Debatten über sogenannten „Realismus“ oder „Naivität“ in der Flüchtlingsfrage zum Beispiel, engagieren sich die, die sich damit auskennen, was Recht und was Unrecht ist.

Der Verband aller in Dänemark zugelassenen Anwältinnen und Anwälte, Advokatsamfundet, hat sich bereits vor fünf Jahren auf Initiative des europäischen Dachverbandes und des Deutschen Anwaltvereins daran beteiligt, Juristinnen und Juristen auf die griechische Insel Lesbos zu schicken, um die vielen dort gestrandeten Menschen aus Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten juristisch zu beraten.  

Tausenden Menschen haben auch dänische Anwälte so seither helfen können, zu ihrem Recht zu kommen. Obwohl der politische Mainstream sich nach und nach darauf zu einigen scheint, dass sie nur dann gelten, wenn die Sonne scheint: Menschenrechte gelten für jeden Menschen, immer und überall.

Inzwischen ist die Hilfe von Samos auch auf ein Flüchtlingslager auf der Insel Samos ausgeweitet worden. Denn auch wenn wir in Dänemark von den humanitären Katastrophen abseits der Frage, wann wir jetzt wieder in die Disco dürfen, nicht viel mitbekommen: Das Leid ist nicht verschwunden, seit wir es nicht mehr hineinlassen.

Handeln die Juristen richtig, wenn sie Menschen dabei helfen, in der Europäischen  Union als Flüchtlinge anerkannt zu werden? Die Frage werden manche mit Nein beantworten. Doch wie können sie das?
Es ist keine Geschmacksfrage, keine Einstellungssache. Es geht darum, dem Recht zu seinem Recht zu verhelfen, dort, wo Menschen ganz real und hier und jetzt Rechtsbeistand brauchen.

Die Frauen und Männer nutzen ihre Sachkompetenz, um Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen. Ja, auch jenen, die nach Europa kommen, um der Armut zu entkommen. Auch sie haben das Recht auf Rechtsbeistand und eine faire Chance, sei sie auch noch so klein.

Doch sie helfen auch Menschen, die im christlichen Uganda als Homosexuelle staatlich verfolgt werden, Menschen, die in Syrien nicht mehr auf ihre Nachbarn schießen wollten und desertiert sind, Menschen, die im Iran ihren Glauben nicht leben dürfen. Und immer wieder Frauen, die ob der Gräuel, die Männer ihnen angetan haben, traumatisiert sind und sich nicht trauen zu sprechen, selbst dann nicht, wenn es zu ihrem Besten wäre.

Diesen Menschen helfen Menschen aus Dänemark. Ganz realistisch und jeden Tag. 

Mehr lesen

Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Zusammenhalt: Es geht noch viel mehr in Nordschleswig“