Leitartikel

„Hass: Die Gefahr in unserer Mitte“

Hass: Die Gefahr in unserer Mitte

Hass: Die Gefahr in unserer Mitte

Apenrade/Aabenraa
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Wir haben uns gut und gerne daran gewöhnt, dass die anderen an unseren Problemen schuld sind und eigentlich nur stören. Doch inzwischen fällt uns diese Haltung auf die eigenen Füße. Die Gefahr von rechtsaußen nimmt besorgniserregende Ausmaße an, meint Cornelius von Tiedemann.

Im Sommer wurden wir daran erinnert, was vor zehn Jahren auf Utøya passiert ist. Und nun ist es auch schon wieder zehn Jahre her,  dass die Mörderinnen und Mörder des NSU in Deutschland aufflogen. Ihre Taten erinnern uns daran: Die Gefahr kommt nicht unbedingt von außen.

Das, was unsere friedlichen, demokratischen und freiheitlichen Gesellschaften bedroht, hat nichts mit Nationalität, ethnischer Herkunft oder Religion zu tun. Sondern mit Hass.

Menschen, die hassen, sind ungeachtet ihres Hintergrundes gefährlich. Nicht immer lebensgefährlich – aber zumindest können sie äußerst unangenehm werden. Weil sie sich von negativen Emotionen leiten lassen, sich in gedanklichen Katastrophenszenarien verlieren und nicht selten versuchen, andere in ihren Teufelskreis aus verbohrter Ignoranz hineinzuziehen.

Das Perfide am Hass: Er verkleidet seine Niedertracht gerne als Ehre und seinen Wahnsinn als Hingabe.

Dass wir im sogenannten Westen besondere Angst vor dem Hass aus der orientalischen Fremde haben, ist kein Wunder. Mit dem Fall der Mauer brach uns der Angstmacher Nummer 1 weg, und spätestens mit den Anschlägen vom 11. September 2001 bot sich die Nachfolge auf schockierend-eindrückliche Weise selbst an.

Überall in Europa, auch in Dänemark, haben wir den Fokus anschließend so sehr auf den Islam als Quelle allen Übels gelegt, dass wir begannen, den tödlichen Hass, den Terror, mit dieser Weltreligion gleichzusetzen.

Viele Medien wetteiferten darum, sich in verblüffendem Ausmaß der mehr oder eher weniger ergebnisoffenen Analyse einer Kultur hinzugeben, die zunehmend nicht nur als problematisch, sondern als bedrohlich bewertet wurde.

Viele von uns sind so zu dem Schluss gekommen, dass die westliche Kultur dem Islam überlegen ist – und dass Muslime in gewisser Weise grundsätzlich als gefährlich zu betrachten sind.

Die entsetzlichen Kriege und Unruhen in einigen islamisch dominierten Ländern haben diesen Eindruck verhärtet. Ebenso wie die Tatsache, dass es nicht allen Eingewanderten aus einigen muslimischen Kulturen trotz zahlreicher Hilfsangebote leicht fällt, ja, dass manche sich gar weigern, sich an die dänischen Gepflogenheiten anzupassen,

Doch in den Jahren seit Utøya hat ein schrecklicher Anschlag nach dem nächsten uns gezeigt, dass wir im Westen selbst ein Hass-Problem haben. Ein Problem damit, dass wir den Hass unter uns zulassen, ignorieren, verharmlosen, ihn vielleicht mit unseren Vorurteilen und unserem wertenden Fokus auf die Unterschiede zwischen Kulturen sogar rechtfertigen und nähren.

Heute wird in den USA, in Deutschland, in Norwegen, Schweden und Dänemark in einem Ausmaß gehasst (und gemordet), dass zum Beispiel der norwegische Nachrichtendienst laut „Jyllands-Posten“ die Anschlaggefahr durch hassende weiße Norweger als ebenso hoch einstuft wie die Gefahr durch islamistische Terroristen.

Es ist leicht, die Schuld für alles Unheil bei anderen zu suchen. Das haben wir nun über Jahre gemacht – und die dänischen Regierungen haben sich darin überboten, wer das Feindbild der „Nichtwestlichen“ am eindrücklichsten an die Wand malen und dann mit immer neuen Maßnahmen bekämpfen kann.

Dabei haben wir vergessen, dass es keine Kultur, sondern der Hass ist,  der uns alle bedroht. „Uns“ im Westen genau wie „die“ im Nahen Osten und anderswo.

Wir dürfen nicht zulassen, dass immer mehr Menschen sich vom Teufelskreis radikaler Feindseligkeit mitziehen lassen und zum Beispiel im Wahn einer weißen Vorherrschaft bereit sind, unsere friedliche Gesellschaft durch mörderische Anschläge zu erschüttern.

Wir alle müssen dem entschieden entgegentreten. Und wir müssen unsere Politikerinnen und Politiker, die gerne und vorsätzlich soziale Probleme und Ungerechtigkeiten mit kulturellen Unterschieden zu begründen versuchen, daran erinnern: Die Gefahr, der wir uns gegenüber sehen, hat nichts mit Nationalität, ethnischer Herkunft oder Religion zu tun. Sondern mit zu viel Hass und Ausgrenzung.

 

 

   

 

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