Leitartikel

„Das Rasen bestrafen – aber gerecht“

Das Rasen bestrafen – aber gerecht

Das Rasen bestrafen – aber gerecht

Apenrade/Aabenraa
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Wer zu schnell fährt, den bestraft man eben. Am liebsten noch strenger als bisher, meint die Regierung. Doch ihre Methoden sind ungerecht, findet Cornelius von Tiedemann – und stützt sich auf Argumente aus Brüssel und Helsinki.

Es soll teurer werden, in Dänemark zu schnell zu fahren. Im Vergleich zu Deutschland liegen wir schon jetzt recht weit vorne. Doch die Regierung setzt auf weitere Abschreckung.

 

Bereits seit dem Frühjahr gilt ja das neue Gesetzespaket mit besonders scharfen Regeln bei außerordentlich groben Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung. Kern: Autos werden beschlagnahmt – auch Autos mit ausländischen Nummernschildern, wie der Fahrer eines noblen, in Deutschland zugelassenen Audis erst kürzlich bei Esbjerg erfahren durfte, nachdem er mit 215 km/h über die Autobahn gerast war.

 

Schade ist: Mit dem in der dänischen Politik gebräuchlichen Begriff der „Wahnsinnsfahrten“ wird wieder mal völlig schmerzfrei popularisiert. Als seien die Täterinnen und Täter psychisch krank und als seien psychisch Kranke grundsätzlich eine Bedrohung. In Wahrheit sind Menschen mit psychischen Leiden in unserer Gesellschaft noch immer viel häufiger Opfer als Täter.

Und es ist kein Wahnsinn, der diese Menschen treibt, mit deutlich überhöhten Geschwindigkeiten Leib und Leben anderer zu gefährden. Es ist vielmehr schlicht kriminelle, gemeinschaftsschädigende Verantwortungslosigkeit.

Dass ihre Autos eingesackt – und dann verkauft werden, um die Einnahmen der Gemeinschaft (also dem Staat) zukommen zu lassen, ist nur konsequent. Dass es aber häufig gar nicht die Halterinnen oder Halter der Fahrzeuge, sondern Partner oder Kinder sind, die Rasen, ist tragisch. Denn so werden immer wieder die Falschen bestraft, wenn das Auto konfisziert wird.

Auch die EU ist dieser Meinung – und will die Rechtssicherheit Unschuldiger in Dänemark stärken. Das Gesetz muss entsprechend angepasst werden: Wer nicht vorhersehen konnte, dass sein Auto für grobe Verstöße benutzt werden würde, darf nicht bestraft werden.

Bei den nun angekündigten Strafverschärfungen geht es aber nicht darum, sondern auch um die 90 km/h auf der Landstraße, wo 80 erlaubt sind. Die 10 km/h „Spielraum“, die wir uns beharrlich einbilden – und die wir uns ganz einfach abgewöhnen müssen.

So oft wir es gehört haben, so sehr wir es fast täglich bagatellisieren – und so sehr manche von uns der penetrante 80-Fahrer vor uns nerven kann: Wer nicht zu schnell fährt, handelt richtig und verantwortungsvoll.

Und wer sie oder ihn überholt, sollte nächstes Mal einfach etwas früher losfahren, anstatt die Gesetze zu missachten, andere zu gefährden und sie auch noch dafür zu verfluchen, dass sie es nicht auch tun.

Ob höhere Bußgelder da helfen? Vielleicht. Wenn die Regierung aber schon an die umstrittene Macht der Abschreckung glaubt, dann sollte sie auch gerecht sein. Denn einen hoch bezahlten Fußballprofi oder eine Wirtschaftsdirektorin jucken ein paar Kronen mehr oder weniger nicht besonders. Einen Krankenpfleger oder eine Taxifahrerin allerdings schon. Heißt: Der Bußgeldkatalog ist, gerade weil er für alle gleich ist, zutiefst ungerecht.

In Finnland wird seit langem schon bezogen auf die Einkünfte mit Tagessätzen bestraft. Da kommt es (in Ausnahmefällen) zu empfindlichen Strafen im sechsstelligen Kronen-Bereich. Strafen, die wehtun und nicht weggelächelt werden. Und die vielleicht tatsächlich abschrecken.

Weil sie jeden empfindlich treffen können.

 

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